Warum Putin verlieren wird
Was für viele Politiker lang als unmöglich galt, wird plötzlich greifbar: die Abhängigkeit vom russischen Gas zu senken.
Wer hätte das gedacht: Der Winter, der laut Russland sowohl für die Ukraine als auch für die EU zum Verhängnis werden sollte, hat seine Mitte erreicht – und weder die EU noch die Ukraine wurden bisher in die Knie gezwungen.
Darüber hinaus, wurde die Abhängigkeit Deutschlands vom russischen Gas fast auf null gebracht. Österreich scheint auf dem gleichen Weg zu sein. Was viele Politiker jahrelang als unmöglich sahen, wird plötzlich greifbar.
Als Ukrainer danke ich von Herzen jeder österreichischen Familie, jedem Unternehmen, die unseren Schmerz geteilt haben, sich von Putin nicht einschüchtern ließen und die finanziellen Schwierigkeiten mittragen. Die von Europa und der Welt erwiesene Solidarität mit der Ukraine wird zweifelsfrei zu einem stolzen Kapitel in der Geschichte der Menschheit.
Vertrauenskredit verspielt
Mit dieser Solidarität hat Putin nicht gerechnet. Der frühere KGB-Offizier ist gut im Einschätzen und Ausnutzen menschlicher Eitelkeit, Gier und Angst – aber unbeholfen, wenn er mit Barmherzigkeit oder Solidarität konfrontiert wird. Die wichtigste Lehre aus seinem verbrecherischen Krieg: einem Bully begegnet man mit Mut, nicht mit Furcht. Putins Energiekrieg gegen die EU und die Ukraine hat ihm nichts als Verluste gebracht – wirtschaftlich, aber auch bei der Reputation. Putin hat für Russland den Markt verloren, der seit Jahrzehnten eine Cashcow war. Was noch wichtiger ist: Er hat den Vertrauenskredit von Europäern verspielt, die bereit waren, bei seiner antidemokratischen Rhetorik und Politik eine Auge zuzudrücken, nach dem Motto „Die Russen haben ihre eigene Wahrheit“.
Es stellte sich heraus: Putins „eigene Wahrheit“ist im Endeffekt Krieg – zuerst mit Propaganda und dann mit Panzern. Der Ukraine-Krieg erinnert in vielerlei Hinsicht an die Bilder, die Europa aus Mitte des 20. Jahrhunderts kennt. Diese Ähnlichkeit ließ Millionen Seelen zusammenzucken – vor allem in Europa. Zu offensichtlich waren die Parallelen zum Jahr 1939.
Doch diesmal hat die Welt anders reagiert. Deshalb verliert Putin – und nicht nur im Energiebereich. Die barbarische „militärische Sonderoperation“, dieser zutiefst imperialistische Versuch, den Willen einer ehemaligen Kolonie vor den Augen der Welt demonstrativ zu brechen, ist am Widerstand der Ukraine und der anständigen Menschen der Welt weitgehend gescheitert.
Millionen in den Kältetod
Ja, die Ukraine wird weiterhin bombardiert. Ja, ohne Erfolge im Kriegsfeld versucht der russische Diktator, Millionen Zivilisten in den Kältetod zu treiben. Ja, die erneute riesige Mobilisierung ist in Vorbereitung. Ja, er heuert an, bewaffnet und schickt in den Krieg die übelsten Kriminellen aus russischen Gefängnissen. Und trotzdem ist dieser Krieg für Putin nicht zu gewinnen. Denn es ist eine Sache, für das Überleben deines Volks, deiner Kultur, deines Staats zu kämpfen, und eine andere, für die Auszahlung der Hypothek oder die Kürzung der Gefängnisstrafe.
Für ukrainische Soldaten ist das der vaterländische Krieg, und für die Russen: die Chance dazuzuverdienen. Nur für die Ukrainer ist es eine Frage des Überlebens. Nur die Ukrainer haben das Mitgefühl der Welt.
Die Stimmung in der Ukraine ist: Die Welt hat uns nicht im Stich gelassen – und wird es auch nicht tun. Wir sind dankbar dafür. Das verleiht Kraft. Und sogar die indoktrinierten Russen müssen sich immer mehr fragen: Haben wir überhaupt eine Chance, wenn wir militärisch allein gegen die Welt sind?
Dr. Olexander Scherba war von 2014 bis 2021 ukrainischer Botschafter in Wien und ist heute Sonderbotschafter im Außenministerium in Kiew.