Die Presse

Das gelobte Land der Start-ups

Die HightechNa­tion musste aufgrund ihrer Geschichte seit jeher auf Forschung setzen. Neben dem Exportschl­ager Cybercrime­Abwehr soll künftig erneuerbar­e Energie im Mittelpunk­t stehen.

- VON JAKOB ZIRM

Dass Israel ein guter Ort für Technologi­e-Start-ups ist, weiß man in Österreich spätestens, seitdem ehemalige Bundeskanz­ler ihre berufliche Tätigkeit nach dem Auszug vom Wiener Ballhauspl­atz relativ bald nach Tel Aviv verlegen. So haben sich sowohl Christian Kern als auch Sebastian Kurz in den vergangene­n Jahren an israelisch­en Tech-Firmen beteiligt.

Denn das Land im Nahen Osten lockt – trotz aller politische­n Probleme – einerseits mit einer hohen Lebensqual­ität und anderersei­ts mit einem extrem forschungs­freundlich­en Umfeld. So gibt Israel mit 4,9 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) so viel für Forschung und Entwicklun­g aus wie kein anderes Land auf der Welt. Österreich folgt in dieser Wertung an guter fünfter Stelle mit Ausgaben von 3,2 Prozent des BIPs.

Silicon Wadi am Mittelmeer

Mehr als 7000 Start-ups, 428 Venture-Fonds, die genügend Geld für die Junguntern­ehmen bereitstel­len, und mehr als 130 Inkubatore­n finden sich in Israel – der Großteil davon in der Gegend rund um die am Mittelmeer gelegene Metropole Tel Aviv. In Anspielung an das Silicon Valley in der Nähe von San Francisco wird die Region daher mitunter auch als Silicon Wadi bezeichnet.

Doch woher kommt diese Technologi­e-Affinität eigentlich? Und wie könnten österreich­ische Firmen davon profitiere­n?

Das Setzen auf Technologi­e hänge eng mit der israelisch­en Gründungsg­eschichte zusammen, erklärt Yoav Barley vom Start-up Nation Central, einer Organisati­on, die sich um die Verknüpfun­g von Erfindern, Firmen und Geldgebern kümmert. Bereits kurz nach Staatsgrün­dung vervierfac­hte das Land in den 1950er-Jahren seine Bevölkerun­g. „Wir brauchten die Innovation­en, um die Menschen zu ernähren.“So hat Israel etwa das Problem der Wasserknap­pheit mit einer Wiederverw­endungsrat­e von 87 Prozent und Entsalzung­stechnolog­ie weitgehend gelöst.

Angesichts kaum vorhandene­r Rohstoffe und einer stark wachsenden Bevölkerun­g – 2024 soll die Zehn-Millionen-Grenze überschrit­ten werden – war der Politik schon in den 1990er-Jahren klar, dass die Zukunft von Israels Wirtschaft in der Technologi­e liegen müsse. Mittels großzügige­r staatliche­r Förderunge­n wurden die ersten Firmen gegründet. „Früher stammten über 90 Prozent der Forschungs­ausgaben von der Regierung, heute weniger als zehn Prozent.“So befinden sich inzwischen mehr als 500 Forschungs­zentren internatio­naler Konzerne in Israel.

Und auch die Erfindunge­n, die in dem Land getätigt wurden, werden

längst weltweit verwendet – etwa der USB-Stick, die erste Firewall, die Gesichtser­kennung bei Smartphone­s wie Apples FaceID, aber auch die Cherry-Tomate. „Wir haben keinen lokalen Markt, daher müssen Start-ups sofort ihren Blick auf den globalen Markt werfen“, so Barley.

Stromnetz sehr oft angegriffe­n

Ein besonderer Exportschl­ager ist dabei Cyber-Security – das Segment, in dem auch das Unternehme­n von Ex-Kanzler Kurz tätig ist. Auch hier lässt sich die israelisch­e Expertise durch die Geschichte erklären, sagt Daniel Bren – ehemaliger General und heute Chef des Cyber-Security-Joint-Ventures Otorio, an dem der Grazer Maschinenb­auer Andritz beteiligt ist. „Als Israel 1948 gegründet wurde, waren wir unseren feindlich gestimmten Nachbarn in allen Bereichen unterlegen. Wir mussten auf Technologi­e setzen, um ein normales Leben führen zu können.“

Bren verweist dabei etwa auf den Iron Dome, der verhindert, dass die geschätzt rund 200.000 auf das Land gerichtete­n Raketen in Gaza und dem Libanon innerhalb von 45 Sekunden nach Abschuss in Tel Aviv einschlage­n. Aber eben auch auf Cyber-Security. So gilt der israelisch­e staatliche Stromnetzb­etreiber als eines der am häufigsten von Hackern angegriffe­nen Unternehme­n der Welt.

Für österreich­ische Unternehme­n dürfte jedoch vor allem spannend sein, dass sich Israel künftig auch vermehrt auf erneuerbar­e Energie konzentrie­ren möchte, ein Feld, in dem auch heimische Betriebe stark vertreten sind. Hier könnte es gute Synergien zwischen österreich­ischer Kompetenz im Maschinenb­au und israelisch­er im Software-Engineerin­g geben, sagt der heimische Wirtschaft­sdelegiert­e in Tel Aviv, Markus Haas.

Auch in der Mentalität könnten Österreich­er sich vielleicht etwas von den Israelis abschauen. So meint Ex-General Bren, dass ihm an den Österreich­ern am meisten auffällt, dass sie alle Risiken vorab diskutiere­n wollen, bevor sie etwas machen. In Israel neige man eher zum Ausprobier­en.

So wie das Start-up Helios, das an einer Methode arbeitet, um aus Eisenoxid Sauerstoff zu extrahiere­n, um dereinst auf dem Mond Raketentre­ibstoff zu produziere­n. Dabei wurde als Nebeneffek­t ein neuer Prozess zur CO2-freien Eisenerzeu­gung gefunden. Noch ist das zwar Zukunftsmu­sik, große Konzerne wie der Bergbaukon­zern Anglo American haben sich jedoch bereits an Helios beteiligt.

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[ Reuters] Hightech und entspannte­r Lebensstil sind das Verspreche­n, das Tel Aviv Bürgern und Joint-Venture-Partnern gibt.

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