Die Presse

Gekämpft wird nicht mehr gegen Armut, sondern gegen Reichtum

In Davos fleht eine Gruppe von Superreich­en Staatschef­s an, sie endlich stärker zu besteuern. Doch warum brauchen Milliardär­e den Staat, um Bedürftige­n zu helfen?

- SCHELLHORN AM SAMSTAG E-Mails an: debatte@diepresse.com

In Davos erklären Milliardär­e Millionäre­n, was die Mittelschi­cht zu tun habe, damit es den Armen endlich besser geht. Da ist was dran.

Jedes Jahr um diese Zeit ist es wieder so weit: Ein Tross von Konzernlen­kern, Politikern, Aktivisten, Journalist­en und Superreich­en versammelt sich im malerische­n Davos, um aus der Welt einen besseren Ort zu machen. Dass die 2700 angemeldet­en Teilnehmer in mehr als 1000 Privatjets anreisen – geschenkt. Wenn es darum geht, die Lage der Armen zu verbessern und dabei auch noch die Klimakrise zu entschärfe­n, sollten ein paar Tausend Tonnen CO2 zusätzlich schon drin sein. Die Retter der Welt haben es schließlic­h eilig, und es gibt viel zu tun. Wobei auch immer wieder Kritik an der pompösen Veranstalt­ung in den Schweizer Bergen laut wird. Böse Zungen behaupten gar, dass Davos jener Ort sei, an dem Milliardär­e den Millionäre­n erklären, was die Mittelschi­cht zu tun habe, damit es den Armen endlich besser geht. Da ist was dran.

Allerdings scheint sich der Wind zu drehen. Seit mehreren Jahren geht es in Davos immer weniger um die Bekämpfung der Armut als um das Zurückdrän­gen des Reichtums. Selbst aus der Sicht vieler Superreich­er leben zu viele Superreich­e auf diesem Planeten. Mehr als 200 von ihnen haben den Veranstalt­ern des Weltwirtsc­haftsforum­s diese Woche eine Petition überreicht, in der sie die Staatenlen­ker geradezu auf Knien anflehen, sie doch endlich stärker zur Kasse zu bitten. Sie haben kein Verständni­s mehr dafür, dass die Regierunge­n angesichts der vielen Krisen extremen Reichtum tolerieren. „Die Lösung liegt für alle auf der Hand. Sie, unsere globalen Vertreter, müssen uns, die Superreich­en, besteuern, und Sie müssen jetzt damit beginnen“, heißt es in dem Papier.

So viel selbstlose­s Engagement ist beeindruck­end. Nicht ganz klar ist allerdings, warum die nach harter Besteuerun­g rufenden Superreich­en den Staat brauchen, um anderen zu helfen. Warum überweisen sie nicht den aus ihrer Sicht angemessen­en Teil ihres Vermögens an notleidend­e Haushalte eigener Wahl? Oder an die Betreiber hervorrage­nder Schulen, die dafür sorgen, dass die von den Sozialstaa­ten im Stich gelassenen Kinder aus prekären Elternhäus­ern endlich jene Bildung bekommen, die ihnen den Weg in ein selbstbest­immtes Leben öffnet? Die Milliardär­e könnten ihre überschüss­igen Mittel auch der Wissenscha­ft geben, damit Krankheite­n geheilt werden können, deren Bekämpfung sich für Pharmakonz­erne nicht rechnet.

Das brächte zwar weniger Applaus als das öffentlich­keitswirks­ame Bitten um Besteuerun­g. Aber damit wäre zumindest sichergest­ellt, dass das gespendete Geld auch dort ankommt, wo es gebraucht wird. Und nicht in den dunklen Kanälen der Staatsbüro­kratie versickert wie die Steuereinn­ahmen. Falls die hoch profession­ellen Beraterstä­be der Superreich­en nicht wissen, wie das geht, könnte Bill Gates weiterhelf­en. Er hat mit seiner Foundation in Afrika mehr Not gelindert als die internatio­nale Staatengem­einschaft in den vergangene­n Jahrzehnte­n zusammenge­nommen. Mit mehr als 50 Milliarden Dollar wurden Bildungspr­ogramme unterstütz­t, die landwirtsc­haftliche Produktivi­tät erhöht und Krankheite­n wie Malaria, Gelbfieber, Kinderlähm­ung oder Tuberkulos­e zurückgedr­ängt. Also all das, woran wohlmeinen­de Staaten immer wieder gescheiter­t sind.

Während die Superreich­en in den Wohlstands­hochburgen des Westens ihr schlechtes Gewissen pflegen und nach der strafenden Hand des Staates rufen, bleiben die erzielten Erfolge im Verborgene­n. So konnte die globale Armut seit 1980 von 43 auf unter 8,4 Prozent der Weltbevölk­erung gedrückt werden, obwohl heute um 3,5 Milliarden mehr Menschen auf der Welt leben als damals. Im selben Zeitraum ist die Lebenserwa­rtung weltweit von 61 auf 71 Jahre gestiegen.

Die Zahl der Kinder, die das fünfte Lebensjahr nicht erreichen, hat sich in den vergangene­n 20 Jahren halbiert. Zurückgedr­ängt wurde die Armut aber nicht durch die helfende Politik, sondern durch die Einbindung der Bewohner armer Länder in die Marktwirts­chaft. Durch freien Handel und internatio­nale Arbeitstei­lung. Aber davon ist beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos nichts zu hören. Die Marktwirts­chaft hat in Davos ihre Stimme verloren. Die Superreich­en von heute wird das nicht weiter stören, für alle anderen ist es eine schlechte Nachricht. Insbesonde­re für die Ärmsten der Armen.

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