Europa erwärmt sich rascher als Rest der Welt
2022 war in Europa das zweitwärmste Jahr seit dem Beginn der Aufzeichnungen. Ausgedehnte Waldbrände im Sommer waren für den Anstieg der Emissionen mitverantwortlich.
Klimawandel.
Der Klimawandel macht keine Winterpause. Während am Dienstag am Wiener Praterstern gegen die Erderwärmung protestiert wurde, sahen sich die Behörden im französischen La Clusaz mit einer neuen Form der Umweltproteste konfrontiert – nämlich mit Sabotage der Schneekanonen, die mittlerweile auch in dem Wintersportort in der Region Auvergne-Rhô ne-Alpes für die Pistengaudi unerlässlich sind. Immerhin hat La Clusaz das Glück der Höhe auf seiner Seite, denn das Pistengebiet liegt zwischen 1000 und 2000 Meter Seehöhe, was die Versorgung mit Schnee erleichtert – während hierzulande die Aussichten für Skilifte in Lagen unter 1000 Meter zusehends aussichtslos sind, wie der oberösterreichische Umweltlandesrat Stefan Kaineder einräumte.
Frisches Öl in dieses klimapolitische Feuer goss am Montag Copernicus, das satellitengestützte Erdbeobachtungsprogramm der Europäischen Union. Die Forschungsstelle, die ebenfalls mit der Erfassung der Erderwärmung betraut ist, veröffentlichte ihre Bilanz des abgelaufenen Jahres – und dieses Résumé fiel alles andere als beruhigend aus. Demnach war 2022 in Europa das zweitwärmste (und weltweit das fünftwärmste) Jahr seit dem Beginn der Aufzeichnungen. Dessen nicht genug: Betrachtet man ausschließlich den vergangenen Sommer, wurde in Europa der Hitzerekord gebrochen. Zugleich lag jeder europäische Sommermonat global unter den Top drei – Europa war also auch im Vergleich mit anderen Weltregionen an der Temperaturspitze.
„Jahr der Klimaextreme“
Die Temperaturen des Rekordsommers 2022 sind ein weiterer Beleg für eine Entwicklung, die der EU und ihren Mitgliedstaaten noch deutlich ernsthaftere Probleme bescheren dürfte als der ohnehin aufwendige Kampf gegen Waldbrände. Gemäß der Copernicus-Daten schreitet die Erderwärmung in Europa schneller voran als in allen anderen Erdteilen. So fiel der Temperaturanstieg in Europa in den vergangenen drei Jahrzehnten im Schnitt doppelt so stark aus wie der globale Temperaturanstieg. „2022 war in Europa ein
Jahr der Klimaextreme. Es ist offensichtlich, dass wir schon jetzt die Folgen des Klimawandels spüren“, resümierte Samantha Burgess, Vizedirektorin des Copernicus-Klimaforschungsprogramms.
Dürre und Waldbrände
Die Durchschnittstemperatur in Europa lag 2022 rund 0,3 Grad Celsius unter dem bisherigen Rekordjahr 2020, und rund 0,1 Grad über den Jahren 2019, 2015 und 2014. Soll heißen: Europas fünf heißeste Jahre ereigneten sich in den vergangenen acht Jahren – ein weiteres Indiz für die Beschleunigung des Klimawandels. Für den hohen Durchschnittswert verantwortlich war diesmal der Sommer, der in der EU alle Rekorde gebrochen hat. Das Zentrum dieser Rekordhitze lag in den Sommermonaten klar im Westen der Union.
Dass die Auswirkungen in Frankreich oder dem Westen Deutschlands derart dramatisch waren, lag nicht zuletzt daran, dass die zweite Frühjahrshälfte überdurchschnittlich mild war und die Niederschlagsmengen zugleich unter dem Durchschnitt lagen (siehe Grafik) – was in Folge, als die Hitzewellen einsetzten, in einer Dürre resultierte. Die Folgen: Waldbrände, Ernteausfälle, eingeschränkte Flussschifffahrt und weniger Strom aus Wasserkraft. Negativer Nebeneffekt der heftigen Brände (vor allem in Spanien und Frankreich) war ein signifikanter Anstieg der Schadstoffemissionen im Sommer 2022 – und zwar auf das höchste Niveau seit 2007. Dieser Ausstoß trug dazu bei, dass 2022 die höchste je gemessene
Dichte an CO2 und Methan in der Erdatmosphäre gemessen wurde. Gemäß Copernicus hatte es diese CO2-Dichte zuletzt vor zwei Millionen Jahren gegeben, bei Methan liegt die letzte mit dem gegenwärtigen Niveau vergleichbare Periode 800.000 Jahre zurück. Mit dieser Performance rückt das selbst erklärte Ziel, den Ausstoß der Treibhausgase zu reduzieren und den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, ein Stück weiter weg. Nimmt man die Temperaturen von 2022 als Vergleichswert, so entspricht das einem TemperaturPlus von 1,2 Grad. Soll heißen: Selbst bei Erreichung des (höchst ambitionierten) Klimaziels von 1,5 Grad wird es noch wärmer (und ungemütlicher) werden.
Hitzepol Sibirien
Apropos ungemütlich: Während Europa 2022 lediglich mit einem Temperatur-Plus von 0,3 Grad zu kämpfen hatte, war es in nördlichen Teilen Sibiriens und entlang der antarktischen Küste um mehr als zwei Grad wärmer. So wurde in der arktischen Forschungsstation Vostok im März mit minus 17,7 Grad Celsius die höchste Temperatur seit Beginn der Messungen vor 65 Jahren erfasst.