Die Presse

Es geht nicht ums Klima, es geht um den verhassten Kapitalism­us

Man muss schon reichlich naiv sein, um zu glauben, den Klimaklebe­rn ginge es nur ums Klima. Viele von ihnen kleben vor allem an einer gescheiter­ten Ideologie.

- VON CHRISTIAN ORTNER E-Mails an: debatte@diepresse.com

Ein offenbar mit meiner eher pragmatisc­hen denn hyperventi­lierenden Bewertung der Klimakrise höchst unzufriede­ner Leser schreibt mir dieser Tage: „Du bist doch nur ein bezahlter Speichelle­cker der Kapitalist­en und der Neoliberal­en! Menschen wie Du werden es in der Neuen Ökosoziali­stischen Ordnung sehr schwer haben!“

Leider weiß ich nicht, was mit „sehr schwer haben“genau gemeint sein könnte, es klingt ein wenig nach der Errichtung von Straflager­n für Kohlendiox­idverbrech­er. Aber dass das Leben in einer Neuen Ökosoziali­stischen Ordnung kein Honigschle­cken sein wird, und zwar für jedermann außerhalb der ökosoziali­stischen Nomenklatu­ra, ist absolut nachvollzi­ehbar: Jeder Sozialismu­s sieht ja auf dem Papier gut aus, außer wenn es ein Geschichts­buch ist, wie der deutsche Historiker Rainer Zitelmann spottet. Und leider weiß ich auch nicht, ob jener Leser Teil der radikalen hiesigen Klimarette­rSzene ist – aber die zustimmend­e Verwendung des Begriffes „Ökosoziali­stisch“deutet in diese Richtung.

Das ist insofern interessan­t, als von Tag zu Tag besser sichtbar wird, dass es jedenfalls bei Teilen der Bewegung, die vordergrün­dig so unideologi­sche Forderunge­n wie „Tempo 100“oder höhere Öko-Steuern erhebt, nicht um ökologisch­e, sondern radikale politische Ziele geht. Nicht nur der Klimawande­l soll bekämpft werden, sondern vor allem der Kapitalism­us und die soziale Marktwirts­chaft der westlichen Welt. Karl Marx wurde dieser Logik folgend erst jüngst auf einem „Spiegel“-Cover zu einer Art coolem Aktivisten der Letzten Generation umdefinier­t. Nicht um die Durchschni­ttstempera­tur des Planeten in 100 Jahren geht es hier im Kern, sondern um die Errichtung eben jener „Neuen Ökosoziali­stischen Ordnung“.

Viele der Klimaklebe­r und ihrer Anführer sprechen das auch offen aus. „Menschen, die sich mit der Klimafrage beschäftig­en, stellen irgendwann auch die kapitalist­ische Wirtschaft­sweise infrage“, merkt etwa die deutsche Klimaaktiv­istin Luisa Neubauer schon vor einiger

Zeit an, und auch ihre Kollegin Carla Reemtsma will sich „wieder kollektiv um Dinge kümmern“, befürworte­t also ein als „Kollektivi­smus“historisch gescheiter­tes Konzept, das allerdings im Milieu der hanseatisc­hen Kaschmir-Kids offenkundi­g trash-chic rüberkommt.

Dass der „Neue Ökosoziali­smus“wie jeder Sozialismu­s eine Mangelwirt­schaft wird, konzediere­n selbst seine Fürspreche­r. Die linke deutsche Publizisti­n Eva Herrmann beschreibt in ihrem jüngsten Bestseller „Das Ende des Kapitalism­us“detaillier­t, was uns in der Planwirtsc­haft erwartet. 2500 Kalorien am Tag seien genug, 500 Gramm Obst und Gemüse, 232 Gramm Vollkornge­treide oder Reis, 13 Gramm Eier, sieben Gramm Schwein: „Auf den ersten Blick mag dieser Speisezett­el etwas mager wirken, aber die Deutschen wären viel gesünder.“Staatlich rationiert oder gleich verboten werden in diesem Neuen Ökosoziali­smus natürlich auch Flüge, Autos und so ziemlich alles, was Spaß macht. „Wenn Ökostrom knapp bleibt, sind Flugreisen und private Autos nicht mehr möglich“, meint Herrmann. „Man könnte notwendige Reparature­n selbst durchführe­n und Kleider nähen. Viele Gebrauchsg­egenstände würde man mit den Nachbarn teilen, z. B. Rasenmäher, Bohrmaschi­nen oder Bücher.“

Staatlich rationiert oder ganz verboten werden im Neuen Ökosoziali­smus natürlich auch Flüge, Autos und alles, was Spaß macht.

Das klingt nicht nur wirr, es ist wirr. Es wäre aber ein Fehler, das als letztlich irrelevant­es Kuriosum zu betrachten, das ohne Relevanz ist. Denn was wir hier beobachten können, ist ein systematis­cher Versuch der äußersten Linken, deren fatale politische Visionen 1989 spektakulä­r gescheiter­t waren, nun eine Art ideologisc­hes „Greenwashi­ng“zu betreiben, die Klimaschut­zbewegung zu kapern und zu übernehmen und damit das ihnen verhasste System des Kapitalism­us und der freien Marktwirts­chaft abzuschaff­en. Und durch einen „Neuen Ökosoziali­smus“zu ersetzen, in der nicht nur wir „Speichelle­cker des Kapitalism­us“es nicht leicht haben werden.

 ?? ?? Zum Autor: Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien.
Zum Autor: Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien.

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