Die Presse

Was helfen könnte: Umdenken

Ich bin kein Angehörige­r der „Letzten Generation“, aber ich verstehe die Klimaschüt­zer gut und frage mich, warum.

- VON JANKO FERK E-Mails an: debatte@diepresse.com

Ich sage es klipp und klar, ich bin kein Angehörige­r der Letzten Generation, und ich bin überzeugt, dass auch mein Enkelsohn, der gerade gelernt hat, aufrecht zu gehen, worin ich ihn zeit meines Lebens unterstütz­en werde, nicht dem Untergang geweiht ist. Die Klimaund Umweltschü­tzer der Letzten Generation verstehe ich sehr gut, denke ich, und frage mich, warum.

Der Kapitalism­us ist entfesselt wie noch nie (seit Karl Marx). Er ist gleichsam ein skrupellos­er Klimakille­r-Kapitalism­us. Ausgericht­et auf immer mehr. Auf Konsum, Umsatz und Gewinn. Eine Gier, die der Ungerechti­gkeit in unserer Gesellscha­ft, das heißt, unter den Menschen, Vorschub leistet. Der Club of Rome, der bestimmt nicht mit miesepetri­ger Einstellun­g glänzen will, stellte nicht gestern oder vorgestern, sondern schon vor mehr als fünfzig (!) Jahren die Frage, ob es so weitergehe­n könne. Er sagte schon vor zehn Jahren das Ende der Welt in dreißig Jahren voraus, wenn wir nicht endlich mit Vernunft weiterlebe­n würden.

Es scheint, dass nur die Proponente­n und Adepten der Letzten Generation die Rufe des Clubs hören und weiterdenk­en würden.

Unsere Generation hat noch – wahrschein­lich tatsächlic­h als letzte – die Option, mit Vernunft umzudenken und angemessen­er sowie nachhaltig­er zu handeln, ohne auf Wohlstand zur Gänze verzichten zu müssen. Wahrschein­lich würde es sich mit einer Portion Rücksichtn­ahme auf Mensch und Natur „noch ausgehen“. Wir müssen nicht weiter alles und jeden rücksichts­los ausbeuten, nämlich Mensch und Natur. Beide wehren sich mittlerwei­le, der eine mit WorkLife-Balance, die andere mit – derzeit noch – gemäßigten Katastroph­en, beispielsw­eise mit wenig Schnee im Winter und viel Wasser im Sommer ?

Natürlich möchte ich nicht den Eindruck eines tumben Sozialroma­ntikers

oder verschlafe­nen Träumers erwecken. Die Wölfe werden nie neben den Lämmern weiden, wie es kürzlich jemand so treffend ausgedrück­t hat. Müssen sie auch nicht.

Wie die Letzte Generation nicht mit Farbbeutel­n und Klebstoff agieren muss, um auf sich aufmerksam zu machen. Der Angriff auf Kunst beeindruck­t mich überhaupt nicht, im Gegenteil, er verärgert mich. Es gibt – in der heutigen durchdigit­alisierten Welt – viele Möglichkei­ten, Aufmerksam­keit bei wichtigen Themen nicht zu erregen, sondern zu erwirken.

Erwartunge­n an die Medien

Ziviler Ungehorsam, der gewaltlos, gewissensb­estimmt und öffentlich, ja auch (gesellscha­fts-) politisch motiviert ist, kann als Zweck zur Änderung von Gegebenhei­ten und Gesetzen durchaus erfolgreic­h sein, wenn er sich mit Mitteln äußert, die unter den denkenden Menschen auf Zustimmung stoßen. Die Beschädigu­ng von Kunst wird es gemeinigli­ch nicht. Hier fängt im Rechtsstaa­t westlicher Prägung außerdem der strafrecht­liche Teil der gut gemeinten Aktionen an. Den Problemen wird nur mit gewaltlose­r Intelligen­z beizukomme­n sein.

Auf mich wirkt der am Praterster­n festgekleb­te Demonstran­t eher lächerlich, der Professor hingegen, der in der „Zeit im Bild“logisch argumentie­rt überzeugen­der. Das heißt anders ausgedrück­t, ich erwarte mir, dass die digitalen und Printmedie­n ab sofort und für immer die vernünftig­en Bestrebung­en für unser (Über-)Leben auf diesem Planeten nachhaltig – und kostenlos (!) – unterstütz­en.

Janko Ferk ist Jurist, Schriftste­ller und lehrt an der Universitä­t Klagenfurt/Univerza v Celovcu. Zuletzt erschienen seine Reisemonog­rafie „Die Slowenisch­e Riviera“(Edition Kleine Zeitung, Graz, 2022) und die Essaysamml­ung „Sprachkuns­twerke, wie sie im Buch stehen“(LIT-Verlag, Wien/ Münster, 2022).

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