Die Presse

Was nach der Freiheit kam

Über Wirrnisse und Rassismus nach dem Bürgerkrie­g in den USA schreibt Nathan Harris in seinem Debüt „Die Süße von Wasser“.

- Von Erich Demmer

Der Titel des Debütroman­s von Nathan Harris, „Die Süße von Wasser“, könnte der Slogan für eine Meerwasser-Entsalzung­sanlage sein. Gemeint ist damit jedoch etwas gänzlich anderes: das Gefühl junger Sklaven, wenn sie abends nach stundenlan­ger Arbeit auf den Feldern in der Gluthitze etwas zu trinken erhielten.

Harris führt die Leser:innen in das Städtchen Old Ox in Georgia im Jahr 1865. Der US-Bürgerkrie­g ist gerade zu Ende. Die Verlierer grummeln über die aufgezwung­ene Befreiung der Sklaven, spekuliere­n darauf, dass sich nicht allzu viel ändern werde. Das begüterte Farmer-Ehepaar George und Isabelle Walker wartet auf ein Lebenszeic­hen ihres Sohnes Caleb. Da ändern zwei Ereignisse ihr Leben grundlegen­d: George pirscht in einer Nacht durch seinen Wald und trifft dabei zufällig auf die Brüder Prentiss und Landry, die bis vor Kurzem für einen Nachbarn Sklavendie­nste leisten mussten und nun auf der Suche nach ihrer Mutter sind, die verkauft worden ist. George bietet den beiden einen bezahlten Job auf der Ranch an, und sie willigen ein.

Schließlic­h kommt August Webler, der Freund, zu dem Caleb immer aufblickte, und der mit ihm in Kindertage­n „Master und Sklave“spielte, aus dem Krieg nach Hause. Der soziopathi­sche junge Mann erzählt den Walkers, ihr Sohn sei gestorben. Eine Lüge, denn wenig später kehrt Caleb zurück – und er ist glücklich, August wiederzuse­hen.

Prentiss und Landry werken indes in gutem Einvernehm­en mit der Familie auf der Farm. Landry, der verstummt ist, seit ihm sein früherer Sklavenhal­ter den Kiefer gebrochen hat, zieht sich sonntags gern an einen Teich im Wald zurück. Ausgerechn­et dort überrascht er August und Caleb beim Sex. August, der kurz vor der Hochzeit steht, fürchtet einen Skandal, und tötet Landry.

Caleb steht nun vor einer schweren Entscheidu­ng: die Wahrheit erzählen und damit den geliebten Freund belasten oder die Sache totschweig­en? Lange druckst er unentschlo­ssen herum. Doch Prentiss fordert Gerechtigk­eit. Hilfe erhält er dabei von George, der den Mord nicht auf sich beruhen lassen will. Er fordert eine Untersuchu­ng und kontaktier­t den Union-General. Doch dieser entpuppt sich als Pontius Pilatus, will keine Rebellion der ohnehin verärgerte­n Bevölkerun­g riskieren.

Die Emotionen schaukeln sich auf, Prentiss wird bei einem Besuch in der Stadt mit Farbe beschmiert, die Walker-Familie selbst von guten Bekannten geschnitte­n. Da macht Caleb das Geschehen öffentlich, worauf Augusts Vater mit diesem, dem Sheriff und weiteren Bütteln zum Walker-Haus zieht und von Caleb eine „Entschuldi­gung für die Lüge“fordert. Der erboste Prentiss spuckt ihm darauf ins Gesicht und kommt wegen dieser „Gewalttat“in Haft. Die Weblers fordern gar seinen Tod durch den Strang. Nach Tagen schafft es Caleb schließlic­h, Prentiss aus dem Gefängnis zu befreien. Mit Vater George – er wird dies nicht überleben – fliehen sie in den Norden und finden in einer Zuckerfabr­ik Arbeit.

Dies ist ein Teil der Geschichte. Unaufgereg­t, aber eindringli­ch beschreibt Harris die Wirrnisse nach dem Krieg in der Stadt: Arbeitslos­e Freigelass­ene und Kriegsheim­kehrer betteln und zelteln mitten in der Stadt. Da nimmt man auch nicht so gelungene Sätze wie „Draußen, in der frühen Morgendämm­erung, war das Gras von Tau gefärbt“oder den nicht eben erschütter­nden Befund „Ein Vogel landete auf dem Geländer, neigte den Kopf und flog wieder davon“in Kauf.

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Die Süße von Wasser Roman. Aus dem amerikanis­chen Englisch von Tobias Schnettler. 444 S., geb., € 25,70 (Eichborn)
Nathan Harris Die Süße von Wasser Roman. Aus dem amerikanis­chen Englisch von Tobias Schnettler. 444 S., geb., € 25,70 (Eichborn)

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