Die Bauchschmerzen der USA mit dem Exilanten Bolsonaro
US-Abgeordnete fordern eine Ausweisung des brasilianischen Ex-Staatschefs aus Florida. Lula will seinen Vorgänger isolieren.
Ihren Mann würden starke Bauchschmerzen plagen, sagte Michelle Bolsonaro, nachdem sie ihn in eine Klinik nahe Orlando in Florida gebracht hatte. Waren es Nachwirkungen des Messerattentats auf ihn im September 2018? Oder ist es ein taktisches Abtauchen nach dem chaotischen Sturm seiner Anhänger auf die Hauptstadt Brasilia?
Sicher ist: Die Ereignisse in Brasilia haben sowohl Bolsonaro als auch den USA ein delikates Problem verschafft. Was tun mit dem Brasilianer, der am 30. Dezember als Präsident eingereist war, und der nun, nachdem er die Amtsübergabe am Neujahrstag geschwänzt hat, zum einfachen Besucher mutiert ist? Er wohnt in einem Haus, das einem brasilianischen Kickboxprofi gehört – offenbar einem Bolsonaro-Fan mit rustikalem Background.
„Einfach unfassbar“seien die Umtriebe auf der Esplanada von Brasilia gewesen, urteilte US-Präsident Joe Biden. Die linke USAbgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez twitterte: „Die USA müssen aufhören, Bolsonaro in Florida Zuflucht zu gewähren.“
Eine leicht formulierte Forderung. Eine Ausweisung des ungebetenen Besuchers könnte wesentlich schwieriger werden. Es gäbe zwei mögliche Wege. Der eine führte über das Migrationsrecht, die andere über die Justiz. Dabei wäre ein Entzug des Aufenthaltsrechts wahrscheinlich einfacher und deutlich schneller möglich als ein formelles Auslieferungsverfahren, das Jahre in Anspruch nehmen könnte. Denn es gibt keine Garantie dafür, dass die US-Gerichte die Auffassung der brasilianischen Justiz teilen, wonach Anzeigen gegen Bolsonaro eine Auslieferung rechtfertigen würden.
Verlust der Immunität
Fakt ist: Mit dem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt hat Jair Bolsonaro seine Immunität verloren. Dies bedeutet, dass er von der Justiz verfolgt werden kann. Seine Zukunft könnte nun vom Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, Alexandre de Moraes, sowie vom politischen Kalkül Lulas abhängen. Das Höchstgericht hat 2018 die Inhaftierung Lulas gedeckt. „Nach dem heutigen Tag wird de Moraes alle Unterstützung haben, die er braucht“, sagte ein hochrangiger Richter dem Blatt „O Globo“.
Vier Strafverfahren wurden noch während der Amtszeit Bolsonaros eingeleitet. Sie stocken, weil der vom Präsidenten eingesetzte Generalstaatsanwalt sämtliche Verfahren verschleppte. Es geht um Einflussnahme in Korruptionsermittlungen gegen seinen Sohn Flavio, Wahlmanipulationen und die Einrichtung eines Trollsystems, das systematisch Falschnachrichten aus dem Präsidentenpalast verbreitete.
Dazu könnten weitere Ermittlungen des Höchstgerichts folgen – unter anderem wegen haltloser Behauptungen über die angebliche Unsicherheit des brasilianischen Wahlsystems. Sollten Verbindungen Bolsonaros zu den Aufwieglern existieren, dürfte seine Situation noch heikler werden.
Bolsonaro hat in Florida durchaus mächtige Freunde. Hier wohnt Donald Trump, hier regiert der ebenfalls rechtspopulistische Gouverneur Ron DeSantis. Präsident Biden weiß, dass ein – rechtlich wohl möglicher – Entzug des Besuchervisums Bolsonaros erheblichen Staub aufwirbeln kann. Und auch in Brasilien ist nicht klar, ob Lula seinen Vorgänger so dringend zurückhaben will. Nach dem Imageverlust des Ex-Präsidenten glauben viele brasilianische Leitartikler, dass Lula versuchen wird, Bolsonaros Anhänger zu beschwichtigen und dessen bisherigen politischen Verbündeten stärker einzubinden. Und Bolsonaro so immer weiter zu isolieren.