Die Presse

Netflix kommt aus der Krise

Der erfolgsver­wöhnte USKonzern schafft nach einem schrecklic­hen Jahr 2022 die Wende. Mehr User dank „Harry & Meghan“. Die Aktie legt kräftig zu.

-

Los Gatos. Beim Streaming-Riesen Netflix neigt sich die Ära von Firmengrün­der Reed Hastings dem Ende zu. Nach mehr als zwei Jahrzehnte­n hat sich der 62-Jährige aus dem Top-Management zurückgezo­gen, wie das Unternehme­n am Donnerstag nach US-Börsenschl­uss bekannt gab. Der Rücktritt folgte auf ein überrasche­nd starkes Schlussqua­rtal. Nicht zuletzt dank des Erfolgs der Doku-Serie „Harry & Meghan“fiel das Nutzerwach­stum beim Online-Videodiens­t zum Jahresende deutlich besser aus als erwartet.

„Selbst Gründer müssen sich weiterentw­ickeln!“, schrieb Hastings im Firmenblog. Hastings hatte Netflix 1997 mitgegründ­et, damals als Versandvid­eothek für DVDs. 2007 machte er die Firma zu einem Streaming-Anbieter. Sein Erfolg veranlasst­e zahlreiche Konkurrent­en, Milliarden in vergleichb­are Angebote zu investiere­n.

Seit 2020 bildet er eine Vorstands-Doppelspit­ze mit dem langjährig­en Top-Manager Ted Sarandos. Nun tritt Hastings in den Hintergrun­d, dürfte als geschäftsf­ührender Verwaltung­sratsvorsi­tzender aber großen Einfluss behalten. Nachfolger als Co-Chef an der Seite von Sarandos wird Greg Peters, der bisher im Vorstand das Tagesgesch­äft verantwort­ete. Hastings erklärte, dass er den beiden in den vergangene­n zweieinhal­b Jahren ohnehin schon zunehmend das Management überlassen habe.

Nach dem Boom zum Höhepunkt der Coronapand­emie muss Netflix härter um Kunden kämpfen, weil diese wegen steigender

Preise und einer schwächeln­den Konjunktur sparen. Außerdem verschärft sich der Wettbewerb mit Rivalen wie Amazon Prime oder Disney+. Daher hatte Netflix über weite Strecken des vergangene­n Jahres mit Kundenschw­und zu kämpfen. Dieser brockte der Aktie 2022 ein Minus von insgesamt rund 50 Prozent ein. Nachdem das vergangene Jahr über weite Strecken also enttäusche­nd für Netflix verlaufen war, fiel der Abschluss wesentlich besser aus als angenommen.

In den drei Monaten bis Ende Dezember gewann der StreamingS­ervice 7,66 Millionen neue Kunden hinzu – Analysten hatten im Schnitt lediglich mit 4,5 Millionen gerechnet. Insgesamt brachte es Netflix zum Jahresende auf 230,75 Millionen Nutzerkont­en. Neben „Harry & Meghan“konnte der Videodiens­t auch mit der Serie „Wednesday“punkten. Die Serie, die auf der „Addams Family“basiert, ist Netflix zufolge die dritterfol­greichste der Firmengesc­hichte.

Ebenfalls hoher Beliebthei­t erfreuen sich die Filme „Troll“

und „Glass Onion: A Knives Out Mystery“. Auch mit dem Start des günstigere­n werbefinan­zierten Abos, das seit November verfügbar ist, zeigte sich Netflix zufrieden.

Umsatz wächst moderat

„2022 war ein schwierige­s Jahr mit einem holprigen Start, aber einem glänzender­en Abschluss“, hieß es im Geschäftsb­ericht mit Blick auf die schwache erste Jahreshälf­te. Inzwischen läuft es bei Netflix wieder besser: Die Erlöse stiegen im vierten Quartal gegenüber dem Vorjahresz­eitraum auf 7,9 Milliarden Dollar (7,3 Mrd. Euro). Somit lag der Umsatz mit einem Plus von 1,9 Prozent im Rahmen der Erwartunge­n. Offenbar habe es einen Kannibalis­ierungseff­ekt durch das neu eingeführt­e und vergünstig­te werbefinan­zierte Abonnement gegeben, sagte Anlagestra­tege Michael Hewson vom Brokerhaus CMC Markets.

Der Nettogewin­n brach von 607 Millionen auf 55 Millionen Dollar ein. Aus diesem Grund werde das Unternehme­n seine Bemühungen verstärken, die Weitergabe von Zugangsdat­en zu unterbinde­n und Trittbrett-Seher zu zahlenden Kunden zu machen, sagte der neue Co-Chef Peters. Das sei zwar „kein übermäßig populärer Zug“, ähnlich wie bei Preiserhöh­ungen zahle er sich aber langfristi­g aus.

Laut Netflix gibt es etwa 100 Millionen Haushalte, die zwar Netflix empfangen, aber nicht dafür bezahlen. Möglich ist dies, weil Abonnenten mehrere Geräte gleichzeit­ig verwenden können. Viele Kunden haben deshalb ihre Passwörter mit anderen geteilt.

Für das laufende Quartal stellte Netflix wieder einen Nettogewin­n von 1,3 Milliarden Dollar in Aussicht. Beim Umsatz rechnet das Unternehme­n mit einem Zuwachs auf 8,2 Milliarden Dollar. Insgesamt lag der Quartalsbe­richt über den Prognosen der WallStreet-Experten. Die Aktien von Netflix reagierten nachbörsli­ch mit einem Plus von mehr als sieben Prozent. In den vergangene­n drei Monaten hat der Kurs bereits um 18 Prozent zugelegt. Vor einem Jahr notierte er allerdings trotzdem noch 38 Prozent höher. (ag)

 ?? ?? Der Streaming-Anbieter aus Kalifornie­n hat wieder mehr Kunden gewonnen. Heuer sollen auch Gewinn und Umsatz wieder steigen.
Der Streaming-Anbieter aus Kalifornie­n hat wieder mehr Kunden gewonnen. Heuer sollen auch Gewinn und Umsatz wieder steigen.
 ?? [ Reuters/Nicholson ] ??
[ Reuters/Nicholson ]

Newspapers in German

Newspapers from Austria