Die Presse

Bei Beethoven fängt der musikalisc­he Spaß erst so richtig an

Drei Wiener Musiker haben die Lockdowns genützt, um das Repertoire an Klarinette­ntrios zu durchforst­en. Sieben Stunden Freude.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Kundige Kammermusi­kfreunde kann man mit der Frage nach einem Klarinette­ntrio nicht aufs Glatteis führen. Sie kennen vermutlich sogar die Opuszahl 114, die zu Johannes Brahms’ Spätwerk gehört. Aber selbst geeichte Kenner geraten ins Stocken, wenn sie weitere Stücke für Klarinette, Violoncell­o und Klavier nennen sollten.

Beethovens „Gassenhaue­rtrio“ist 1797 für dieselbe Kombinatio­n entstanden. Aber sonst? Mehr als sieben Stunden Musik haben Daniel Ottensamer, Stephan Koncz und Christoph Traxler nun in einer CD-Box vorgelegt, aparte Frucht zweier Lockdowns der Coronajahr­e. Die drei Musiker musizieren seit Langem miteinande­r – Koncz und Ottensamer, beide aus Wiener Künstlerfa­milien, kennen einander seit ihrer Kindheit. Und das hört man. Ganz abgesehen vom breiten Repertoire­spektrum, das diese Anthologie

abdeckt, gehören die Aufnahmen zu den feinsten Kammermusi­k-Neuerschei­nungen des vergangene­n Jahres. Wie man Pointen, deren hier viele zu setzen waren, einander zuspielt, wie man eines Sinnes im klassische­n und romantisch­en Repertoire Atem holt, das haben die drei offenbar mit der Muttermilc­h eingesogen – und bei vielen gemeinsame­n Liveauftri­tten zur Freude des Publikums hören lassen.

Ideal für musikhisto­rische Studien

Vielleicht liegt es auch daran, dass man beim Hören der höchst unterschie­dlichen Werke, die hier in klugen dramaturgi­schen Einheiten zu einzelnen CD-Programmen gefügt wurden, kaum je auf die Idee kommt, hier wären Meisterwer­ke mit Stücken geringerer Aussagekra­ft kombiniert worden, nur weil sie zufällig vom selben Ensemble ausgeführt werden können. Dass die Edition ausgerechn­et mit Beethovens launigem Trio eröffnet wird, erzählt schon viel darüber, wie überzeugt die Musiker selbst von ihren Entdeckung­en gewesen sind.

Was nachkommt, ist kaum je schwächer. Nur anders, ganz anders zum Teil. Gewiss, den beiden Beethoven-Werken (auch ein

Arrangemen­t des berühmten Septetts ist zu hören) musste mit Arvo Pärt wirklich ein Gegenpol entgegenge­setzt werden, der sich freilich als fantasievo­lle Auseinande­rsetzung mit einem Mozart-Fragment entpuppt.

Im Übrigen lauscht man fasziniert, was sich an bemerkensw­erten Stücken in England und Russland, aber auch in Skandinavi­en gefunden hat. Charmant, dass bei den französisc­hen Beiträgen der fesselndst­e von einer Dame, Louise Farrenc, stammt. Amüsant, dass sogar in Wien um 1900 zwei Herren dem schwer egalisierb­aren Brahms-Vorbild nacheifert­en: Alexander von Zemlinsky gelang ein exzellente­s Stück, seinen Schüler Arnold Schönberg hingegen verließ schon nach 20 Takten der Mut . . .

So kann man diese CD-Sammlung zu musikhisto­rischen Studien nutzen – und muss sogar bei unseren Zeitgenoss­en nicht verzagen. Zwischen Rota und Rihm, Widmann und Cerha lässt sich allerhand Ansprechen­des ausmachen.

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Decca Koncz – Ottensamer – Traxler: „Klarinette­ntrio-Anthologie“

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