Der Präsident, die Kreide und das neue Parlament
Wolfgang Sobotka plädiert für einen anderen Umgangston in der Politik und schließt sich selbst mit ein: „Ich habe meine Lektionen gelernt“, sagt der Nationalratspräsident, der sich auch im U-Ausschuss zurückhalten will.
Es gibt Attribute, mit denen Wolfgang Sobotka gemeinhin in Verbindung gebracht wird: streitbar zum Beispiel. Cholerisch, sagen viele. Der Nationalratspräsident gilt als effizienter Machtpolitiker, als einer, der sich von Widerständen nicht beirren lässt, wenn es um die Interessen seiner Partei geht. Dagegen hätte ihn wohl noch kaum jemand als „versöhnlich“tituliert. Oder als Konsenspolitiker. Von einem Elder Statesman ist er recht weit entfernt.
Genau dieses Image versucht sich der Präsident nun aber im Vorfeld der Wiedereröffnung des renovierten Parlamentsgebäudes zu geben. Diese Neueröffnung sei auch eine Chance für einen neuen Umgangston in der Politik, sagte Sobotka am Mittwoch vor Journalisten: „Zentraler Fokus muss für uns der Respekt gegenüber der anderen Meinung sein.“
Wie das mit dem Bild zusammenpasst, das Sobotka bisher selbst von sich gezeigt hat? Hat da jemand vor dem großen Auftritt bei der Eröffnungszeremonie Kreide gefressen? Sobotka spricht davon, sich auch selbst ändern zu wollen: Er arbeite daran, Fehler aus der Vergangenheit zu vermeiden und vermehrt den Konsens zu suchen. „Ich habe meine Lektionen gelernt.“
Kritik an seinen Alleingängen beim Umbau des Hauses nehme er ernst. „Ich werde versuchen, Dinge anders zu gestalten“, versprach er. Allerdings habe man, etwa bei der Namensgebung der Räume, sehr wohl auch alle Fraktionen um deren Vorschläge gebeten. Künftig werde er verstärkt versuchen, in der Präsidiale einen Konsens zu finden.
Beim Untersuchungsausschuss habe er schon versucht, seine Person weitgehend herauszunehmen. So hatte er sich in einigen Sitzungen, in denen er auch thematisch involviert war, als
Vorsitzender vertreten lassen. Dabei wirft die SPÖ Sobotka gerade aktuell Parteilichkeit vor, weil dieser noch immer keine Ausschusstage für Jänner festgesetzt hat, was dazu führen wird, dass sich die meisten Befragungen schon aufgrund des Fristenlaufs nicht mehr ausgehen werden. Gerade das sei ein Bereich, in dem er auf Konsens setze, kontert der Präsident. Er hoffe auf eine bevorstehende Einigung der Fraktionen.
Auch zur ungenutzten Chance, mit der Übersiedlung die elektronische Abstimmung im Nationalrat einzuführen, verwies Sobotka auf den erforderlichen Konsens sowohl im Präsidium als auch in den Fraktionen. „So viel ich weiß, findet sich kein Kompromiss.“Erfahrungen in anderen Staaten hätten außerdem gezeigt, dass dieses Prozedere Vorwie
Nachteile berge. Und welche persönliche Meinung hat der Nationalratspräsident dazu? „Dass ich kein Verhinderer der elektronischen Abstimmung bin, ist, glaube ich, klar.“
Tage der offenen Tür
Am Donnerstag wird das Parlament mit einem Festakt wieder eröffnet. Danach gibt es am Wochenende zwei Tage der offenen Tür. Besichtigt werden können Nationalrats-, Bundesrats- und Bundesversammlungssaal, die Amtsräume von Nationalratsund Bundesratspräsident, die Säulenhalle, das neue Besucherzentrum und die Bibliothek. Am 26. Jänner wird Alexander Van der Bellen im Historischen Sitzungssaal erneut als Bundespräsident angelobt. Das erste reguläre Nationalratsplenum im runderneuerten Haus ist für 31. Jänner vorgesehen. Die drei Pavillons des Ausweichquartiers (auf dem Heldenplatz und im Bibliothekshof) werden dann demontiert, die Redoutensäle in der Hofburg, wo seit 2017 National- und Bundesrat getagt haben, rückgebaut.
Zentraler Fokus muss für uns der Respekt gegenüber der anderen Meinung sein. Wolfgang Sobotka Nationalratspräsident