Wissenschaftler flankieren Klimakleber
Die Blockadewelle von Klima-Aktivisten geht in Wien weiter – und hat am Dienstag auf dem Praterstern Unterstützung von rund 40 Wissenschaftlern bekommen.
Sich vor Dutzende hupende Autos auf die Straße stellen, Auge in Auge mit Polizisten, die die Blockierer aus dem Weg räumen wollen – für Klima-Aktivisten der Letzten Generation, die diese Woche wieder mit Klebeaktionen auf Wiens Straßen auffallen, ist dies schon Routine. Für Wissenschaftler, die man sonst eher in Universitätssälen und Laboren findet, nicht ganz.
Dennoch stellten sich Dienstagfrüh rund 40 Wissenschaftler hinter die Aktivisten, die die Zufahrt von der Praterstraße zum Praterstern blockierten. „Das ist sehr weit außerhalb der Komfortzone für Wissenschaftler“, sagte
Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur, zur „Presse“. Auch weil man sich bewusst sei, dass 70 Prozent der Bevölkerung diese Aktionen nicht gutheißen.
Doch wenn die Politik die eigentliche Arbeit der Wissenschaftler und deren Berichte ignoriere, sehe man sich gezwungen, sich mit den Aktivisten zu solidarisieren. „Es ist traurig, dass wir zu solchen Aktionen greifen müssen, damit wir gehört werden“, sagte der TU-Professor für Verkehrswissenschaft, Günter Emberger.
Eigentlich hatten die Wissenschaftler, darunter die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb, der Astronom und Science Buster Florian Freistetter und der ehemalige
Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Michael Staudinger, zu einer von den Scientists for Future organisierten Pressekonferenz am Praterstern geladen, um im Vorfeld der Regierungsklausur am Dienstag und Mittwoch auf das „klimapolitische Versagen in Österreich“aufmerksam zu machen. Dann habe man sich gemeinsam dazu entschlossen, sich mit den Aktivisten zu solidarisieren.
„Schon bis 2030 drohen Strafzahlungen von 4,7 Milliarden Euro“, weil Österreich seine selbst gesteckten Klimaziele nicht einhalte, sagte der erst am Montag zum Wissenschaftler des Jahres gekürte Biodiversitätsforscher Franz Essl. Man fordere lediglich,
dass Österreich diese Ziele einhalte. Er selbst stehe nicht gern im Stau, der Protest sei seiner Ansicht nach dennoch legitim. „Man muss sich fragen, was wirklich extrem ist: diese Protestform, oder die Politik, die sehenden Auges keine Klimaschutzpolitik macht?“
Verärgerte Autofahrer, die ihrem Unmut per Hupkonzert Luft machten, gab es zuhauf. Denn es handelte sich um die bisher größte Blockade der Letzten Generation. Neben der Praterstraße wurden alle anderen Zufahrten zum Praterstern zeitweise blockiert.
18 Personen wurden wegen Verwaltungsübertretungen angezeigt und festgenommen. Darunter auch Martha Krumpeck, Mitbegründerin der Organisation. Die Aktion führte in der gesamten Umgebung des Pratersterns zu massiven Auswirkungen auf den Frühverkehr, berichtete der ÖAMTC.