Recht auf eigenes Bild und Namen steht offenbar nicht allen zu
Ein Motorbootfahrer, ein Moderator, eine Meinungsforscherin, ein Schauspieler: 14 Jahre nach dem Fall Fritzl gibt es kein einheitliches medienrechtliches Vorgehen.
Vor fünf Jahren wunderte man sich, vor vier Jahren wieder, erst recht vor 15 Monaten und dieser Tage auch. Vielleicht nicht „man“, aber viele Medienkonsumenten. Worüber also?
Vor mehr als 14 Jahren löste die Entdeckung des Inzestverbrechens von Josef Fritzl österreichweit wochenlange Debatten darüber aus, ob man den Namen des mutmaßlichen Täters voll ausschreiben, sein Bild in den Medien zeigen darf, ob nur die Anfangsbuchstaben angebracht sind und so weiter und so fort. Der ORF und auch „Die Presse“hielten Instruktionsveranstaltungen ab, um im Fall des Niederösterreichers ja korrekt vorzugehen. Zehn Jahre später war von all dem am Wiener Boulevard nichts mehr zu merken. ORF-Moderator Roman Rafreider wurde mit Bild und vollem Namen nach der Anschuldigung von Gewaltanwendung in die Öffentlichkeit gezerrt.
Drei Jahre später fand auch der ORF medienrechtlich nichts dabei, Sabine Beinschab, jene Meinungsforscherin mit dem „Tool“zugunsten der ÖVP in der Zeitschrift „Österreich“, mit Bild und vollem Namen zu zeigen, sie bis zu ihrer Wohnungstür mit Kameras zu verfolgen.
Und jetzt stellt sich dieselbe Frage wie bei Roman Rafreider und Sabine Beinschab wieder im grässlichen Fall des Schauspielers Florian Teichtmeister und seines unsäglichen Vergehens auf. Um ja kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Nichts davon, nicht die Sucht, nicht die Lügen, nicht das Vertuschen sind irgendwie zu relativieren. Aber: Er ist noch nicht verurteilt. Auch Rafreider und Beinschab waren nicht verurteilt.
Die Frage aber, die viele Medienkonsumenten umtreiben dürfte: Wie konnte es sein, dass nach einem Motorbootunfall mit tödlichem Ausgang seit 2017 der Name des inzwischen rechtskräftig verurteilten Bootsführers unterdrückt wurde. Das führte auch nach der öffentlichen Gerichtsverhandlung
in Klagenfurt zu eigenartigen medialen Verrenkungen: Von einem Niederösterreicher war die Schreibe, von „einem 47-jährigen Manager“und Ähnlichem.
Bereits wenige Monate nach dem Unfall landete eine parlamentarische Anfrage auf dem Tisch des damaligen Innenministers, Wolfgang Sobotka. Die Grünen wollten wissen, ob die Berichte über eine angebliche „Ministerweisung“und Interventionen Sobotkas zugunsten seines „Freundes“, des Niederösterreichers, bezüglich Unterdrückung des Namens ihre Richtigkeit haben. Nach Berichten vom Herbst 2017 bestritten Innenministerium und Polizei, jede Ministerweisung und führten „behördliches Kommunikationsmissverständnis“ins Treffen.
In einer Reaktion auf Postings im „Standard“, in denen ebendiese Frage der Ungleichbehandlung im Fall des niederösterreichischen Managers alias Motorbootfahrers aufgeworfen worden ist, erklärt der Medienrechtler Alfred Noll den Unterschied: Er liege im Geständnis Teichtmeisters, wonach der Identitätsschutz gemäß Paragraf 7a Absatz 3 Ziffer 3 des Mediengesetzes erlischt. Hätte der Medienmanager also bei der Gerichtsverhandlung nicht versucht, dem getöteten Freund die Schuld am Unfall zuzuschieben, wäre sein Identitätsschutz erloschen?
Nach dem Fall Fritzl 2008 gab es wenigstens eine Debatte über eine medienrechtlich einwandfreie Vorgangsweise.
Laut Noll hätte man bis Mitte Juli 2020 den Namen sehr wohl nennen dürfen – bis er seine Fußfessel los war und die Strafe verbüßt hatte. Seither dürfe man es nicht mehr. Warum er bis Juli 2020 verschwiegen wurde, erklärt Anwalt Noll mit dem „wohlwollenden Schutz der Medien“.
Nach dem Horror im Fall Fritzl 2008 gab es wenigstens eine Debatte über eine medienrechtlich einwandfreie Vorgangsweise. Man sollte sie wieder aufnehmen. Vielleicht nicht „man“, aber wenigstens die Qualitätsmedien und der ORF.