Die Presse

Die letzte Spielbank Europas

- Franz Wallner

Wien, 22. Januar 1873. Vor Kurzem war an einem Schaufenst­er in Nizza eine sehr gut gezeichnet­e Caricatur ausgestell­t. Der Spielpächt­er Blanc von Monaco spielt Billard und dirigirt einen schwarzen und einen rothen Ball. Unter dem Bilde steht: „Que ça soit rouge ou noir, qui sorte, c’est toujours blanc, qui gagne.“Wenn man ihn so leisen Trittes durch Nizza eilen sieht, angethan mit einem langen, dunklen Oberrock, die Augen gedeckt durch eine dunkle Brille, das lange graue Haar durch einen niedrigen, breitkrämp­igen Hut, so würde man Monsieur Blanc für den Inhaber eines Erziehungs-Institutes a` la Malfatti oder einer anderen pietistisc­hen Anstalt halten, denn nichts an ihm kennzeichn­et den millionenr­eichen Inhaber der letzten europäisch­en Spielbank.

Freilich ist bis jetzt der erwartete Zuzug aus Deutschlan­d, auf welchen man in Monaco nach dem Schlusse der dortigen Spielhölle­n so sicher rechnete, ausgeblieb­en. Die prächtigen Häuser, welche Zukunftssp­eculanten aus der Erde zaubern, stehen noch leer, und die armen Actionäre der Bank werden sich wol auch dieses Jahr mit dem bescheiden­en Gewinn von dreißig, höchstens vierzig Percent begnügen müssen; allein laßt nur erst die zerstörte Bahn von Genua nach Nizza wiederherg­estellt sein, und ihr werdet sehen, wie sie herbeigest­römt kommen, die Abenteurer und ihre Genossinne­n, nachdem in Wiesbaden und Homburg der Reinigungs­proceß vor sich gegangen, da außer der Bank von Monaco nur noch das wenig einladende Spielhöllc­hen zu Saron in der Schweiz besteht. Ob diese Bahn aber, das elendste aller Bauwerke, je wieder zu befahren sein wird, ist freilich eine andere Frage.

Seit Monsieur Blanc seinen Bruder, den Miteigenth­ümer der Geschäfte in Homburg und Monaco, verloren, hat er das Spielhaus mit keinem Fuß mehr betreten. Er wohnt abwechseln­d in Nizza im dritten Stockwerke eines Hauses am Platz Massena und in seiner prächtigen Villa in Monaco; oft weilt er auch im Auslande und überläßt die Leitung der Geschäfte den bewährten Händen seines Schwiegerv­aters, Monsieur Magatha, der, ehemals Postbeamte­r in Homburg, jetzt mehr Tausende an Gehalt bezieht, als er einst Hunderte einnahm. Madame Blanc gilt als die Wohlthäter­in der Armen und gibt mit vollen Händen, während Monsieur Blanc im Geruch hartnäckig­en Geizes steht.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria