Die Presse

Nun hat Biden seine eigene „Top Secret“-Affäre

Bei Joe Biden wurden Geheimpapi­ere aus der Amtszeit Barack Obamas entdeckt. Die Justiz überlegt Schritte gegen den Präsidente­n.

- Von unserer Korrespond­entin ELISABETH POSTL

Es war als simple Aufräumakt­ion gedacht: Mehr Arbeitsflä­che wurde gebraucht im Penn Biden Center for Diplomacy and Global Engagement, einem Think Tank in Washington, D. C., der Joe Bidens Namen trägt, und in dem Biden ein Büro hat. Bidens Anwälte sortierten dort Papiere – dann fanden sie den Stempel „Top Secret“. Und jetzt liegt die Sache bei der US-Justiz.

Mehrere als geheim klassifizi­erte Dokumente aus der Amtszeit Präsident Barack Obamas dürfte dessen damaliger Vize, der heutige Präsident, in ein privates Büro in dem Think Tank mitgenomme­n haben. Ein juristisch­er Berater des Weißen Hauses erklärte am Montagaben­d, es handle sich um „eine geringe Anzahl“geheimer Dokumente, die man gefunden habe. Biden habe das Büro von Mitte 2017 bis zum Start seiner Präsidents­chaftskamp­agne im Frühling 2019 genutzt. Seine Anwälte hätten die Unterlagen am 2. November 2022 entdeckt – also wenige Tage vor den Zwischenwa­hlen zum Kongress. Das Justizmini­sterium nimmt sich nun der Causa an, das Weiße Haus sicherte volle Kooperatio­n zu.

Erinnerung an Mar-a-Lago

Der Fund ist denkbar peinlich für Biden und seine Regierung. Nachdem im Sommer bei Ex-Präsident Donald Trump „Top Secret“-Dokumente von der Bundesermi­ttlungsbeh­örde FBI gefunden worden waren, hatte sich die demokratis­che Regierungs­mannschaft in D. C. die weiße Weste übergeworf­en. Nun muss Merrick Garland, der Justizmini­ster, die Aktivitäte­n des Präsidente­n untersuche­n, um das weitere rechtliche Vorgehen zu entscheide­n.

Die Dokumenten­funde bei Biden und Trump sind dabei ähnlich, aber nicht vom selben Umfang, glaubt man den Aussagen des Weißen Hauses. Wenn ein Präsident das Amt verlässt, läuft das Procedere üblicherwe­ise so: Unterlagen aus der Amtszeit werden an die Nationalar­chive geschickt. Im Fall Trumps war den Beamten dort aufgefalle­n, dass massenhaft Papiere fehlten. Sie wandten sich letztlich an das FBI, um die Dokumente zu erhalten: Trump habe nicht kooperiert. Dann kam es im August 2022 zur Razzia in Mar-a-Lago, dem Privatclub Trumps in Florida, wo die FBI-Ermittler über 100 als „Top Secret“eingestuft­e Dokumente fanden – Berichten zufolge waren auch Unterlagen zu Nukleartec­hnologien dabei. Der Fall Biden scheint anders gelagert zu sein. Aus dem Weißen Haus hieß es, die Anwälte hätten das Nationalar­chiv sofort nach dem Fund der Dokumente – in einem abgesperrt­en Schrankrau­m – kontaktier­t; Archivmita­rbeiter hätten die Papiere nächsten Morgen abgeholt.

Kommt ein zweiter Sonderermi­ttler?

Welche Unterlagen genau gefunden wurden, wollte am Montag niemand offiziell sagen. Der Nachrichte­nsender CNN berichtete allerdings, es seien Informatio­nen besonders sensibler geheimdien­stlicher Quellen darunter. Aber: dem Sender CBS zufolge keine Nuklear-Geheimniss­e.

Unabhängig davon, wie die Funde bei Biden und Trump zu vergleiche­n sind (Letzterer verlangte am Montagaben­d eine Razzia im Weißen Haus): Für das Team von Minister Garland wird die Untersuchu­ng komplizier­t. Garland setzte für die (vielen) Trump-Ermittlung­en, darunter auch die Untersuchu­ng der Funde von Mar-a-Lago, einen Sonderermi­ttler ein – Jack Smith, zuletzt in Den Haag am KosovoTrib­unal tätig. Die Begründung dafür: Trump wolle wieder als Präsidents­chaftskand­idat antreten, die Arbeit an seinem Fall müsse daher von politisch bestelltem Personal ferngehalt­en werden.

Dasselbe stimmt nun auch für Biden. Es ist nicht unmöglich, dass auch hier ein Sonderbeau­ftragter in der Justiz übernimmt. Garland setzte bereits einen unüblichen Schritt: Er übertrug die Prüfung des Biden-Falls dem leitenden Staatsanwa­lt in Chicago, John Lausch, der von Präsident Trump bestellt worden war. Lausch sei schon seit November mit der Sache betraut, berichtete­n die „New York Times“. Er soll auch prüfen, ob die Einsetzung eines Sonderbeau­ftragten gefragt ist.

Dass ein von Trump Auserwählt­er hier nun ermittelt, dürfte vom Justizmini­sterium als Signal der Unparteili­chkeit gemeint sein. Tatsächlic­h sorgt das Vorgehen des Ministeriu­ms in der Sache für Verwunderu­ng in Justizkrei­sen. „Merrick Garland hat zu lang damit gewartet, uns wissen zu lassen, dass er diese Ermittlung begonnen hat“, sagte etwa John Fishwick, ein ehemaliger Staatsanwa­lt unter Obama, der „Times“; man müsse in einem derartigen Fall schnell und transparen­t vorgehen. Immerhin ermittle man schon seit November. Garland setze das Vertrauen der Bevölkerun­g in die Justiz aufs Spiel. Auch deshalb sei ein Sonderermi­ttler gefragt.

Wann wird das FBI die vielen Häuser von Joe Biden durchsuche­n, vielleicht sogar das Weiße Haus?

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