„Tante Käthe“soll Deutschland retten
Rudi Völler ist neuer Sportdirektor des DFB. Der Ex-Teamchef, Weltmeister von 1990 und „Vollblutstürmer“muss Weichen neu stellen, damit Hansi Flick Erfolg hat.
Rudi Völler ist eine Kultfigur im deutschen Fußball. Der Hanauer, einst als Achtjähriger vom Vater zum Training geschleppt, verstand es wie kaum ein anderer, Tore zu schießen, aber auch Entstehung wie Abschluss nach Abpfiff versiert zu erzählen.
Er war Trainer, Teamchef und Sportdirektor, am Auftritt des Weltmeisters von 1990 änderte sich nie etwas: höflich, direkt, mit Zug zum Tor. Und er wusste immer, wann der Zeitpunkt des Abschieds gekommen war. Der jetzt 62-Jährige ist kein Sesselkleber.
Er belebte das Spiel der Kickers Offenbach (19 Tore), lachte bei 1860 (46), Werder Bremen (97 in 137 Spielen), parlierte bei AS Roma (45) oder Marseille (24). Er gab Leverkusen (26) immer Hoffnung. Völler gewann die Champions League (1993), jubelte einmal über die Coppa Italia (1991), bloß Meister wurde er nie.
Für Deutschland gab er alles. 90 Länderspiele lang ackerte „Tante Käthe“, den Spitznamen erntete er von Zimmerkollegen Thomas Berthold seiner immer grauer werdenden Locken wegen, den gegnerischen Strafraum um. Er wurde Weltmeister in Rom 1990, davor spuckte ihn Frank Rijkaard an – der Deutsche behielt die Ruhe.
Völler schoss 47 DFB-Tore und wurde 2000 Teamchef. Wer weiß, wie seine Karriere verlaufen wäre, hätte Oliver Kahn den Ball im WM-Finale 2002 gegen Brasilien nicht losgelassen? 2004 kehrte der Mann, der in Stadien mit „Guantanamera“Chorälen besungen wurde, dem DFB den Rücken. Er ertrug auch da sehr viel, selbst vor Konflikten mit TV-Moderatoren („Waldi, du sitzt hier und trinkst drei Weizen“) bewies er letztlich Charme. Darum ist „Ruuudi“weiterhin populär und wird ihm zugetraut, im starren Konstrukt des DFB etwas zu verändern.
Die Kultfigur soll es als neuer Sportdirektor für das Nationalteam richten, das zum zweiten Mal in Folge bei einer WM nach Vorrunde blamabel Koffer packen und viel Häme einstecken musste. Der Mittelstürmer gilt als Spezialist für Krisenfälle, obwohl: Ein Titel fehlt in seiner Trainer- und Managerkarriere. Noch.
Sein DFB-Comeback ist ein Déja`-vu. Völler wird handeln und vieles, was Vorgänger Oliver Bierhoff verabsäumt hat, anpacken. Er will sich mit Teamchef Hansi Flick kurzschließen, die Heim-EM 2024 hat Priorität. Es wird eine neue Nähe der Spieler zu Fans geben, mit anderen Beginnzeiten und öffentlichen Trainings. Auf der Basis, dass sich alle über 90 Minuten abarbeiten, für andere mitlaufen und den Kopf hinhalten. So wie es „Tante Käthe“immer getan hat – ohne Murren. (fin)