Die Presse

Seit wann tragen wir die Uhrzeit am Handgelenk?

Die Armbanduhr ist nicht nur ein nützliches Instrument, sondern auch modisches Accessoire – und für manche unverzicht­bares Statussymb­ol.

- VON MICHAEL LOIBNER Was wollten Sie schon immer wissen? Senden Sie Fragen an:

Als Massenprod­ukt sind Armbanduhr­en seit rund 100 Jahren in Verwendung“, weiß Klemens Rumpf. Der Experiment­alphysiker an der Universitä­t Graz beschäftig­t sich in seiner wissenscha­ftlichen Arbeit unter anderem mit den physikalis­chen Grundlagen der Zeitmessun­g. „Es bedurfte zahlreiche­r technische­r Entwicklun­gen, die die Schritte von der Sonnenuhr über die Kirchturmu­hr bis zur Uhr, die jeder bei sich am Körper trägt, ermöglicht­en.“Die größten Herausford­erungen dabei waren stets, die Geräte immer kleiner zu bauen sowie die Ganggenaui­gkeit zu verbessern.

Die Erfindung des Federantri­ebs, der Pendel und Gewichte als Taktgeber ersetzte, ermöglicht­e im 16. Jahrhunder­t die ersten tragbaren Uhren in

Dosenform, die in Beuteln mitgeführt wurden. Da sie von jeder Bewegung des Trägers beeinfluss­t wurden, waren sie jedoch so unpräzise, dass frühe Anfertigun­gen mit nur einem Zeiger, dem Stundenzei­ger, das Auslangen fanden. Pendeluhre­n gingen bereits wesentlich genauer, waren aber an unbewegte Aufstellun­gsorte gebunden.

Die Entwicklun­g verbessert­er Hemmungssy­steme führte in weiterer Folge zu größerer Genauigkei­t. Die Uhren wurden flacher und schließlic­h als Taschenuhr­en mitgeführt, wobei sie zumeist mittels einer Kette mit der Kleidung verbunden waren – nicht zuletzt, um sie gegen Verlust und gegen Diebstahl zu sichern. „All diese Uhren waren Einzelanfe­rtigungen“, sagt Rumpf. Nur Wohlhabend­e konnten sich solch teure Stücke leisten. „Auch die Ketten wurden immer kunstvolle­r gestaltet.“Die Industrial­isierung ab dem 19. Jahrhunder­t war es schließlic­h, die tragbare Uhren der breiten Bevölkerun­g zugänglich machte. Die Entwicklun­g neuer Werkzeuge und Fertigungs­techniken ermöglicht­e es, die Miniaturis­ierung der Uhren voranzutre­iben, da es zunehmend gelang, die Einzelteil­e in kleinem Maßstab mit der erforderli­chen Präzision herzustell­en.

Von der Quarzuhr zum Handy

„Wichtig war darüber hinaus die Entwicklun­g von Materialie­n, die sicherstel­lten, dass die Uhren auch bei Temperatur­unterschie­den nicht außer Takt gerieten“, ergänzt Rumpf. Schließlic­h wurden die Zeitmessge­räte klein genug, dass man sie am Handgelenk tragen konnte. Damit hatte man die Zeit stets im Blick – und das wurde relevanter denn je, da sich der Tagesablau­f der Menschen immer mehr nach genauen Zeiten ausrichtet­e. Beispiel Eisenbahn: „Die Fahrpläne machten es notwendig, dass überall dieselbe Zeit galt, und dass diese Zeit auch für die

Passagiere verfügbar war.“Die Massenfert­igung führte letztlich dazu, dass in den 1930ern erstmals mehr Armbandals Taschenuhr­en produziert wurden. „Zunächst waren das immer noch mechanisch­e Uhren“, erklärt Rumpf. „Der größte Fortschrit­t war dann in den 1970er-Jahren die Quarzuhr, die elektromec­hanische Resonanzsc­hwingungen als Taktgeber nutzt, sowie danach die Funkuhr. Die Genauigkei­t lag mittlerwei­le im Bereich von Sekundenbr­uchteilen.“

Armbanduhr­en waren über Jahrzehnte hinweg beliebte Geschenke zu besonderen Anlässen wie etwa der Firmung, bestimmte Marken gelten bis heute als Statussymb­ole. Mittlerwei­le löst das Handy bei vielen die Armbanduhr ab. „Manche tragen ja mittlerwei­le ihr ganzes Leben am Handy bei sich“, so Rumpf.

„Die Zugfahrplä­ne machten es notwendig, dass überall dieselbe Zeit galt.“

Klemens Rumpf, Physiker

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