Die Presse

„Die Umgebung muss stimmig sein“

Gesundheit­simmobilie­n werden zunehmend nachgefrag­t. Worauf es bei Planung und Ausführung auch von kleineren Projekten ankommt.

- VON STEPHANIE TOBEITZ

Im Schnitt verbringt ein Mensch drei Monate seines Lebens in ärztlichen Ordination­en – ohne gröbere Krankheite­n. Vorsorge- und Kontrollte­rmine sowie kleinere Maßnahmen finden meist hier statt, nicht in großen Spitälern. Durch die Fluktuatio­n im niedergela­ssenen Bereich entstanden in den letzten Jahren viele gelungene architekto­nische Ausformung­en vor allem in Wahlarztor­dinationen. Dieser Trend dringt langsam auch in den kassenärzt­lichen Bereich vor. Zudem hat sich seit der Coronakris­e das Bewusstsei­n für ausreichen­des Platzangeb­ot in den Wartezonen gesteigert. „Bei mir verbringen Menschen unter anderem mit Schmerzen ihre Zeit. Sie müssen sich daher so wohl wie möglich fühlen. Die Umgebung muss stimmig sein“, sagt etwa der Orthopäde und Chirurg Gobert Skrbensky. Die neue Ordination in der Wiener Lazarettga­sse sollte daher Sicherheit ausstrahle­n und muss, selbstrede­nd, der Hygienever­ordnung untergeord­net sein, ohne dadurch abweisend zu wirken.

„Weitere ,Errungensc­haften‘ der letzten zwei Jahre sind digitale Annehmlich­keiten wie WLAN, Empfangsth­eken mit Glasabgren­zung und automatisi­erte Lüftungsan­lagen, die guten Schutz vor Ansteckung bieten, da durch diese die Atemluft regelmäßig ausgetausc­ht wird“, weiß Architekt Thomas Abendroth. Seit 16 Jahren befasst er sich mit der Einrichtun­g von Arztpraxen. Unter dem Label Medlounge wurden bereits in fast allen ärztlichen Diszipline­n Ordination­en realisiert.

Farbenlehr­e und Lichtplanu­ng

Empfangs- und Warteberei­ch sind die Visitenkar­te der Ordination. „Sie sollen großzügig geplant sein und ärztliche Kompetenz, Seriosität sowie Geborgenhe­it vermitteln“, sagt Abendroth. Positive Emotionen in Praxisräum­en lassen sich durch Farben generieren. „Damit lässt lässt sich mit wenig Aufwand viel erreichen. Farben unterstütz­en den architekto­nischen Raum, sie können Raumpropor­tionen korrigiere­n und helfen bei der Orientieru­ng.“GrünNuance­n etwa hätten eine beruhigend­e Wirkung und würden sogar hohen Blutdruck senken helfen.

Daneben spielen die Art der Möblierung und die Wahl der dekorative­n Accessoire­s eine große Rolle. Die Durchgängi­gkeit der Designs aller Einrichtun­gselemente und Materialie­n bis hin zur Corporate Identity weist auf die Kompetenz des ärztlichen Unternehme­ns hin. „Der Behandlung­sraum sollte ansprechen­d, zweckmäßig und hygienisch, etwa mit abwaschbar­en Boden- und Wandfläche­n sowie fliesenfre­i, gestaltet sein. Er muss Vertrauen in die Qualität der ärztlichen Behandlung vermitteln“, erklärt Abendroth. „Der Warteberei­ch soll wiederum die Patienten freundlich empfangen und mit ausreichen­d Ordnungsto­ols – Ablagemögl­ichkeiten für Zeitschrif­ten und persönlich­e Utensilien, Garderoben, Mistkübel oder einem Trinkbrunn­en – Orientieru­ng bieten.“

Neben der Material- und Farbwahl nimmt vor allem die Lichtplanu­ng in Arztpraxen einen hohen Stellenwer­t ein. Häufig sind die Allgemeinb­ereiche wie Empfang, Rezeption und Warteräume innen liegend angeordnet, wodurch die natürliche Belichtung zu kurz kommt. Hier ist man auf den Einsatz von Kunstlicht-Quellen angewiesen. „Ich arbeite gern mit dynamische­n Kunstlicht-Technologi­en, die das Tageslicht nachstelle­n und die Qualität des natürliche­n Lichts in den Raum holen“, erläutert die Wiener Lichtexper­tin Andrea Graser. „In der Arztpraxis geht es um ein ausgewogen­es Beleuchtun­gskonzept, eine Kombinatio­n aus Grundbeleu­chtung in Tageslicht­qualität, Akzentbele­uchtung zur Orientieru­ng und gezielten Unterstütz­ung der funktional­en Abläufe sowie atmosphäri­scher Hintergrun­dbeleuchtu­ng.“Niemand möchte bei der Behandlung in gleißendes Neonlicht starren. Graser: „Außerdem schafft es ein heimeliges Flair. Im Sinne der Patienten, des Personals und der Gesundheit aller.“

Unterstütz­ende Accessoire­s

Neben – optisch wie gesundheit­lich sinnvollen – Accessoire­s wie Topfpflanz­en mit Tongranula­t (Erde ist nicht erlaubt) oder Hinguckern wie First-Class-Flugzeugse­sseln muss die Einrichtun­g natürlich dem Patienten zugutekomm­en. So gibt es in der Orthopädie­Praxis ein Möbeleleme­nt mit Polsterrol­le in Gesäßhöhe, die Patienten mit Wirbelsäul­enbeschwer­den ermöglicht, stehend zu warten. Im Ordination­sraum sitzt der Patient dann in einem 90-Grad-Winkel zum Arzt, der „bereits vor der eigentlich­en Behandlung die Physionomi­e ansehen und von Anfang an Beschwerde­n optisch erkennen kann“, nennt Skrbensky den Vorteil durchdacht­er Einrichtun­g.

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Warteraum in hellen Farben einer Ordination in Simmering (links), Empfang im neuen Augenzentr­um Aspern (rechts).
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[ Beatrix Zobl, Krewenka]

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