Anti-Korruption: War da was?
Die Regierung kündigte das „schärfste Korruptionsstrafrecht der Welt“an. Bisher ist davon wenig zu sehen.
Die anfängliche Euphorie anlässlich der Vorstellung neuer Antikorruptionsmaßnahmen durch die Ministerinnen Karoline Edtstadler und Alma Zadić ist Ernüchterung gewichen. Was ist mit dem seit Langem geforderten Informationsfreiheitsgesetz, was mit der breitflächigen Justizreform mit einer unabhängigen, weisungsfreien Bundesstaatsanwaltschaft? Diesbezüglich werden nicht einmal Termine genannt, innerhalb welcher akkordierte Vorschläge erwartet werden können.
Selbst hinsichtlich der groß angekündigten zukünftigen Strafbarkeit des Mandatskaufs werden bei genauerer Lektüre des Entwurfs Zweifel laut. Dass solche Geschäfte erst ab dem Tag des Neuwahlbeschlusses strafbar sein sollen, eröffnet breite Spielräume für Umgehung, wie auch die Opposition betont. Der schamloseste Mandatshandel, einen Tag vor dem Neuwahlbeschluss vollzogen, könnte dann im Lichte der Öffentlichkeit erfolgen, da nun eindeutig straffrei. Das Gegenteil des angekündigten „schärfsten Korruptionsstrafrechts der Welt“wird dann Realität werden.
Nächster Akt der Ernüchterung: Die Staatengruppe des Europarats gegen Korruption „Greco“soll einen Österreich-Bericht erstellt haben, der grobe Mängel bei Bekämpfung und Prävention von Korruption feststellen soll. Allein die Prüfung der bisher bekannt gewordenen Details (der Bericht selbst ist nicht öffentlich verfügbar) sollte die Alarmglocken schrillen lassen: nicht nur, was den Umfang der damit deutlich gewordenen Korruption anbelangt, sondern auch, was die Frage anbelangt, ob in Österreich überhaupt der richtige Weg zur wirksamen Korruptionsbekämpfung eingeschlagen worden ist.
Der Bericht spricht Postenschacher bei der Polizei an, und tatsächlich ist dieser Bereich ein neuralgischer, wenn es um Korruptionsbekämpfung geht. Generell durchzieht das Korruptionsproblem Postenschacher – wie spätestens seit den Schmid-Chats nicht mehr geleugnet werden kann – die gesamte österreichische Realität. Bislang sind, soweit ersichtlich, wirksame Gegenmaßnahmen nicht einmal angedacht worden. Ansätze, den EUweit wohl einzigartigen Missstand zu beheben, gäbe es viele. Es könnte etwa über eine Reform des Straftatbestands des Amtsmissbrauchs geschehen, der von einer (unabhängigen!) Staatsanwaltschaft breitflächig, auch im staatsnahen und „privatisierten“öffentlichen Dienst (soweit weiter öffentlich finanziert), zu verfolgen wäre. Die Einrichtung einer Staatsanwaltschaft am Rechnungshof könnte ebenfalls wertvolle Dienste leisten.
EU-Rechtswidrigkeiten
Schließlich müsste eine weitere Besonderheit des Justizsystems behoben werden, nämlich, dass es (EU-rechtswidrig) keine Konkurrentenklage gibt, weshalb Postenschacher allenfalls vom zuständigen Ministerium angegangen werden kann, worauf es aber (wiederum EU-rechtswidrig) keinen Rechtsanspruch gibt. Die Reformen könnten teils kurzfristig umgesetzt werden bzw. würde es reichen, dass die Gerichte unmittelbar anwendbares EU-Recht auch unmittelbar anwenden.
Was die Transparenzfrage anbelangt, muss verwundern, dass der Greco-Bericht nicht sofort publik wurde. Die dafür abgegebene Erklärung (der Text sei nur auf Englisch verfügbar, man habe es nicht geschafft, 65 Seiten zu übersetzen) hat einen (wohl unfreiwilligen) Unterhaltungswert: Selbst mit der Gratisversion des Übersetzungsprogramms DeepL sollte ein Ministerialbeamter die Übersetzung an einem Vormittag hinbekommen. Und auch ein englischsprachiger Text sollte in Österreich zumutbar sein: vielleicht nicht für die Begünstigten der Postenschacherei, aber doch für die breite Öffentlichkeit.
Dr. Peter Hilpold (* 1965) ist Professor für Völker-, Europa- und Vergleichendes Öffentliches Recht an der Uni Innsbruck.