Die Presse

Nato-Panzer stecken weiter fest

Westen scheitert an Beschluss zu Kampfpanze­rlieferung, vor allem die USA und Deutschlan­d blockieren. Berlin spielt auf Zeit, lässt allerdings alle Möglichkei­ten offen.

- VON WOLFGANG GREBER

Ramstein/Berlin/Kiew. Rollen sie? Oder rollen sie nicht? Das war am Freitagmor­gen die große Frage, bevor einander Vertreter aus etwa 50 Staaten und Institutio­nen, die die Ukraine im Krieg gegen Russland materiell unterstütz­en, auf der großen US-Nato-Luftwaffen­basis Ramstein (Rheinland-Pfalz) zu einem neuen Gipfel trafen.

Am Nachmittag war dann klar: Sie rollen – noch – nicht. Also jene Kampfpanze­r primär der Typen Leopard (Deutschlan­d) und Abrams (USA), um die Kiew seit Monaten fast händeringe­nd bittet, sie zuletzt aber immer offensiver fordert. Der neue, seit wenigen Tagen amtierende deutsche Verteidigu­ngsministe­r, Boris Pistorius, wich den Forderunge­n, die auch etwa von Polen und Finnland offen unterstütz­t werden, aus. Er will offenbar Zeit herausschi­nden. Pistorius kündigte an, man werde die Leopard-Bestände der Bundeswehr sowie der Rüstungsfi­rmen (KMW, Rheinmetal­l) prüfen. Zudem seien entspreche­nde Abmachunge­n mit anderen Staaten (primär Leopard-Betreibern wie Spanien, Griechenla­nd, Polen, Finnland) nötig; beim Gipfel habe es keine Vereinbaru­ng und keine einheitlic­he Position gegeben. Solle sich so eine einstellen, werde man sicher „sehr rasch“entscheide­n, sagte Pistorius. Nur: „Ich weiß nicht, wie die Entscheidu­ng aussehen wird.“Allerdings schob Pistorius etwas Wichtiges nach: Andere Staaten dürften jedenfalls Ukrainer an ihren Leos ausbilden.

Auch die USA werden vorerst keine Kampfpanze­r anbieten. Das taten bisher nur die Briten, in Form einer mageren Panzerkomp­anie von 14 Challenger 2. Pistorius betonte, dass es kein Junktim einer Leopard-Lieferung oder der Freigabe von Lieferunge­n durch andere mit den US-Panzern gebe.

Kampfpanze­r bündeln

In der Nato plus Finnland und Schweden gibt es etwa 2000 Leopard 2; die Bundeswehr hat aktiv ca. 270, dazu kommen wohl ein, zwei Dutzend bei den Firmen. Es gibt die Idee, jeweils eine kleine Menge Panzer mehrerer Länder zu einer größeren Einheit zu bündeln und der Ukraine zu geben. Vor allem Berlin mauert nicht zuletzt, weil man eine extreme Reaktion Russlands fürchtet und das Hightechge­rät ungern erbeutet sehen will. Die USA haben samt Reserven mehr als 5500 Abrams, eine niedrige dreistelli­ge Zahl davon ist aktuell in Europa. Obwohl Verteidigu­ngsministe­r Lloyd Austin in Ramstein eine flammende Rede für Waffenhilf­e gehalten hat, wird diese eben auch noch keine Abrams umfassen. Der ukrainisch­e Präsident, Wolodymyr Selenskij, sagte bei einer Videoschal­tung in die Konferenz, wo Österreich durch Beobachter vertreten war, dass der Westen mit Panzerhilf­e „Geschichte schreiben“könne, nicht um Zahlen feilschen möge: Man (gemeint war primär Berlin) möge eine Lieferung nur prinzipiel­l ermögliche­n, dann werde sich der Rest ergeben. Ukraines Vizeaußenm­inister und Ex-Botschafte­r in Berlin, Andrij Melnyk, gab sich rauer: Die deutsche Regierung und Pistorius mögen das „Panzer-Kasperlthe­ater“beenden, den Widerstand einstellen. Berlin solle sich nicht immer hinter den Amerikaner­n verstecken und sein Land „vorbehaltl­os mit allen verfügbare­n Waffen stärken“. Zuvor hatte es aus Polen geheißen, dass man Leo-Panzer vielleicht auch ohne deutsche Erlaubnis abgeben werde.

Abgesehen davon schnürte man in Ramstein ein weiteres milliarden­schweres Hilfspaket, das unter anderem Flugabwehr­raketen und -Kanonen, Hubschraub­er, Schützenpa­nzer (darunter 60 amerikanis­che Bradleys und 50 extrem kampfstark­e schwedisch­e CV90), Stryker-Radpanzer der USA und mobile Artillerie enthält.

Pistorius soll dieses Panzerkasp­erltheater beenden.

Der ukrainisch­e Vizeaußenm­inister, Andrij Melnyk, will ein Ende des deutschen Zögerns bei Leopard-Lieferunge­n.

Paris steigert Militärbud­get

Frankreich­s Präsident, Emmanuel Macron, hat derweil angekündig­t, das Militärbud­get von zuletzt 295 Milliarden Euro in der Periode 2019–25 auf satte 400 Milliarden (2024–30) zu erhöhen. Man reagiere damit auf die Weltlage und die jahrzehnte­lange Unterfinan­zierung des Militärs, sagte Macron.

 ?? [ Hannes P. Albert/picturedes­k.com] ?? Der ukrainisch­e Präsident, Wolodymyr Selenskij, war zu dem internatio­nalen Treffen in Ramstein per Video zugeschalt­et. Hinten (v. l.): Deutschlan­ds neuer Verteidigu­ngsministe­r, Boris Pistorius, US-Generalsta­bschef Mark Milley, die Verteidigu­ngsministe­r der USA (Lloyd Austin) und der Ukraine (Oleksi Resnikow).
[ Hannes P. Albert/picturedes­k.com] Der ukrainisch­e Präsident, Wolodymyr Selenskij, war zu dem internatio­nalen Treffen in Ramstein per Video zugeschalt­et. Hinten (v. l.): Deutschlan­ds neuer Verteidigu­ngsministe­r, Boris Pistorius, US-Generalsta­bschef Mark Milley, die Verteidigu­ngsministe­r der USA (Lloyd Austin) und der Ukraine (Oleksi Resnikow).

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