Seit wann tragen wir die Uhrzeit am Handgelenk?
Die Armbanduhr ist nicht nur ein nützliches Instrument, sondern auch modisches Accessoire – und für manche unverzichtbares Statussymbol.
Als Massenprodukt sind Armbanduhren seit rund 100 Jahren in Verwendung“, weiß Klemens Rumpf. Der Experimentalphysiker an der Universität Graz beschäftigt sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit unter anderem mit den physikalischen Grundlagen der Zeitmessung. „Es bedurfte zahlreicher technischer Entwicklungen, die die Schritte von der Sonnenuhr über die Kirchturmuhr bis zur Uhr, die jeder bei sich am Körper trägt, ermöglichten.“Die größten Herausforderungen dabei waren stets, die Geräte immer kleiner zu bauen sowie die Ganggenauigkeit zu verbessern.
Die Erfindung des Federantriebs, der Pendel und Gewichte als Taktgeber ersetzte, ermöglichte im 16. Jahrhundert die ersten tragbaren Uhren in
Dosenform, die in Beuteln mitgeführt wurden. Da sie von jeder Bewegung des Trägers beeinflusst wurden, waren sie jedoch so unpräzise, dass frühe Anfertigungen mit nur einem Zeiger, dem Stundenzeiger, das Auslangen fanden. Pendeluhren gingen bereits wesentlich genauer, waren aber an unbewegte Aufstellungsorte gebunden.
Die Entwicklung verbesserter Hemmungssysteme führte in weiterer Folge zu größerer Genauigkeit. Die Uhren wurden flacher und schließlich als Taschenuhren mitgeführt, wobei sie zumeist mittels einer Kette mit der Kleidung verbunden waren – nicht zuletzt, um sie gegen Verlust und gegen Diebstahl zu sichern. „All diese Uhren waren Einzelanfertigungen“, sagt Rumpf. Nur Wohlhabende konnten sich solch teure Stücke leisten. „Auch die Ketten wurden immer kunstvoller gestaltet.“Die Industrialisierung ab dem 19. Jahrhundert war es schließlich, die tragbare Uhren der breiten Bevölkerung zugänglich machte. Die Entwicklung neuer Werkzeuge und Fertigungstechniken ermöglichte es, die Miniaturisierung der Uhren voranzutreiben, da es zunehmend gelang, die Einzelteile in kleinem Maßstab mit der erforderlichen Präzision herzustellen.
Von der Quarzuhr zum Handy
„Wichtig war darüber hinaus die Entwicklung von Materialien, die sicherstellten, dass die Uhren auch bei Temperaturunterschieden nicht außer Takt gerieten“, ergänzt Rumpf. Schließlich wurden die Zeitmessgeräte klein genug, dass man sie am Handgelenk tragen konnte. Damit hatte man die Zeit stets im Blick – und das wurde relevanter denn je, da sich der Tagesablauf der Menschen immer mehr nach genauen Zeiten ausrichtete. Beispiel Eisenbahn: „Die Fahrpläne machten es notwendig, dass überall dieselbe Zeit galt, und dass diese Zeit auch für die
Passagiere verfügbar war.“Die Massenfertigung führte letztlich dazu, dass in den 1930ern erstmals mehr Armbandals Taschenuhren produziert wurden. „Zunächst waren das immer noch mechanische Uhren“, erklärt Rumpf. „Der größte Fortschritt war dann in den 1970er-Jahren die Quarzuhr, die elektromechanische Resonanzschwingungen als Taktgeber nutzt, sowie danach die Funkuhr. Die Genauigkeit lag mittlerweile im Bereich von Sekundenbruchteilen.“
Armbanduhren waren über Jahrzehnte hinweg beliebte Geschenke zu besonderen Anlässen wie etwa der Firmung, bestimmte Marken gelten bis heute als Statussymbole. Mittlerweile löst das Handy bei vielen die Armbanduhr ab. „Manche tragen ja mittlerweile ihr ganzes Leben am Handy bei sich“, so Rumpf.
„Die Zugfahrpläne machten es notwendig, dass überall dieselbe Zeit galt.“
Klemens Rumpf, Physiker