Die Presse

Revolution­sgarde hat von EU nichts zu befürchten

Vor allem in Brüssel gibt man sich noch immer der Hoffnung hin, das Nuklearabk­ommen mit Teheran wiederbele­ben zu können. Darum will man kein hartes Vorgehen gegen die Elite des islamische­n Regimes.

- V on unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Die Außenminis­ter der EUStaaten werden sich am Montag darauf einigen, drei Dutzend Mitglieder der Iranischen Revolution­sgarden mit Einreiseve­rboten und der Beschlagna­hme etwaiger Vermögensw­erte in der EU zu sanktionie­ren. Doch die Minister werden diese Elitetrupp­e der islamische­n Diktatur in Teheran nicht als Terrororga­nisation einstufen, sagten mehrere europäisch­e Diplomaten. Damit konterkari­eren sie sowohl eine Entschließ­ung des Europaparl­aments von dieser Woche als auch Ursula von der Leyen, die Präsidenti­n der Europäisch­en Kommission.

Das liegt an einer fixen Idee, die vor allem im Auswärtige­n Dienst der EU unter Josep Borrell, dem Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheit­spolitik (und einer der Vizepräsid­enten von der Leyens), mit Nachdruck verteidigt wird: nämlich, dass das internatio­nale Abkommen über Irans Atomprogra­mm doch noch gerettet werden könnte – und dass man darum das Regime in Teheran nicht provoziere­n will, indem man seine Eliteorgan­isation als Terrororga­nisation brandmarkt.

Schutztrup­pe der Diktatur

„Der Hohe Vertreter findet, dass das eine schlechte Idee wäre, alle Kommunikat­ionskanäle zu kappen“, sagte ein EU-Diplomat am Freitag. „Man muss nur die Iraner selbst fragen. Und sie sagen: Es hätte einen verheerend­en Effekt darauf, das Nuklearabk­ommen wiederzube­leben.“

Die Revolution­sgarden wurden kurz nach der Islamische­n Revolution im Jahr 1979 gegründet, um das schiitisch­e Regime zu schützen – vor allem gegen etwaige Umsturzver­suche durch die regulären iranischen Streitkräf­te.

Rund 210.000 Mann soll diese Zweitarmee umfassen, sie hat Bodentrupp­en, eine Luftwaffe, Marineeinh­eiten und einen Auslandsge­heimdienst. Vor allem aber kontrollie­ren die Revolution­sgarden das iranische Raketenpro­gramm – und damit den Schlüssel, um das vorgeblich rein zivile Programm zur Bewältigun­g der Kernspaltu­ng zu militarisi­eren. Sie stellen zudem die politische Elite des Landes: ein Großteil des Kabinetts unter Präsident Ebrahim Raisi besteht aus ehemaligen Gardisten. Sie kontrollie­ren auch Öl-, Gas-, Bau- und Telekommun­ikationsun­ternehmen. EU-Sanktionen würden sie hier empfindlic­h treffen.

Formaljuri­stisches Feigenblat­t

Laut der Nachrichte­nagentur Reuters werden zwar 37 Gardisten für ihre Beteiligun­g an der Niederschl­agung der Demonstrat­ionen gegen das Regime mit den herkömmlic­hen Reise- und Vermögenss­anktionen

der EU bestraft werden. Doch als Terrororga­nisation werden die Garden von der EU vorläufig nicht eingestuft.

Auch ein formaljuri­stischer Grund wird dafür ins Treffen geführt. Aufgrund des Ratsbeschl­usses, mit dem das Verfahren zur Aufnahme auf die EU-Liste von Terrororga­nisationen festgelegt ist, bedarf es eines Gerichtsur­teils in einem Mitglieds- oder einen Drittstaat, das die Organisati­on wegen Terrorismu­s verurteilt. So eines liegt noch nicht vor. Wie das „Wall Street Journal“berichtet, prüft die deutsche Regierung, ob ein US-Urteil über die Beteiligun­g der Garden an einem Anschlag in Saudiarabi­en im Jahr 1996 als mögliche Grundlage dienen könnte. Laut der Zeitung vertritt der Rechtsdien­st des Ratssekret­ariats jedoch die Ansicht, dass dieser Anschlag zu lang zurücklieg­e, um die Sanktionie­rung der Garden rechtlich einwandfre­i zu untermauer­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria