„Die Umgebung muss stimmig sein“
Gesundheitsimmobilien werden zunehmend nachgefragt. Worauf es bei Planung und Ausführung auch von kleineren Projekten ankommt.
Im Schnitt verbringt ein Mensch drei Monate seines Lebens in ärztlichen Ordinationen – ohne gröbere Krankheiten. Vorsorge- und Kontrolltermine sowie kleinere Maßnahmen finden meist hier statt, nicht in großen Spitälern. Durch die Fluktuation im niedergelassenen Bereich entstanden in den letzten Jahren viele gelungene architektonische Ausformungen vor allem in Wahlarztordinationen. Dieser Trend dringt langsam auch in den kassenärztlichen Bereich vor. Zudem hat sich seit der Coronakrise das Bewusstsein für ausreichendes Platzangebot in den Wartezonen gesteigert. „Bei mir verbringen Menschen unter anderem mit Schmerzen ihre Zeit. Sie müssen sich daher so wohl wie möglich fühlen. Die Umgebung muss stimmig sein“, sagt etwa der Orthopäde und Chirurg Gobert Skrbensky. Die neue Ordination in der Wiener Lazarettgasse sollte daher Sicherheit ausstrahlen und muss, selbstredend, der Hygieneverordnung untergeordnet sein, ohne dadurch abweisend zu wirken.
„Weitere ,Errungenschaften‘ der letzten zwei Jahre sind digitale Annehmlichkeiten wie WLAN, Empfangstheken mit Glasabgrenzung und automatisierte Lüftungsanlagen, die guten Schutz vor Ansteckung bieten, da durch diese die Atemluft regelmäßig ausgetauscht wird“, weiß Architekt Thomas Abendroth. Seit 16 Jahren befasst er sich mit der Einrichtung von Arztpraxen. Unter dem Label Medlounge wurden bereits in fast allen ärztlichen Disziplinen Ordinationen realisiert.
Farbenlehre und Lichtplanung
Empfangs- und Wartebereich sind die Visitenkarte der Ordination. „Sie sollen großzügig geplant sein und ärztliche Kompetenz, Seriosität sowie Geborgenheit vermitteln“, sagt Abendroth. Positive Emotionen in Praxisräumen lassen sich durch Farben generieren. „Damit lässt lässt sich mit wenig Aufwand viel erreichen. Farben unterstützen den architektonischen Raum, sie können Raumproportionen korrigieren und helfen bei der Orientierung.“GrünNuancen etwa hätten eine beruhigende Wirkung und würden sogar hohen Blutdruck senken helfen.
Daneben spielen die Art der Möblierung und die Wahl der dekorativen Accessoires eine große Rolle. Die Durchgängigkeit der Designs aller Einrichtungselemente und Materialien bis hin zur Corporate Identity weist auf die Kompetenz des ärztlichen Unternehmens hin. „Der Behandlungsraum sollte ansprechend, zweckmäßig und hygienisch, etwa mit abwaschbaren Boden- und Wandflächen sowie fliesenfrei, gestaltet sein. Er muss Vertrauen in die Qualität der ärztlichen Behandlung vermitteln“, erklärt Abendroth. „Der Wartebereich soll wiederum die Patienten freundlich empfangen und mit ausreichend Ordnungstools – Ablagemöglichkeiten für Zeitschriften und persönliche Utensilien, Garderoben, Mistkübel oder einem Trinkbrunnen – Orientierung bieten.“
Neben der Material- und Farbwahl nimmt vor allem die Lichtplanung in Arztpraxen einen hohen Stellenwert ein. Häufig sind die Allgemeinbereiche wie Empfang, Rezeption und Warteräume innen liegend angeordnet, wodurch die natürliche Belichtung zu kurz kommt. Hier ist man auf den Einsatz von Kunstlicht-Quellen angewiesen. „Ich arbeite gern mit dynamischen Kunstlicht-Technologien, die das Tageslicht nachstellen und die Qualität des natürlichen Lichts in den Raum holen“, erläutert die Wiener Lichtexpertin Andrea Graser. „In der Arztpraxis geht es um ein ausgewogenes Beleuchtungskonzept, eine Kombination aus Grundbeleuchtung in Tageslichtqualität, Akzentbeleuchtung zur Orientierung und gezielten Unterstützung der funktionalen Abläufe sowie atmosphärischer Hintergrundbeleuchtung.“Niemand möchte bei der Behandlung in gleißendes Neonlicht starren. Graser: „Außerdem schafft es ein heimeliges Flair. Im Sinne der Patienten, des Personals und der Gesundheit aller.“
Unterstützende Accessoires
Neben – optisch wie gesundheitlich sinnvollen – Accessoires wie Topfpflanzen mit Tongranulat (Erde ist nicht erlaubt) oder Hinguckern wie First-Class-Flugzeugsesseln muss die Einrichtung natürlich dem Patienten zugutekommen. So gibt es in der OrthopädiePraxis ein Möbelelement mit Polsterrolle in Gesäßhöhe, die Patienten mit Wirbelsäulenbeschwerden ermöglicht, stehend zu warten. Im Ordinationsraum sitzt der Patient dann in einem 90-Grad-Winkel zum Arzt, der „bereits vor der eigentlichen Behandlung die Physionomie ansehen und von Anfang an Beschwerden optisch erkennen kann“, nennt Skrbensky den Vorteil durchdachter Einrichtung.