„Ich will die Dinge selbst beeinflussen“
Das Wiener Neudorfer Unternehmen Aviloo entwickelte ein Testverfahren, mit dem sich die Leistungsfähigkeit von Batterien feststellen lässt: Marcus Berger ist dessen CEO.
Da hilft es nicht, den Gebrauchtwagen in Augenschein zu nehmen und ihn Probe zu fahren. Wie es um die Batterie eines E-Autos – immerhin dessen teuerste Einzelkomponente – tatsächlich steht, kann man so nicht erfahren. Unbefriedigend, fanden Wolfgang Berger und Nikolaus Mayerhofer, als sie ein gebrauchtes E-Auto kaufen wollten. 2017 war das. Also entwickelten sie – zunächst sprichwörtlich in einer Garage – ein Testverfahren, um herauszufinden, in welchem Zustand sich die Batterie befindet. 2021 brachte Aviloo die ersten Geräte für den State-of-Health-Test auf den österreichischen Markt. Mittlerweile sind die Geräte des 30-köpfigen Teams aus vornehmlich Elektronikern, Mechatronikern und Elektrotechnikern, das an seinem Sitz in Wiener Neudorf die benötigte Soft- und Hardware selbst entwickelt, auch in Deutschland im Einsatz. Das handtellergroße, rund 150 Gramm schwere Testgerät, das beispielsweise über den ÖAMTC ausgeliehen werden kann, sammelt Daten über die Kapazität und Leistungsfähigkeit der Batterie – egal ob sie in einem Fahrzeug, Frachtschiff, Flugzeug oder einem stationären Speicher in der Industrie oder im Haushalt verbaut ist. Und gibt damit Auskunft über den Wert der Batterie.
„Heute sind wir in einer Übergangsphase vom Start-up zu einem etabliertem Unternehmen“, sagt Marcus Berger, Wolfgangs Bruder. „Wir haben viele Start-up-Themen hinter uns gelassen, leben aber noch immer den Start-up-Spirit.“Unter diesem Geist versteht er die flache Hierarchie. Außerdem, dass „jede und jeder Ideen einbringen darf und soll, die Fähigkeit, schnell zu entscheiden“und über den Weg von Trial and Error zu guten Ergebnissen zu kommen. Das – nämlich Fehler bewusst in Kauf zu nehmen und daraus zu lernen – unterscheide Start-ups von etablierten Unternehmen: Letztere seien sehr prozessorientiert – nur keinen Fehler machen, laute dort meist die Devise.
Marcus Berger selbst kam 2019 zu Aviloo. Er hatte als promovierter Wirtschaftswissenschaftler seine Laufbahn als Auditor bei KPMG gestartet und rasch erkannt: „Ich will nicht Berater werden. Ich will die Dinge selbst beeinflussen – und nicht prüfen.“Also wechselte er in den Immobilienbereich und lebte ein „dynamisches Leben“: zunächst zur Bank Austria, später als einer der ersten Mitarbeiter zur Akron Group und danach, auf C-Level angekommen, zu EHL, CBRE und Planet Home. Ehe er bei Aviloo Miteigentümer, Chief Operations und Chief Finance Officer und im Vorjahr CEO wurde.
Auch dass zwischen seiner Arbeit im Immobilien- und Automotive-Sektor ein Burn-out liegt, verschweigt er nicht: „Das war eine Zäsur, mit der ich nicht gerechnet habe. Auch nicht damit, dass es mich treffen kann.“Er überwand die Krise und wusste: „Ich will nicht zurück ins Konzernleben.“
Ob Konzern oder KMU – in den nächsten fünf bis sieben Jahren will Aviloo von 30 auf 200 Mitarbeitende wachsen – die Herausforderungen als Führungskraft seien ähnlich, sagt Berger. Da wie dort gehe es darum, sicherzustellen, dass die Mitarbeitenden motiviert sind, ihnen ein Umfeld zu schaffen, in dem sie sich wohlfühlen. Denn, sagt er: „Du kannst als Geschäftsführer allein keine Umsätze generieren.“Es gehe darum, die richtigen Mitarbeitenden zu finden, sie zu halten, ihnen Möglichkeiten zu geben, sich zu entfalten, aber auch herauszufinden, wer nicht zum Unternehmen passt.
Führung muss man lernen
Führung, sagt der 47-Jährige, habe sich stark verändert. Selbst noch als er ins Berufsleben einstieg, war Führung direktiver. Heute ist sie partizipativer. Man sei Primus inter Pares, doch der Respekt vor der bloßen Funktion sei weggefallen. „Respekt muss man sich durch Einfühlung, Bemühen, Sozialkompetenz und Know-how erarbeiten.“Führen, sagt Berger, sei eine Fähigkeit, die gelernt werden könne und müsse. Entsprechend sollten „Führungsaufgaben nicht als Belohnung übertragen werden“, weil man der beste Techniker, Verkäufer etc. sei.