Machtlos gegen die amerikanische Epidemie der Waffengewalt
Nach gleich zwei Blutbädern innerhalb dreier Tage hatte Kalifornien am Dienstagmorgen 19 Tote zu beklagen. Trotz sinkender Kriminalitätsraten in den USA nimmt die Zahl von Schusswaffendelikten zu. Restriktionen – wie Kalifornien sie will – scheitern häufi
New York/Monterey Park. „Im Spital, um Opfer eines Schusswaffenangriffs zu treffen, als ich zur Seite genommen werde, um über einen neuen Schusswaffenangriff gebrieft zu werden.“Gouverneur Gavin Newsom schreibt sich seine Wut auf Twitter von der Seele. „Tragöde nach Tragödie.“
Sein Bundesstaat, Kalifornien, hat innerhalb dreier Tage zwei große solcher Massaker miterleben müssen. Einmal am späten Samstagabend, dem Tag vor dem asiatischen Mond-Neujahrsfest, als der 72-jährige Huu Can Tran 42 Runden aus einer halbautomatischen Pistole im „Star Ballroom“-Tanzstudio in Monterey Park loslässt. Er tötet neun Menschen, ehe er sich in bei einem Aufeinandertreffen mit der Polizei am nächsten Tag selbst tötet. Am Montag steigt dann der 67-jährige Chunli Z. in seinen Wagen, um zuerst auf einer, dann auf einer zweiten Farm in Half Moon Bay auf Arbeiter zu schießen. Sieben Menschen tötet er, dann stellt er sich der Polizei.
Migranten als Ziele?
Beide Angriffe galten, glaubt man ersten Polizei- und Medienberichten, eng gestrickten Migrantengemeinschaften. Tran lebte in Monterey Park, einem Vorort von Los Angeles – der ersten Enklave der USA mit Einwohner mehrheitlich asiatischer Herkunft; er selber stammte aus China oder Vietnam, in den frühen 1990er-Jahren wurde er US-Amerikaner. In der Vergangenheit hatte er im „Star Ballroom“selber Tanzstunden gegeben und war ansonsten regelmäßig Gast: Am Samstagabend fand dort ein Neujahrscountdown statt.
Half Moon Bay, ein Küstenort südlich von San Francisco, ist hingegen Teil einer der historisch größten landwirtschaftlichen Regionen der USA, viele Migranten – teils undokumentiert – leben und arbeiten in der Gegend. So auch Z. Seine Opfer waren seine chinesisch-amerikanischen Arbeitskollegen. „Unsere Herzen sind aus unserer Brust gerissen worden“, sagte Bürgermeisterin Deborah Penrose.
Gerichte blocken Verschärfung
Die Attacken kommen mit traurigen Rekorden. Wieder einmal. Der Angriff in Monterey Park war der schwerste, den der Bezirk Los Angeles jemals erleben musste. Tran ist in der US-Geschichte der zweitälteste Angreifer bei einem solchen Massaker.
Die Reaktionen sind die üblichen. Schock, Trauer, Wut. Forderungen nach einem Verkaufsverbot für Sturmfeuergewehre. Unter anderem von Präsident Joe Biden, der am Montag, nach dem Angriff auf das Tanzstudio in Monterey Park, eine Behandlung eines solchen im US-Senat in Aussicht stellte. Nur kurz darauf kamen die Neuigkeiten aus Half Moon Bay.
Bidens Plan ist eine Wiedereinsetzung eines Verbots 19 bestimmter Schusswaffen, das 1994 – damals von ihm als Senator – umgesetzt wurde. 2004 lief es aus. Eine Studie der New York University aus dem Jahr 2019 zeigt, dass das Verbot die Häufigkeit von Schusswaffenangriffen drastisch reduzierte. Gegenwind kommt von den Republikanern – und der Schusswaffenlobby, der National Rifle Association. Beinahe nach jedem Massaker versuchten die Demokraten, das Verbot wieder einzuführen; sie scheiterten stets. Die Maßnahme liegt nun wieder im Senat vor. Die Schusswaffenepidemie droht, sich zu normalisieren.
Tatsächlich hat Kalifornien – ein demokratischer Bundesstaat – verhältnismäßig strenge Waffenregeln. Es gibt verpflichtende Warteperioden, Hintergrundprüfungen. Kalifornien hat die siebtkleinste Todesrate der USA bei Waffengewalt. 2022 hätte der Staat eine weitere Verschärfung eingeführt: eine strengere Verfolgung für illegale Waffenhändler. Ein Gericht stoppte das Vorhaben. Das höchste Gericht der USA, der Supreme Court, hat Staaten mit Restriktionen die Arbeit zusätzlich erschwert: Bürger hätten das in Verfassung verbriefte Recht, Waffen verdeckt zu tragen. Das widerspricht Regelungen etwa in New York, und auch in Kalifornien. Bewerbungen für die Erlaubnis gingen dort nach dem Entscheid durch die Decke.