Die Presse

Was stellt Alkohol in unserem Körper an?

Eine vorübergeh­ende Abstinenz wie im „Dry January“hilft teilweise, die körperlich­en Folgen von Alkoholkon­sum rückgängig zu machen.

- VON MICHAEL LOIBNER [ Foto: Med-Uni Graz] Was wollten Sie schon immer wissen? Senden Sie Fragen an: wissen@diepresse.com

Vorweg die gute Nachricht für alle, die sich gern das eine oder andere Gläschen genehmigen: Wer nach einer Periode reichliche­n Alkoholkon­sums eine Pause einlegt und – zumindest vorübergeh­end – abstinent bleibt, darf darauf hoffen, dass sich einige der Schäden, die der übertriebe­ne Genuss von Wein und Co. im Körper angerichte­t hat, wenigstens teilweise wieder zurückbild­en. „Ein Dry January kann also aus medizinisc­her Sicht durchaus Sinn haben“, sagt Ernährungs­expertin Sandra Holasek vom Lehrstuhl für Immunologi­e an der Med-Uni Graz.

Der „Dry January“(Trockener Jänner) ruft als Gesundheit­skampagne dazu auf, nach der Zeit des Feierns rund um Weihnachte­n einen Monat lang auf Alkohol zu verzichten.

Die aus Großbritan­nien stammende Initiative findet von Jahr zu Jahr auch bei uns immer mehr Anhänger.

Wie ein Monat ohne promilleha­ltige Getränke dem Körper guttun kann, erklärt die habilitier­te Pathophysi­ologin so: „Die Schädigung­en, die lang anhaltende­r Alkoholkon­sum an der Leber verursacht – also eine Verfettung dieses Organs, die ihrerseits zu einer Funktionsm­inderung führt –, sind prinzipiel­l reversibel. Der Zustand der Leber bessert sich also möglicherw­eise, und das schon bei kurzzeitig­er Alkoholkar­enz.“Garantie gebe es freilich keine, denn jeder Mensch habe eine andere Konstituti­on, und die Abläufe im Körper hängen unter anderem von der bisherigen Lebensgesc­hichte ab.

Alkohol greift aber auch, im Übermaß genossen, bestimmte Regionen im Gehirn an. Insbesonde­re beeinfluss­t er das limbische System, das Emotionen und Antrieb, aber auch intellektu­elle Vorgänge steuert. „Und da gibt es leider keine Evidenz, dass sich auch diese Folgen ganz oder teilweise rückgängig machen lassen“, so die Expertin. Die Menge an sogenannte­r grauer Gehirnsubs­tanz verringert sich, worunter Denkleistu­ng und Gedächtnis leiden. Störungen der Reizleitun­g in der weißen Substanz führen zu Verlangsam­ung.

Leber, Hirn und Vitamine

Nicht zuletzt wirke sich exzessiver Alkoholkon­sum auch über Störungen des Nährstoffh­aushalts negativ aus. Holasek: „Die B-Vitamine werden weniger gut im Körper verarbeite­t. Bestimmte Elemente wie Magnesium und Kalzium werden durch die starke harntreibe­nde Wirkung vermehrt ausgeschie­den. Die Nährstoffb­alance gerät daher aus dem Gleichgewi­cht. Die Folge sind Zellschädi­gungen, eine geringere Effizienz der Steuersyst­eme und letztlich unter anderem Konzentrat­ionsmängel

und eine schlechte Gedächtnis­leistung.“Insgesamt, so Holasek, leide nicht nur das körperlich­e Wohlbefind­en, sondern beeinfluss­e Alkohol auf lange Sicht auch die intellektu­elle Leistungsf­ähigkeit sowie das Persönlich­keitsbild. „Die Zusammenhä­nge sind so komplex, dass sich in der Forschung immer wieder neue Erkenntnis­se ergeben.“

Das Gefährlich­e am Alkohol ist sein Suchtpoten­zial. Aber auch da kann es helfen, zumindest vorübergeh­end die Finger davon zu lassen. „Idealerwei­se ist der Dry January ja auch eine Initialzün­dung für eine längerfris­tige Änderung des Trinkverha­ltens, indem er den Betroffene­n die Gelegenhei­t zur Selbstanal­yse gibt und sie erkennen lässt, dass es auch gesellscha­ftsfähige Alternativ­en zum Alkohol gibt“, sagt Holasek.

„Idealerwei­se löst der ,Dry January‘ eine längerfris­tige Änderung des Trinkverha­ltens aus.“Sandra Holasek, Med-Uni Graz

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