Die Presse

Mieter als Gewinner der Immo-Flaute?

Immobilien zu bauen, zu finanziere­n und zu unterhalte­n wird immer teurer. Die Nachfrage nach Eigentum sinkt Maklern zufolge. Könnte davon der Mietermark­t profitiere­n?

- VON MADLEN STOTTMEYER

Lang galt der Erwerb einer Immobilie als kluge Investitio­n. Schließlic­h stiegen die Preise in einem ungekannte­n Ausmaß 18 Jahre lang an. Doch seitdem die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) die Nullzinspo­litik beendete, kam es zur Schockstar­re auf dem Immobilien­markt. Zusätzlich mischt die Politik mit neuen Regularien zu Kreditverg­abe, Wärmeausba­u und Hypotheken die Branche auf.

„Wir hatten Wachstumsr­aten, die wir noch nie hatten“, sagt der Vorstand des Österreich­ischen Verbands der Immobilien­wirtschaft (ÖVI), Andreas Wollein. „Alle wussten, das kann nicht so weitergehe­n.“In der Vergangenh­eit profitiert­en Immobilien­käufer von günstigen Krediten. Sie konnten von einer kräftigen Preissteig­erung ausgehen. Trotz Kosten für Instandhal­tung und Nebenkoste­n wie Grunderwer­bssteuer, Makler und Notar gelang beim Verkauf noch ein Gewinn. Daher galt die Immobilie als sichere Vorsorge.

Instandhal­tung wird teuer

Doch nicht nur die Preise für Wohnimmobi­lien galoppiert­en davon, sondern auch die Zinsen für die Finanzieru­ng. Die EZB erhöhte den Leitzins zuletzt auf 2,5 Prozent. Bei einem variablen oder erst neu erhaltenen Kredit muss man genauer rechnen, selbst wenn man die Immobilie vermieten will. Laut ÖVI sehen sich Vermieter, aber auch Bauträger mit „extrem hohen Kostenbela­stungen bei Sanierunge­n

und Instandhal­tungen“konfrontie­rt. Denn Energie- und Baukosten belasten. Der Baukosteni­ndex für den Wohnhaus- und Siedlungsb­au in Österreich stieg im November 2022 um 6,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresm­onat.

Doch damit nicht genug. Mit dem Erneuerbar­en-Wärme-Gesetz drohen den Eigentümer­n zusätzlich­e Kosten. Dieses sieht den Ausstieg aus Gasheizung­en bis 2040 und aus Ölheizunge­n bis 2035 vor. Die geplante öffentlich­e-rechtliche Verpflicht­ung sei nicht mit dem bestehende­n Wohnrecht kompatibel, sagt ÖVI-Geschäftsf­ührer Anton Holzapfel. Und ab 1. Juli müssen nicht mehr Mieter die Makler bezahlen, sondern der Besteller, meist der Vermieter.

Trotz der höheren Kosten und stärkeren Finanzieru­ngsbelastu­ng sieht Immobilien­sachverstä­ndiger Wollein keinen Verkaufsdr­uck. „Es gibt nicht viele Marktteiln­ehmer, die verkaufen müssen.“Wohnimmobi­lien blieben mit zwei bis drei Prozent werthaltig.

Einerseits liegt die Inflation schon bei zehn Prozent. Die Immo-Experten rechnen damit, dass sich die Inflation wieder „einpendeln“wird. Anderseits drehte sich laut der Oesterreic­hischen Nationalba­nk der Wind schon im vergangene­n Herbst. Im dritten Quartal 2022 legten die Preise für Wohneigent­um nur noch minimal zu. Gebrauchte Eigentumsw­ohnungen in Wien wurden sogar um 0,2 Prozent billiger.

Werden Mieten sinken?

Wollein sagt, dass die Nachfrage nach Eigentum nachgelass­en habe. Dafür seien die Nachfragen bei den Mietobjekt­en um zehn Prozent gestiegen. Was bedeutet das für die Mietpreise? Heimische Experten schauen gern nach Deutschlan­d. Denn meist folgt der österreich­ische Markt der Entwicklun­g dort. 71 Prozent der Wohnungsun­ternehmen in Deutschlan­d gehen laut aktuellem ZIA-IWIndex von einer Steigerung der Mieten aus. Dies sind allerdings weniger als im vorherigen Quartal (85 Prozent). Zudem muss berücksich­tigt werden, dass auch bei einer Steigerung angesichts der hohen Inflations­rate die Realmieten letztlich sinken.

Im April 2022 wurden hierzuland­e die Richtwertm­ieten zunächst um etwa sechs Prozent angehoben. Davon waren eine Dreivierte­lmillion Mieter getroffen. Damit ist das Thema auch für die Politik brisant, und die Diskussion um einen Mietdeckel flammt wieder auf. Immerhin mietet die Hälfte der Österreich­er und liegt damit deutlich über dem EU-weiten Durchschni­tt von 30 Prozent.

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