Revolutionsgarde hat von EU nichts zu befürchten
Vor allem in Brüssel gibt man sich noch immer der Hoffnung hin, das Nuklearabkommen mit Teheran wiederbeleben zu können. Darum will man kein hartes Vorgehen gegen die Elite des islamischen Regimes.
Die Außenminister der EUStaaten werden sich am Montag darauf einigen, drei Dutzend Mitglieder der Iranischen Revolutionsgarden mit Einreiseverboten und der Beschlagnahme etwaiger Vermögenswerte in der EU zu sanktionieren. Doch die Minister werden diese Elitetruppe der islamischen Diktatur in Teheran nicht als Terrororganisation einstufen, sagten mehrere europäische Diplomaten. Damit konterkarieren sie sowohl eine Entschließung des Europaparlaments von dieser Woche als auch Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission.
Das liegt an einer fixen Idee, die vor allem im Auswärtigen Dienst der EU unter Josep Borrell, dem Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik (und einer der Vizepräsidenten von der Leyens), mit Nachdruck verteidigt wird: nämlich, dass das internationale Abkommen über Irans Atomprogramm doch noch gerettet werden könnte – und dass man darum das Regime in Teheran nicht provozieren will, indem man seine Eliteorganisation als Terrororganisation brandmarkt.
Schutztruppe der Diktatur
„Der Hohe Vertreter findet, dass das eine schlechte Idee wäre, alle Kommunikationskanäle zu kappen“, sagte ein EU-Diplomat am Freitag. „Man muss nur die Iraner selbst fragen. Und sie sagen: Es hätte einen verheerenden Effekt darauf, das Nuklearabkommen wiederzubeleben.“
Die Revolutionsgarden wurden kurz nach der Islamischen Revolution im Jahr 1979 gegründet, um das schiitische Regime zu schützen – vor allem gegen etwaige Umsturzversuche durch die regulären iranischen Streitkräfte.
Rund 210.000 Mann soll diese Zweitarmee umfassen, sie hat Bodentruppen, eine Luftwaffe, Marineeinheiten und einen Auslandsgeheimdienst. Vor allem aber kontrollieren die Revolutionsgarden das iranische Raketenprogramm – und damit den Schlüssel, um das vorgeblich rein zivile Programm zur Bewältigung der Kernspaltung zu militarisieren. Sie stellen zudem die politische Elite des Landes: ein Großteil des Kabinetts unter Präsident Ebrahim Raisi besteht aus ehemaligen Gardisten. Sie kontrollieren auch Öl-, Gas-, Bau- und Telekommunikationsunternehmen. EU-Sanktionen würden sie hier empfindlich treffen.
Formaljuristisches Feigenblatt
Laut der Nachrichtenagentur Reuters werden zwar 37 Gardisten für ihre Beteiligung an der Niederschlagung der Demonstrationen gegen das Regime mit den herkömmlichen Reise- und Vermögenssanktionen
der EU bestraft werden. Doch als Terrororganisation werden die Garden von der EU vorläufig nicht eingestuft.
Auch ein formaljuristischer Grund wird dafür ins Treffen geführt. Aufgrund des Ratsbeschlusses, mit dem das Verfahren zur Aufnahme auf die EU-Liste von Terrororganisationen festgelegt ist, bedarf es eines Gerichtsurteils in einem Mitglieds- oder einen Drittstaat, das die Organisation wegen Terrorismus verurteilt. So eines liegt noch nicht vor. Wie das „Wall Street Journal“berichtet, prüft die deutsche Regierung, ob ein US-Urteil über die Beteiligung der Garden an einem Anschlag in Saudiarabien im Jahr 1996 als mögliche Grundlage dienen könnte. Laut der Zeitung vertritt der Rechtsdienst des Ratssekretariats jedoch die Ansicht, dass dieser Anschlag zu lang zurückliege, um die Sanktionierung der Garden rechtlich einwandfrei zu untermauern.