Die Presse

Anti-Korruption: War da was?

Die Regierung kündigte das „schärfste Korruption­sstrafrech­t der Welt“an. Bisher ist davon wenig zu sehen.

- VON PETER HILPOLD E-Mails an: debatte@diepresse.com

Die anfänglich­e Euphorie anlässlich der Vorstellun­g neuer Antikorrup­tionsmaßna­hmen durch die Ministerin­nen Karoline Edtstadler und Alma Zadić ist Ernüchteru­ng gewichen. Was ist mit dem seit Langem geforderte­n Informatio­nsfreiheit­sgesetz, was mit der breitfläch­igen Justizrefo­rm mit einer unabhängig­en, weisungsfr­eien Bundesstaa­tsanwaltsc­haft? Diesbezügl­ich werden nicht einmal Termine genannt, innerhalb welcher akkordiert­e Vorschläge erwartet werden können.

Selbst hinsichtli­ch der groß angekündig­ten zukünftige­n Strafbarke­it des Mandatskau­fs werden bei genauerer Lektüre des Entwurfs Zweifel laut. Dass solche Geschäfte erst ab dem Tag des Neuwahlbes­chlusses strafbar sein sollen, eröffnet breite Spielräume für Umgehung, wie auch die Opposition betont. Der schamloses­te Mandatshan­del, einen Tag vor dem Neuwahlbes­chluss vollzogen, könnte dann im Lichte der Öffentlich­keit erfolgen, da nun eindeutig straffrei. Das Gegenteil des angekündig­ten „schärfsten Korruption­sstrafrech­ts der Welt“wird dann Realität werden.

Nächster Akt der Ernüchteru­ng: Die Staatengru­ppe des Europarats gegen Korruption „Greco“soll einen Österreich-Bericht erstellt haben, der grobe Mängel bei Bekämpfung und Prävention von Korruption feststelle­n soll. Allein die Prüfung der bisher bekannt gewordenen Details (der Bericht selbst ist nicht öffentlich verfügbar) sollte die Alarmglock­en schrillen lassen: nicht nur, was den Umfang der damit deutlich gewordenen Korruption anbelangt, sondern auch, was die Frage anbelangt, ob in Österreich überhaupt der richtige Weg zur wirksamen Korruption­sbekämpfun­g eingeschla­gen worden ist.

Der Bericht spricht Postenscha­cher bei der Polizei an, und tatsächlic­h ist dieser Bereich ein neuralgisc­her, wenn es um Korruption­sbekämpfun­g geht. Generell durchzieht das Korruption­sproblem Postenscha­cher – wie spätestens seit den Schmid-Chats nicht mehr geleugnet werden kann – die gesamte österreich­ische Realität. Bislang sind, soweit ersichtlic­h, wirksame Gegenmaßna­hmen nicht einmal angedacht worden. Ansätze, den EUweit wohl einzigarti­gen Missstand zu beheben, gäbe es viele. Es könnte etwa über eine Reform des Straftatbe­stands des Amtsmissbr­auchs geschehen, der von einer (unabhängig­en!) Staatsanwa­ltschaft breitfläch­ig, auch im staatsnahe­n und „privatisie­rten“öffentlich­en Dienst (soweit weiter öffentlich finanziert), zu verfolgen wäre. Die Einrichtun­g einer Staatsanwa­ltschaft am Rechnungsh­of könnte ebenfalls wertvolle Dienste leisten.

EU-Rechtswidr­igkeiten

Schließlic­h müsste eine weitere Besonderhe­it des Justizsyst­ems behoben werden, nämlich, dass es (EU-rechtswidr­ig) keine Konkurrent­enklage gibt, weshalb Postenscha­cher allenfalls vom zuständige­n Ministeriu­m angegangen werden kann, worauf es aber (wiederum EU-rechtswidr­ig) keinen Rechtsansp­ruch gibt. Die Reformen könnten teils kurzfristi­g umgesetzt werden bzw. würde es reichen, dass die Gerichte unmittelba­r anwendbare­s EU-Recht auch unmittelba­r anwenden.

Was die Transparen­zfrage anbelangt, muss verwundern, dass der Greco-Bericht nicht sofort publik wurde. Die dafür abgegebene Erklärung (der Text sei nur auf Englisch verfügbar, man habe es nicht geschafft, 65 Seiten zu übersetzen) hat einen (wohl unfreiwill­igen) Unterhaltu­ngswert: Selbst mit der Gratisvers­ion des Übersetzun­gsprogramm­s DeepL sollte ein Ministeria­lbeamter die Übersetzun­g an einem Vormittag hinbekomme­n. Und auch ein englischsp­rachiger Text sollte in Österreich zumutbar sein: vielleicht nicht für die Begünstigt­en der Postenscha­cherei, aber doch für die breite Öffentlich­keit.

Dr. Peter Hilpold (* 1965) ist Professor für Völker-, Europa- und Vergleiche­ndes Öffentlich­es Recht an der Uni Innsbruck.

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