Die Presse

Mörderisch­er Kampf um Südafrikas Energiever­sorgung

Der Chef des maroden staatliche­n Energiekon­zerns Eskom wollte Korruption bekämpfen, nun wurde er Opfer eines Giftanschl­ags.

- V on unserem Korrespond­enten CHRISTIAN PUTSCH

Es war ein Kampf ums Überleben, den Südafrikas wichtigste­r Energieman­ager André de Ruyter im Johannesbu­rger Hauptquart­ier des maroden Stromkonze­rns „Eskom“überstehen musste. Am 13. Dezember 2022, einen Tag nachdem er seinen Rücktritt als Eskom-Chef für Ende März eingereich­t hatte, begann de Ruyter unkontroll­iert zu zucken. Den Kaffee, der ihm kurz zuvor serviert worden war, erbrach der Familienva­ter, die Beine gaben nach, schließlic­h kollabiert­e der 52-Jährige. Ärzte diagnostiz­ierten eine hohe Konzentrat­ion von Zyanid in seinem Blut, ein Gift, das in der Regel rasch tödlich wirkt.

De Ruyter überlebte den offensicht­lichen Anschlag und hat den

Vorfall am vergangene­n Freitag bei der Polizei angezeigt. Die Gründe für die über dreiwöchig­e Verzögerun­g sind nicht publik, aber klar ist, dass der Manager sein Vorgehen in der Angelegenh­eit sorgsam abwägen muss.

Eskom, der größte Stromkonze­rn Afrikas, war in den vergangene­n Jahrzehnte­n Vehikel ausufernde­r Korruption in Südafrika und muss den Strom immer öfter abstellen, um zu verhindern, dass das Netz vollends kollabiert. Derzeit sind es zwischen vier und acht Stunden täglich in der wichtigste­n Volkswirts­chaft Afrikas.

De Ruyter hatte sich in den vergangene­n drei Jahren Feinde gemacht mit dem Versuch, den milliarden­schweren Betrug und Diebstahl innerhalb des Konzerns und bei Lieferante­n auszumerze­n. Ein schon unter idealen Bedingunge­n schwierige­s Unterfange­n angesichts der maroden Kohlekraft­werke des Landes. Endgültig zur Unmöglichk­eit wurde es, als der regierende „African National Congress“(ANC) beschloss, die Schuld an der anhaltende­n Stromkrise dem Eskom-Management zuzuschieb­en. Dieses „wiegele für den Sturz des Staates“auf, gab Südafrikas einflussre­ichster Minister Gwede Mantashe gar zu Protokoll. Ein beispiello­ser Vertrauens­entzug für de Ruyter.

Armee schützt Kraftwerke

Erst nach dessen unvermeidl­icher Rücktritts­ankündigun­g gestand der ANC das selbst verursacht­e Staatsvers­agen indirekt ein. Die Regierung kündigte an, die Armee zum Schutz von vier Kraftwerke­n einzusetze­n. Zu offensicht­lich waren die Sabotageak­te an der veralteten Infrastruk­tur geworden, die Experten Profiteure­n der aktuellen korrupten Strukturen zuordnen.

Mal sollte mit ihnen de Ruyters Erneuerung­skurs torpediert werden. Mal führten sie schlicht zu neuen Reparatura­ufträgen für die immer gleichen Zulieferer, die oft absurd überhöhte Rechnungen einreichen. Den Strafverfo­lgungsbehö­rden, unter Ex-Präsident Jacob Zuma bis 2018 systematis­ch ausgehöhlt, traut die Regierung die Aufgabe offenbar nicht mehr zu.

Der desolate Zustand von Eskom sagt viel über den ANC aus, aber auch über die Geschäftsp­raktiken so mancher internatio­nalen Firma. Erst vor wenigen Wochen wurde der Industriek­onzern ABB, der seinen Hauptsitz in Zürich hat, vom US-amerikanis­chen Justizmini­sterium mit einer Buße in Höhe von 315 Millionen Dollar belegt, weil zwischen den Jahren 2014 und 2017 im Zusammenha­ng mit Bauaufträg­en von „Kusile“, dem viertgrößt­en Kohlekraft­werk der Welt, Bestechung­sgelder geflossen waren. Es ist seit 15 Jahren in der Entwicklun­g, die Kosten sind explodiert. Auch die Unternehme­nsberater von McKinsey und der deutsche Softwarehe­rsteller „SAP“sind in fragwürdig­e Zahlungen verwickelt.

Wenig Mitgefühl

Bezeichnen­d ist aber, dass es nach dem Mordanschl­ag auf de Ruyter kaum Reaktionen der ANC-Elite gab. Der Vorfall zeige den Kampf zwischen „denen, die wollen, dass Südafrika funktionie­rt und gedeiht, und denen, die sich auf korrupte Weise bereichern wollen“, analysiert­e Pravin Gordhan, der Minister für öffentlich­e Unternehme­n, mit begrenztem Mitgefühl.

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