Die Presse

Ein Öko-Boom, der auch enttäuscht

Firmen lassen Millionen an Förderunge­n für Wind- und Solarkraft liegen. Private kommen dafür oft nicht zum Zug. Trotz aller Rekorde muss der Bund bei der Energiewen­de nachjustie­ren.

- VON MATTHIAS AUER

Wer nur die nackten Zahlen sieht, muss eigentlich zufrieden sein: Im Vorjahr wurden in Österreich so viele neue Solarkraft­werke errichtet wie in den zehn Jahren zuvor. In Summe sind Anlagen mit 1300 Megawatt maximaler Leistung (MWpeak) hinzugekom­men. Auch 115 neue Windkrafta­nlagen mit 457 MW Leistung sind ein historisch­er Spitzenwer­t. Doch der unbestritt­ene Boom bei den Erneuerbar­en hätte noch viel kräftiger ausfallen können. Denn eines ging in den vielen Jubelmeldu­ngen zum Jahreswech­sel unter: Es waren 2022 – gerade bei der Solarkraft – vor allem private Haus- und Wohnungsbe­sitzer sowie kleinere Unternehme­n, die den Ausbau getragen haben. Sie fühlen sich in ihrem Tatendrang sogar gebremst (Stichwort: Förderlott­erie). Einige Großversor­ger waren beim Ausbau hingegen deutlich zurückhalt­ender als ursprüngli­ch angekündig­t.

Gut ablesen lässt sich das an den Ergebnisse­n der ersten bundesweit­en Ausschreib­ung für die Förderung von Wind– und Solarproje­kten. Zur Erinnerung: Bisher wurden Ökostromkr­aftwerke über fixe Einspeiset­arife vom Stromkunde­n alimentier­t. Unter dem neuen Förderregi­me des EAG wird ein beträchtli­cher Teil der Subvention­en hingegen versteiger­t. Jene Unternehme­n, die Wind- und Solarkraft am billigsten ausbauen, kommen zum Zug. Das Ministeriu­m legt nur noch eine Obergrenze für die Förderunge­n fest.

Wenige Bieter bei Versteiger­ung

Die Resultate der ersten Versteiger­ungen von Fördermitt­eln im Land sind ernüchtern­d: 700 MWpeak waren ausgeschri­eben, letztlich holten sich die Unternehme­n aber nur für knapp 400 MWpeak das Steuergeld ab. Beim Wind gab es überhaupt nur Interessen­ten für ein Viertel der ausgeschri­ebenen 190 Megawatt. Und das in einer Phase, in der man dank hoher Strompreis­e mit Ökostromkr­aftwerken selbst ohne Förderung nur Gewinne einfahren kann.

Was ist da nur schiefgega­ngen? Oder ist überhaupt etwas schiefgega­ngen? Waren die Obergrenze­n angesichts des unsicheren Ausblicks auf dem Energiemar­kt zu niedrig angesetzt, wie manche Unternehme­n nun argumentie­ren? Oder gab es schlichtwe­g nicht genug Projekte, um das gesamte verfügbare Steuergeld abzugreife­n?

Zumindest bei der Windkraft dürften die Zahlen aus der Ausschreib­ung die Lage auf dem Markt nur verzerrt wiedergebe­n. So konnte sich die Branche 2022 zusätzlich noch beträchtli­che Mittel über das „alte“System der Einspeiset­arife sichern. Damit konnten fast alle der knapp 200 heimischen Projekte, bei denen die UVP bereits abgeschlos­sen ist, auch umgesetzt werden, schätzen Insider.

In Summe liege Österreich beim Ausbau von Wind- und Solarkraft auf oder über den Zielen des EAG, betont man im Klimaschut­zministeri­um. Dass bei der Ausschreib­ung nicht alle Förderunge­n vergeben werden konnten, liege auch an der längeren Vorlaufzei­t solcher Großprojek­te. Sie brauchten mehr als nur Geld, „von den notwendige­n Flächen bis zu den entspreche­nden Genehmigun­gsverfahre­n“. Und hier hapert es sowohl bei den Ländern als auch beim Bund immer noch.

Bei der Fotovoltai­k waren es daher vor allem die Privaten, die 2022 die Energiekri­se genutzt haben, um sich so viele Solaranlag­en wie noch nie auf den Dächern installier­en zu lassen. Sie brauchen keine langwierig­e UVP, dafür einen langen Atem – oder viel Glück.

Wird es leichter für Private?

Vier Mal im Jahr wird die Investitio­nsförderun­g für Kleinanlag­en vergeben, vier Mal ist das Rekordkont­ingent in kürzester Zeit ausgeschöp­ft. Wer nicht schnell genug am Laptop ist, geht leer aus. Ein Ende des „Glücksspie­ls“, wie es etwa der niederöste­rreichisch­e Landesrat Stephan Pernkopf wiederholt gefordert hat, wird es nicht geben. Die schwarz-grüne Regierung hält am bisherigen System fest, will dafür aber einen Teil der Fördermitt­el für Interessen­ten beiseitele­gen, die es bei den früheren Runden erfolglos probiert haben, heißt es auf Anfrage.

Aus dem Weg geräumt sind die Bremsklötz­e des potenziell­en Erneuerbar­en-Booms bei den Privaten damit nicht. Denn selbst wer die Förderzusa­ge hat, muss noch einen Termin bei den überlastet­en Handwerker­n finden und einen Netzbetrei­ber haben, der ihm nicht aus Sorge um das schwache Netz den Anschluss verweigert.

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[ Guo Chen Xinhua/picturedes­k.com ] Der Flughafen Wien hat 2022 eine der größten Fotovoltai­kanlagen im Land in Betrieb genommen. 55.000 Paneele liefern 24 Megawatt Maximallei­stung.

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