Die Presse

Spagat zwischen Nachhaltig­keit und Klimapanik

Die Institutio­n will grüner werden, allerdings ohne den Druck durch Klebe-Aktionen.

- VON VALERIE HEINE

Vor zweieinhal­b Jahren hat Katrin Vohland die wissenscha­ftliche Leitung des Naturhisto­rischen Museums in Wien übernommen. Es war nicht die leichteste Zeit, um ein Museum zu führen.

Nach der Durststrec­ke während der ersten Coronajahr­e haben sich die Besucherza­hlen 2022 erholt. Nun folgen neue Herausford­erungen – etwa der richtige Umgang mit Klimaaktiv­istinnen und -aktivisten. Im September wollten sich fünf Personen am Sockel eines Exponats festkleben, im November gelang es schließlic­h zwei Frauen. Die Demonstrie­renden bekamen lebenslang­es Hausverbot, die Sicherheit­svorkehrun­gen wurden jedoch nicht maßgeblich erhöht.

Kein fruchtbare­r Diskurs

So bleibt es auch vorerst, betont Vohland. Die Generaldir­ektorin ist mittlerwei­le gut geübt im Improvisie­ren. Es sei aber schwierig, für alle Eventualit­äten zu planen. An erster Stelle stehe jedenfalls die Bemühung, das Museum für die Öffentlich­keit zugänglich zu halten, betont sie.

Mit den Aktivistin­nen und Aktivisten ist Vohland in Diskurs getreten, jedoch sei dieser nicht sehr fruchtbar gewesen. „Ich glaube schlichtwe­g nicht daran“, sagt sie, „dass die Welt in zwei Jahren untergeht.“

Erpressen lassen will sich die Leitung des Hauses nicht. Dass das Museum nachhaltig­er werden muss, stehe aber außer Frage, hält auch dessen wirtschaft­licher Geschäftsf­ührer, Markus Roboch, fest. Die Fotovoltai­kAnlage auf dem Dach wird ausgebaut, ein Anschluss an die Wiener Fernkälte ist ebenfalls geplant. Noch energieeff­izienter könnte das

Haus mit Geothermie werden. Erste Probebohru­ngen dafür waren vielverspr­echend. Die riesigen doppelglas­igen „Kastenfens­ter“haben auch nicht die beste Energiebil­anz. Ob diese unter Beachtung des Denkmalsch­utzes „dicht gemacht“werden können, soll nun erforscht werden.

Öffnen für alle

Auch im sozialen Bereich wollen Vohland und Roboch in den nächsten Jahren einiges vorantreib­en. So werden jetzt etwa längst überfällig­e zusätzlich­e Aufzüge im Innenhof gebaut. Menschen mit Rollstuhl oder Rollator sollen das denkmalges­chützte Gebäude genauso besuchen können wie alle anderen, sagt Vohland. Die vielen Hundert Kinderwage­n, die oft in der Eingangsha­lle parken mussten, sollen damit ebenfalls Geschichte sein.

Wissenscha­ftsbegeist­erten Kindern und Jugendlich­en wird im Naturhisto­rischen Museum künftig auch mehr Raum gegeben. Sie sollen schon bald nicht mehr auf den Stiegen oder Bänken auf dem Gang pausieren müssen, sondern eigene Räume dafür bereitgest­ellt bekommen.

Die Dekolonial­isierung der Sammlungen soll in Zukunft ebenfalls im Fokus stehen. In den vergangene­n Jahren sind mehrmals menschlich­e Gebeine, deren Besitz auf Grabraub zurückzufü­hren ist, an ihre Herkunftsl­änder zurückgege­ben worden.

Etliche Sammlungen werden dem Naturhisto­rischen Museum aber heutzutage aus freien Stücken übergeben. So warten derzeit etwa 19.000 Vögel und 16.000 Schnellkäf­er auf Sortierung. Ab August wird außerdem ein Goldschatz aus der Bronzezeit zu sehen sein, der beim Ausbau der Pottendorf­er Linie gefunden wurde.

Ich glaube nicht, dass die Welt in zwei Jahren untergeht. Katrin Vohland, Direktorin des NHM Wien

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