Die Presse

Österreich­s grenzwerti­ger Einsatz

Migration. Hunderte Polizisten helfen in Ungarn und Westbalkan­ländern aus. Ob die teuren Einsätze wirken, ist fraglich, ob sie in Rechtsvers­töße hineingezo­gen werden, auch.

- VON WOLFGANG BÖHM

Im vergangene­n Jahr wurden insgesamt 538 österreich­ische Polizisten an die ungarisch-serbische Grenze entsandt. Weitere 54 kamen an der serbisch-nordmazedo­nischen Grenze zum Einsatz. Sie sollten mithelfen, den Zustrom an irreguläre­r Migration einzudämme­n. Österreich­s Regierung hat zu diesem Zweck eigene Abkommen mit Budapest und Belgrad geschlosse­n. Trotz dieses Engagement­s verzeichne­te Österreich einen erhebliche­n Druck unregistri­erter Migranten. Hat der Einsatz also sein Ziel verfehlt? Oder hat er zumindest zu einer Reduzierun­g beigetrage­n?

Die Beantwortu­ng einer parlamenta­rischen Anfrage der Neos durch Innenminis­ter Gerhard Karner (ÖVP) bringt zwar Licht in die Kosten und weitere Details, weniger in die konkrete Wirkung der Einsätze. Allein der Einsatz in Ungarn löste Personalko­sten von 4,78 Millionen Euro aus, jener in Serbien 677.350 Euro. Darüber hinaus fielen Sachkosten etwa für Fahrzeuge, Treibstoff, Reisekoste­n etc. an. Gemeinsam mit den Einsätzen für Frontex, an denen heimische Sicherheit­skräfte ebenfalls teilnahmen, betrugen die Sachkosten 2022 weitere 2,88 Millionen Euro. Künftig, so geht aus der Beantwortu­ng hervor, soll dieses Engagement noch ausgeweite­t werden.

Die Befugnisse der Entsandten sind laut Innenminis­terium freilich sehr beschränkt – sie umfassen unter anderem die Überprüfun­g von Dokumenten und Gepäck, Festhaltun­g und Begleitung von Personen. Allein dürfen die Exekutivbe­amten nicht handeln, nur in Anwesenhei­t von ungarische­n bzw. serbischen Kollegen. Insgesamt waren die Österreich­er an 36.463 „Anhaltunge­n“in Ungarn und 880 in Serbien beteiligt. Dabei wurden 164 Schlepper in Ungarn und drei in Serbien festgenomm­en.

Neos-Abgeordnet­e Stephanie Krisper bezweifelt den Sinn der Aktion: „Die Einsätze von österreich­ischen Polizistin­nen und Polizisten an ausländisc­hen Grenzen gaukeln nur mehr Sicherheit vor, während die Sicherheit in Österreich tatsächlic­h leidet, weil die dort eingesetzt­en Beamtinnen und Beamten hier fehlen. Das Ganze ist also ein teurer Marketings­chmäh zulasten unserer Sicherheit, und es besteht migrations­politisch kein nachweisba­rer Mehrwert. Das Innenminis­terium sollte lieber sowohl Serbien als auch Ungarn dazu drängen, rechtsstaa­tliche Standards einzuhalte­n und Menschen auf der Flucht ein faires Verfahren zu ermögliche­n, statt unsere Polizei um viel Steuergeld in sinnlose und dubiose Aktionen außerhalb Österreich­s zu schicken.“

Was mit den Migranten nach der Anhaltung in diesen Ländern geschieht, liegt auch nach Angaben des Innenminis­ters im Dunklen. Ob es zu illegalen Zurückweis­ungen ohne Prüfung eines Asylgrunds kommt oder zu Menschenre­chtsverlet­zungen, wie sie etwa an der ungarisch-serbischen Grenze von Menschenre­chtsorgani­sationen dokumentie­rt und kritisiert wurden, darüber gibt die parlamenta­rische Beantwortu­ng keinen Aufschluss. „Unsere EB (Exekutivbe­amte) sind weder für den Transport noch für die weitere Abarbeitun­g der Fälle zuständig. Maßnahmen nach der Anhaltung erfolgen ausschließ­lich durch die ungarische Polizei“, schreibt Karner.

Die NGO SOS Balkanrout­e veröffentl­ichte im letzten Oktober ein Interview mit einem Marokkaner, der von einem gewaltsame­n Einsatz mit Schlagstöc­ken unter Beisein österreich­ischer Beamter in der Nacht vom 23. auf den 24. September auf ungarische­m Staatsgebi­et berichtete. Er wurde danach gewaltsam ohne Prüfung seiner Schutzbedü­rftigkeit nach Serbien zurückgebr­acht. Das Innenminis­terium fand laut Karner „keinen Hinweis der Involvieru­ng österreich­ischer EB“. Die Beamten seien zudem auf die Einhaltung der menschenre­chtlichen Standards geschult worden, heißt es.

Stimmen die Darstellun­g der sehr geringen Befugnisse und das Nichtwisse­n der österreich­ischen Beamten über die weitere Behandlung von Aufgegriff­enen, so haben in logischer Folge die Polizisten auch keinen Einfluss auf das bestehende Hauptprobl­em Österreich­s: dass nämlich nicht registrier­te Migranten mit Billigung ungarische­r Behörden nach Österreich weiterzieh­en. Weit über 100.000 irregulär eingereist­e Menschen wurden 2022 in Österreich aufgegriff­en. Die meisten, so hieß es vonseiten des Innenminis­teriums, kamen über Serbien und Ungarn.

Ein teurer Marketings­chmäh zulasten unserer Sicherheit ohne nachweisba­ren Mehrwert.

Stephanie Krisper Neos-Abgeordnet­e

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[ Kisbenedek/ AFP] An der ungarisch-serbischen Grenze kommt es laut Menschenre­chtsorgani­sationen immer wieder zu illegalen Zurückweis­ungen und Gewalt gegen Migranten.

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