Wie sich Meloni vor Pensionsreformen drückt
Auch die rechte Regierung Meloni greift wie ihre Vorgänger auf altbewährte Tricks zurück, um unpopuläre Veränderungen des teuren Pensionssystems zu verhindern – und das Antrittsalter weiterhin niedrig zu halten.
Die Verabschiedung des italienischen Budgetplans war eine Punktlandung: Nur zwei Tage vor Ende des Jahres 2022 brachte die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni das Gesetz durch das Parlament. Da die rechte Regierung erst Ende Oktober angetreten ist, hatte die Koalition nur zwei Monate Zeit, sich darauf zu einigen, wofür sie Geld ausgeben will.
Meloni feiert die pünktliche Verabschiedung als Erfolg und verschweigt, wie sehr ihre Pläne hinter ihren Wahlversprechen zurückbleiben. Gerade beim Thema Pensionen fällt das auf: Die rechte Koalition hatte Reformen versprochen, wollte alles anders zu machen als die Vorgängerregierungen. Und da die Regierung ausschließlich aus rechten Parteien besteht, hätte sie beim Kernthema Pensionen wirklich neue Wege gehen können.
Stattdessen bleibt alles beim Alten. So überleben auch die „Quoten“, jene Sonderregelungen, die einen Ruhestand ermöglichen – und nötige Reformen verzögern.
Anhand dieser Quota-Regelungen zeigt sich, wie unwillig eine Regierung nach der nächsten ist, beschlossene Reformen konsequent umzusetzen – ungeachtet der teuren Folgen für den Staatshaushalt.
Die Maßnahme, die Melonis Regierung nun mit ihrem Haushalt verabschiedet hat, heißt „Quota 103“. Wer 41 Jahre lang eingezahlt hat, kann bereits mit 62 in Pension gehen (41 + 62 = 103), fünf Jahre früher als vorgesehen (das Pensionseintrittsalter liegt seit 2011 bei 67 Jahren). Die Anhebung des Pensionsalters erfolgte während der Euro-Krise, damals waren die Staatsschulden so hoch, dass sie die Wirtschaft aus dem Gleichgewicht zu bringen drohten, was nicht nur Italien, sondern die gesamte Euro-Zone in Gefahr brachte. Spar- und Reformversprechen verhinderten den Crash.
Seitdem wurden in vielen Bereichen Reformen umgesetzt. Doch die Pensionen bleiben eine teure Ausnahme: Denn während das Eintrittsalter zwar theoretisch stufenweise bis auf 67 Jahre angestiegen ist, ermöglichen Quota-Regelungen den Bürgern, in den vorgezogenen Ruhestand zu gehen.
Dahinter steckt ein Trick: Unpopuläre Pensionserhöhungen werden verhindert, gleichzeitig müssen sich die Regierungen nicht für allzu massive neue Schulden verantworten, weil die Quoten immer nur für einen kurzen Zeitraum verabschiedet werden. Melonis Quote 103 etwa gilt nur für das kommende Jahr – sodass im Haushalt nur Pensionen für ein bis zwei Jahrgänge eingepreist werden müssen. Das ist natürlich deutlich billiger, als wenn das Pensionsalter für alle zukünftigen Generationen wieder abgesenkt werden würde.
Kostspielige Wahlgeschenke
Trotzdem gehören die Quoten zu den teuersten Wahlgeschenken, die die Regierenden ihren Wählern machen. Das zeigt die „Quota 100“, die die rechtspopulistische Lega während ihrer Regierungszeit 2018/19 durchgesetzt hatte: Damals waren 33,5 Milliarden Euro dafür veranschlagt worden, dass Italiener mit 62 Jahren und mit 38 Beitragsjahren in Pension gehen konnten. Letztlich kostete sie über drei Jahre 23 Milliarden Euro.
Auf sie folgte Mario Draghis „Quota 102“, die das Pensionseintrittsalter auf 64 Jahre bei 38 Beitragsjahren anhob. Und 2023 folgt Melonis Quota 103, die, wie Draghis Maßnahme, nur auf ein Jahr angelegt ist. Ihre Einschränkung dürfte nur wenige betreffen: Die maximale monatliche Pension, die sie erlaubt, liegt bei 2800 Euro. Die Variation der Altersgrenze führt dazu, dass Melonis Quota 103 ungefähr die gleichen Jahrgänge betrifft wie Draghis Quota 102.
Diese Verzögerungsstrategie mag für die Politiker bequem sein, weil sie ihre Wähler so nicht verschrecken müssen, nachhaltig ist sie aber nicht: Es entsteht ein immer größerer Unterschied zum vorherigen Jahrgang. Im Extremfall könnte das bedeuten, dass jemand, der einen Tag später geboren ist, erst fünf Jahre später in Pension gehen kann. Wie es für die kommenden Jahrgänge weitergehen wird, wird sich bald zeigen. Meloni hat zwar versprochen, eine große Reform vorzubereiten und umzusetzen – genauso wie ihre Vorgänger. Das Ergebnis war bei allen dann immer nur eine neue „Quota“.