Versicherer: Der Klimawandel „fordert Tribut“
Der Rückversicherer Münchener Rück erwartet für das Vorjahr Schäden von 252 Milliarden Euro. Immer öfter weigern sich Rückversicherer, das Risiko für besonders bedrohte Regionen zu übernehmen.
Der Klimawandel treibt die Schäden aus Stürmen, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen in die Höhe. Für das abgelaufene Jahr errechnete die Münchener Rück weltweit Schäden von 270 (2021: 320) Milliarden Dollar (252 Mrd. Euro). Für rund 120 Mrd. Dollar davon mussten Versicherer und Rückversicherer einstehen, wie aus der Naturkatastrophenbilanz der Münchener Rück hervorgeht.
Die versicherten Schäden lagen 2022 über dem Durchschnitt der vorangegangenen fünf Jahre (97 Milliarden). „100 Milliarden Dollar im Jahr und mehr sind für Naturkatastrophen-Schäden offenbar das neue Normalniveau“, sagte Ernst Rauch, der Chef-Klimaforscher des weltgrößten Rückversicherers. Schon fünfmal sei diese
Marke in der jüngeren Vergangenheit erreicht worden.
„Die Wetterausschläge nehmen zu“, sagte Rauch. „Dazu kommt, dass einzelne Ereignisse extremer ausfallen“– ob Starkregen, Wirbelstürme, Waldbrände oder Hitzewellen. „Der Klimawandel fordert zunehmend Tribut“, sagte Vorstandsmitglied Thomas Blunck. Zwar lasse sich kein Unwetter direkt auf die globale Erwärmung zurückführen, doch seien im vergangenen Jahr Ereignisse in der Schadenbilanz ganz oben gestanden, die durch den Klimawandel nach dem Stand der Forschung stärker oder häufiger würden – oder beides zugleich.
Die teuerste Naturkatastrophe war 2022 der Hurrikan „Ian“, der mit Windgeschwindigkeiten von fast 250 Kilometern pro Stunde
Ende September vor allem im USBundesstaat Florida verheerende Schäden angerichtet hatte. Vom Gesamtschaden von 100 Mrd. Dollar mussten Versicherer rund 80 Mrd. Dollar ersetzen. Auf das Konto von „Ian“gingen damit ein Drittel der Gesamtschäden und rund die Hälfte der versicherten Schäden weltweit. Teurer war – inflationsbereinigt – bisher nur der Hurrikan „Katrina“im Jahr 2005.
Pakistan kaum versichert
Inzwischen sind zahlreiche Rückversicherer wegen der Häufung der Stürme nicht mehr bereit, solche Risiken im Südosten der USA abzusichern. Die Preise für Naturkatastrophenschutz steigen seit Jahren. „Für uns als Münchener Rück kommt das alles nicht überraschend. Wir sind auf weitaus größere Schäden vorbereitet“, sagt Rauch. Der Weltmarktführer sei weiter grundsätzlich bereit, das Geschäft auszubauen, „wenn die Prämien technisch auf einem risikoadäquaten Niveau sind – aber das geht natürlich nicht beliebig“.
Auch in Europa blendeten Hausbesitzer, Immobilienentwickler und Kommunen die zunehmende Gefahr zu oft aus. „Sie alle müssen die Naturgefahren, die aus dem Klimawandel erwachsen, deutlich stärker berücksichtigen“, mahnt Rauch. In Hochwassergebieten und an Küsten werde immer noch zu viel gebaut. Der ChefKlimatologe drängt auf eine raschere Anpassung an den Klimawandel. „Das geht am schnellsten.“Bei der Vermeidung von Emissionen sei das System viel zu träge. (Reuters)