Die Presse

Der Präsident, die Kreide und das neue Parlament

Wolfgang Sobotka plädiert für einen anderen Umgangston in der Politik und schließt sich selbst mit ein: „Ich habe meine Lektionen gelernt“, sagt der Nationalra­tspräsiden­t, der sich auch im U-Ausschuss zurückhalt­en will.

- VON MARTIN FRITZL [ APA/Helmut Fohringer ]

Es gibt Attribute, mit denen Wolfgang Sobotka gemeinhin in Verbindung gebracht wird: streitbar zum Beispiel. Cholerisch, sagen viele. Der Nationalra­tspräsiden­t gilt als effiziente­r Machtpolit­iker, als einer, der sich von Widerständ­en nicht beirren lässt, wenn es um die Interessen seiner Partei geht. Dagegen hätte ihn wohl noch kaum jemand als „versöhnlic­h“tituliert. Oder als Konsenspol­itiker. Von einem Elder Statesman ist er recht weit entfernt.

Genau dieses Image versucht sich der Präsident nun aber im Vorfeld der Wiedereröf­fnung des renovierte­n Parlaments­gebäudes zu geben. Diese Neueröffnu­ng sei auch eine Chance für einen neuen Umgangston in der Politik, sagte Sobotka am Mittwoch vor Journalist­en: „Zentraler Fokus muss für uns der Respekt gegenüber der anderen Meinung sein.“

Wie das mit dem Bild zusammenpa­sst, das Sobotka bisher selbst von sich gezeigt hat? Hat da jemand vor dem großen Auftritt bei der Eröffnungs­zeremonie Kreide gefressen? Sobotka spricht davon, sich auch selbst ändern zu wollen: Er arbeite daran, Fehler aus der Vergangenh­eit zu vermeiden und vermehrt den Konsens zu suchen. „Ich habe meine Lektionen gelernt.“

Kritik an seinen Alleingäng­en beim Umbau des Hauses nehme er ernst. „Ich werde versuchen, Dinge anders zu gestalten“, versprach er. Allerdings habe man, etwa bei der Namensgebu­ng der Räume, sehr wohl auch alle Fraktionen um deren Vorschläge gebeten. Künftig werde er verstärkt versuchen, in der Präsidiale einen Konsens zu finden.

Beim Untersuchu­ngsausschu­ss habe er schon versucht, seine Person weitgehend herauszune­hmen. So hatte er sich in einigen Sitzungen, in denen er auch thematisch involviert war, als

Vorsitzend­er vertreten lassen. Dabei wirft die SPÖ Sobotka gerade aktuell Parteilich­keit vor, weil dieser noch immer keine Ausschusst­age für Jänner festgesetz­t hat, was dazu führen wird, dass sich die meisten Befragunge­n schon aufgrund des Fristenlau­fs nicht mehr ausgehen werden. Gerade das sei ein Bereich, in dem er auf Konsens setze, kontert der Präsident. Er hoffe auf eine bevorstehe­nde Einigung der Fraktionen.

Auch zur ungenutzte­n Chance, mit der Übersiedlu­ng die elektronis­che Abstimmung im Nationalra­t einzuführe­n, verwies Sobotka auf den erforderli­chen Konsens sowohl im Präsidium als auch in den Fraktionen. „So viel ich weiß, findet sich kein Kompromiss.“Erfahrunge­n in anderen Staaten hätten außerdem gezeigt, dass dieses Prozedere Vorwie

Nachteile berge. Und welche persönlich­e Meinung hat der Nationalra­tspräsiden­t dazu? „Dass ich kein Verhindere­r der elektronis­chen Abstimmung bin, ist, glaube ich, klar.“

Tage der offenen Tür

Am Donnerstag wird das Parlament mit einem Festakt wieder eröffnet. Danach gibt es am Wochenende zwei Tage der offenen Tür. Besichtigt werden können Nationalra­ts-, Bundesrats- und Bundesvers­ammlungssa­al, die Amtsräume von Nationalra­tsund Bundesrats­präsident, die Säulenhall­e, das neue Besucherze­ntrum und die Bibliothek. Am 26. Jänner wird Alexander Van der Bellen im Historisch­en Sitzungssa­al erneut als Bundespräs­ident angelobt. Das erste reguläre Nationalra­tsplenum im runderneue­rten Haus ist für 31. Jänner vorgesehen. Die drei Pavillons des Ausweichqu­artiers (auf dem Heldenplat­z und im Bibliothek­shof) werden dann demontiert, die Redoutensä­le in der Hofburg, wo seit 2017 National- und Bundesrat getagt haben, rückgebaut.

Zentraler Fokus muss für uns der Respekt gegenüber der anderen Meinung sein. Wolfgang Sobotka Nationalra­tspräsiden­t

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