Der Bundesrat-Krimi: Koalition dürfte die Mehrheit verlieren
Die Niederösterreich-Wahl verschiebt vermutlich die Kräfteverhältnisse in der Länderkammer. Aber es folgen bald noch weitere Akte.
Wien. Böse Zungen meinen, es gebe Spannenderes als den Bundesrat. Doch die Frage, ob die Koalition oder die Opposition in der zweiten Parlamentskammer den Ton angibt, wird in den nächsten Monaten spannend. Zwar kann der Bundesrat die meisten Gesetze nicht aufhalten, aber verzögern, indem er sie z. B. acht Wochen liegen lässt. Aber auch das kann für eine Regierung unangenehm sein und dafür sorgen, dass die Koalition die Opposition einbinden muss.
Folge der niederösterreichischen Landtagswahl am Sonntag dürfte sein, dass danach die Opposition die Mehrheit im Bundesrat hält. Dann stehen aber noch Landtagswahlen in Kärnten (März) und Salzburg (April) an. Und danach dürfte es sogar zu einer Mandatsverschiebung ohne Wahlen kommen. Wer aber wird dann die Mehrheit im Bundesrat haben?
Die Ausgangssituation
Das Land mit den meisten (österreichischen) Einwohnern stellt im Bundesrat immer zwölf Mandatare. Und dies ist Niederösterreich, weswegen sich die dortige Wahl am stärksten auf den Bundesrat auswirkt. Die anderen Länder erhalten so viele Abgeordnete, wie es dem Einwohnerverhältnis zu Niederösterreich entspricht. Aber immer mindestens drei, diese Zahl an Mandataren stellen das Burgenland und Vorarlberg.
Jede Landtagswahl kann das Kräfteverhältnis im Bundesrat erneut verschieben. In der Praxis wird dort aber selten nach regionaler, sondern vielmehr nach parteipolitischer Herkunft abgestimmt. Deswegen hält die Koalition aktuell im 61-köpfigen Bundesrat eine hauchdünne Mehrheit von 31 Mandataren (26 ÖVP, 5 Grüne) gegenüber 30 der Opposition (19 SPÖ, 10 FPÖ, 1 Neos).
Erster Akt: Niederösterreich
Die ÖVP muss laut Umfragen mit Verlusten im zweistelligen Prozentbereich rechnen, die Freiheitlichen dürfen mit hohen Gewinnen rechnen. Das Prozentergebnis wirkt sich aber nur indirekt auf den Bundesrat aus, denn für diesen ist die Anzahl der Mitglieder einer Partei im Landtag relevant. Treten die Prognosen ein, würde die ÖVP aber jedenfalls eines ihrer aktuell sieben niederösterreichischen BundesratMandate an die FPÖ verlieren. Die FPÖ hat momentan nur zwei Bundesratsmandate aus Niederösterreich inne, die SPÖ drei, andere Fraktionen gar keines.
Die ÖVP könnte auch noch ein zweites Bundesratsmandat verlieren. Es dürfte an die Neos gehen, falls die Pinken ein viertes Mandat im Landtag schaffen. Das ist laut Umfragen möglich, aber nicht sicher. Sollten die Neos dieses Wahlziel nicht schaffen, sind mehrere Szenarien denkbar. Das zweite wackelige Bundesratsmandat könnte je nach Ergebnis (auch) an die FPÖ wandern, oder an die SPÖ, oder eventuell sogar noch bei der ÖVP bleiben. Bereits der Verlust eines Bundesratsmandats der ÖVP würde aber dazu führen, dass die Opposition nach der Niederösterreich-Wahl eine knappe Mehrheit in der Länderkammer hätte.
Zweiter Akt: Kärnten
Kärnten stellt nur vier Mandatare im Bundesrat (3 SPÖ, 1 FPÖ). Das dritte SPÖ-Mandat würde wackeln, falls die Landeshauptmannpartei diesmal weniger gut abschneidet. Nutznießer könnte die ÖVP sein. Um ein Bundesratsmandat zu erhalten, müsste sie mehr als ein Drittel der SPÖ-Landtagsmandate bzw. SPÖ-Stimmen erreichen. Momentan hat die ÖVP nur ein Drittel der SPÖ-Mandate im Landtag (6:18). Schneidet aber die FPÖ besonders stark ab und doppelt so gut wie die ÖVP, könnte sie der SPÖ ein Bundesratsmandat abluchsen. Dann bliebe dieses quasi in den Händen der Opposition.
Dritter Akt: Salzburg
Auch Salzburg stellt nur vier Mandatare in der Länderkammer (2 ÖVP, 1 SPÖ, 1 FPÖ). Dort ist aber keines der Bundesratsmandate wackelig. Für Veränderungen bräuchte es größere Umwälzungen, und die sind nicht zu erwarten.
Vierter Akt: Die Volkszählung
Eine weitere Verschiebung dürfte aus ganz anderem Grund erfolgen: infolge einer Volkszählung, die bereits zum Stichtag 31. 10. 2021 stattfand. Genaugenommen handelt es sich um eine Registerzählung, bei der in erster Linie die Meldedaten ausgewertet werden.
Während in Wien die Zahl der Ausländer stieg, sank die der Inländer, weswegen die Hauptstadt künftig nur zehn statt wie bisher elf Mandate in der Länderkammer haben dürfte. Damit das Ergebnis der Registerzählung Folgen hat, muss dieses aber von den Experten noch überprüft und danach vom Innenminister kundgemacht werden. Zur Frage, wann das nun passiert, haben die Wiener Bundesrat-Mandatare Sascha Obrecht (SPÖ) und Karl-Arthur Arlamovsky (Neos) bereits eine parlamentarische Anfrage an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) eingebracht. Die Antwort ist noch ausständig. Als realistisch gilt eine Veröffentlichung am Ende des zweiten Quartals.
Ist die Registerzählung einmal kundgemacht, müsste der Bundespräsident darauf fußend die Bundesratsmandate neu festlegen. Das wackeligste Wiener Mandat hält die FPÖ. Sie – und damit die Opposition – würde also einen Sitz im dann nur noch 60-köpfigen Bundesrat verlieren. Doch bereits Gleichstand in der Länderkammer zwischen Koalition und Opposition bedeutet, dass Letztere Gesetzesvorhaben verzögern kann.