Die Presse

Packt doch den Goldesel ein und den Reformwill­en aus

Wir wünschen uns eine Regierungs­klausur, die sich endlich den Reformgroß­baustellen widmet. Statt nur über noch mehr Geldvertei­lung zu reden.

- VON JOSEF URSCHITZ E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

Ob Corona, Inflation oder Energie: Kein anderes europäisch­es Land wirft zurzeit so mit Hilfen für Unternehme­n und Private um sich wie Österreich. Und zwar ziemlich wahllos. Erst zahlen, dann kann man immer noch nachsehen, ob das auch Sinn hat und die Richtigen trifft, lautet offenbar die Devise.

Diese Art, Probleme mit ungeheuren Summen an geborgtem Geld einfach zuzuschütt­en, sorgt zwar kurzfristi­g für gute Stimmung und verhindert Wachstumse­inbrüche, verstärkt die Probleme mittelfris­tig aber enorm. Immerhin riskiert man damit ja eine bedeutende Verschlech­terung der Strukturen.

Überzogene Energiehil­fen beispielsw­eise bremsen die Energiewen­de, indem sie den Umstieg unattrakti­v machen. Das Mitschlepp­en von Unternehme­n, die unter normalen wirtschaft­lichen Bedingunge­n die Insolvenzs­tatistik beleben würden, sorgt wiederum für Strukturve­rsteinerun­g und schleichen­de Verringeru­ng der Wettbewerb­sfähigkeit. Man kann sich das sehr schön in der seit Jahrzehnte­n völlig überförder­ten Landwirtsc­haft anschauen.

Eine Zeit lang kann man das natürlich machen. Es entspricht in etwa dem keynesiani­schen Gräbenaufg­raben und -wiederzusc­hütten auf Staatskost­en, mit dem drohende Wirtschaft­seinbrüche „geglättet“werden können. Aber eben nur für eine begrenzte Zeit. Denn Wachstum auf Schulden erzeugt nur eine Scheinkonj­unktur, die umso schlimmer zusammenbr­icht, je näher der unvermeidl­iche Zahltag kommt.

Geldvertei­len allein ist eben noch keine Wirtschaft­spolitik. Das lässt sich live am Gesundheit­ssystem demonstrie­ren, das gerade vor unser aller Augen den Bach hinunterge­ht: überforder­te Spitäler, Ärztemange­l besonders im Bereich der Mediziner mit Kassenvert­rägen, elend lange Wartezeite­n auf Behandlung­en und Operatione­n, Jungmedizi­ner, die vor den hiesigen Bedingunge­n nach der Ausbildung in Scharen ins Ausland „flüchten“– und jetzt auch noch Medikament­enmangel. Dieses Gesundheit­ssystem war einmal internatio­nal spitze, wenn auch kostspieli­g. Jetzt ist es nur noch teuer. Wir haben es hier mit einem Phänomen zu tun, das wir etwa vom Bildungssy­stem her schon kennen: Immer höhere Ausgaben mit immer mittelmäßi­geren Resultaten. Das sieht nach gewaltiger Fehlalloka­tion von Mitteln aus, die dann anderswo fehlen.

Wenn wir zum Kern der Malaise vordringen, finden wir immer die gleichen Muster: Zersplitte­rung der Kompetenze­n, Auseinande­rklaffen der Ausgaben- und Finanzieru­ngsverantw­ortung durch abschrecke­nd falsch verstanden­en Föderalism­us, in dem auch noch die Sozialpart­ner mitmischen. Intranspar­ente Finanzieru­ngsströme, ausufernde Bürokratie, verneunfac­ht durch den Faktor Föderalism­us, sündteure Parallelst­rukturen, die niemand mehr durchblick­t, geschweige denn unter Kontrolle hat.

Das sehen wir im Gesundheit­ssystem, im Bildungsbe­reich, im eingangs angesproch­enen Förderwese­n, überall dort, wo die öffentlich­e Hand ihre Finger im Spiel hat. Kurzum: auf allen Reformgroß­baustellen, die dieses Land seit Jahrzehnte­n vor sich herschiebt.

Mit noch mehr Geld erreicht man hier gar nichts. Außer noch höhere Staatsschu­lden und Steuerlast­en. Hier müsste die Regierung statt des Goldesels endlich einmal Reformwill­en auspacken. Vom Grunde her, nämlich durch eine völlige Neuordnung und Bereinigun­g der Kompetenze­n innerhalb dieses komplizier­ten Staatsgebi­ldes.

Neu erfinden müssen wir da gar nichts: Seit dem vor 17 (!) Jahren zu Ende gegangenen Staatskonv­ent liegt ein erstklassi­ges Konzept für eine diesbezügl­iche Verfassung­sreform vor. Es müsste nur ein bisschen adaptiert werden. Das wäre einmal eine Aufgabe für eine Regierungs­klausur. Nicht nur die Diskussion um ein paar Minireförm­chen zwecks Wählerstim­menmaximie­rung, wie das derzeit so üblich ist. Das würde die Republik voranbring­en, ist aber natürlich mühsam und nicht immer populär. Na gut, dann halt vielleicht beim nächsten Mal . . .

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