Rasante Botschafterin
Aliyyah Koloc, 18, tauschte Tennisschläger gegen PS und fährt heuer beim Offroad-Klassiker gegen Vorurteile an.
Haradh/Wien. Der ursprüngliche Karriereplan hätte für Aliyyah Koloc einen anderen Weg vorgesehen. Sand kam darin lediglich auf dem Tenniscourt vor, statt vieler PS und dem Gaspedal hätte sie mit einem Schläger in der Hand die Sportwelt erobern wollen. Gemeinsam mit Zwillingsschwester Yasmeen träumte sie davon, eines Tages in die Fußspuren der WilliamsSchwestern zu treten. Die Kolocs schafften es bis auf die höchste europäische Nachwuchsebene, ehe sie nacheinander im Alter von 14 bzw. 15 Jahren verletzungsbedingt Tennis aufgeben mussten. Ihren Sportsgeist bremste das nicht.
„Wenn dir das Leben Zitronen gibt, mach Limonade daraus“, erklärt Vater Martin Koloc den pragmatischen Umgang der Familie mit den Hürden des Lebens. „In unserem Haus wird eine Menge Limonade getrunken.“Der gebürtige
Tscheche war früher erfolgreicher Truck-Rennfahrer und ist mit seinem eigenen Team, Buggyra ZM Racing, inzwischen in Dubai heimisch geworden. Dort kamen auch die beiden Schwestern – ihre Mutter stammt von den Seychellen– zur Welt und wuchsen mit einer gewissen Nähe zum Motorsport auf, die nach dem Abschied vom Tennis schlagend wurde.
Während Yasmeen Koloc alsbald ins Kart umstieg, versuchte sich Aliyyah gleich in größerer Dimension: 14-jährig begleitete sie ihren Vater zu einem Wintertraining und nahm unerschrocken hinter dem Lenkrad eines solchen gut fünf Tonnen schweren Trucks Platz – und war auf Anhieb schnell. Beider Leidenschaft für Geschwindigkeit entfaltete sich im Gelände, alsbald war ein gemeinsamer Start bei der Rallye Dakar als neuer Karriereplan gefasst.
Der Offroad-Klassiker, der aus Sicherheitsgründen aus Afrika nach Südamerika und schließlich 2020 nach Saudiarabien übersiedelt ist, ist für die Schwestern nicht nur die Krönung des Wettkampfs, sondern gleichzeitig auch die größtmögliche Bühne, um ihre Botschaften zu transportieren: Gleichheit, Respekt, Diversität lauten die Schlagworte, die sie gern auf Kappen zur Schau stellen.
Die eigene Erfahrung
Denn obgleich der Klassiker mit Jutta Kleinschmidt (2001) bereits eine Siegerin und heuer 52 Frauen am Start (darunter das erste rein weibliche Team) gesehen hat, sind Sexismus und Vorurteile in der Motorsportwelt nach wie vor präsent, wie die Koloc-Schwestern selbst im Vorjahr erleben mussten.
Damals bei der Rallye Dakar zu Gast, beleidigte sie ein Truckfahrer wegen ihrer Hautfarbe und bedachte sie mit sexuellen Anspielungen. „Das hat uns erinnert, dass wir immer noch in einer Welt leben, in der junge Frauen nur als sexuelle Objekte und nicht als vollwertige Menschen gesehen werden“, schrieben die damals 17-Jährigen auf Social Media. „Wir wollen Rennen fahren, fair konkurrieren, uns verbessern und lernen.“
Fünf bis sechs Stunden täglich trainierten die Schwestern in der Wüste der Vereinigten Emirate, um sich auf die Rallye Dakar einzustimmen. Dass Yasmeen Koloc wegen einer Handgelenksverletzung letztlich auf den Start verzichten musste, brachte Aliyyah – jüngst Klassensiegerin der Nahost-Meisterschaften – nicht davon ab.
Über 6000 der mehr als 8000 km hat die 18-Jährige mit dem erfahrenen Stéphane Duplé an der Seite im speziellen Rallyewagen – optisch ähnlich einem Amphibienfahrzeug – bereits bewältigt und rangiert nach neun der 15 Etappen auf Platz 33 der T3-Klasse. Egal, ob ungewohnt steiniges Terrain, geplatzte Reifen oder technische Gebrechen, die Jungpilotin nimmt Widrigkeiten als Herausforderung. „Jede schwierige Situation, die ich meistere, hilft mir für die nächste.“Denn das Ziel in Dammam am Sonntag ist für Aliyyah Koloc nur das erste ihrer Mission. „Ich möchte die nächste Generation von Frauen inspirieren.“