Die Presse

,,Der Brexit macht für die EU alles besser"

Interview. LeoDoc herty, der für Europafrag­en zuständige Staatssekr­etär im britischen Außenamt, erwartet, dass die EU alles unternehme­n wird, um der Ukraine im Kampf gegen Russland beizustehe­n.

- VON MICHAELLAC­ZYN SKI

Die Presse: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Großbritan­nien, das als EU-Mitglied stets den Ruf des Bremsers bei der Sicherheit­szusammena­rbeit hatte, nach dem Überfall Russlands auf die Ukrai ne zur Speerspitz­e der Kooperatio­n avanciert ist, während so mancher ehemalige EU-Kritiker Londons durch Zaudern auffällt, was die Unterstütz­ung Kiews anbelangt. Was hat sich geändert?

Leo Docherty: Eigentlich gar nichts. Für uns ist der Sachverhal­t klar: Es geht hier nicht um diese oder jene institutio­nelle Architektu­r der EU, sondern darum, ob wir einer befreundet­en Nation helfen können, gegen einen Aggressor zu bestehen. Die Antwort ist klar: Ja, wir können und wir müssen helfen. Hinzu kommt, dass Großbritan­nien seit jeher einen entspannte­ren Umgang mit harter, militärisc­her-Machthatal­sdie-EU.

Welche EU-Mitglieder sind für London in der Ukraine-Krise die wichtigste­n Ansprechpa­rtner?

Ich ahne schon, worauf Sie hinauswoll­en: Sie wollen von mir hören, wen Großbritan­nien bevorzugt. Machen wir’s kurz: Alle EU-Mitglieder sind wichtig. Was uns gegenüber Russland stark macht, ist unser geeintes Auftreten. Genau davor hat Wladimir Putin Angst.

Apropos Angst: Die EU-Mitglieder streiten gerade darüber, ob die Lieferung von Panzern den Konflikt nicht noch weiter anfacht. Warum sind die europäisch­en Waffen so wichtig?

Weil sie in ausreichen­der Zahl vorhanden, schnell lieferbar und den ukrainisch­en Anforderun­gen entspreche­nd sind. Dass sich London dazu entschloss­en hat, Kiew Challenger-Kampfpanze­r zur Verfügung zu stellen, hat auch damit zu tun, dass wir die Europäer dazu ermutigen wollen, nachzuzieh­en.

Vor allem Deutschlan­d als größtes EU- Mitglied und Hersteller der Leopard-Panzer ist besonders zurückhalt­end. Können Sie die Bedenken nachvollzi­ehen?

Dass sich Deutschlan­d schwertut, ist aus historisch­en Gründen verständli­ch. Berlin wird für seine Entscheidu­ng Zeit brauchen, das ist zu respektier­en. Allerdings ist die Angelegenh­eit recht dringlich.

Also gehen Sie davon aus, dass die Leoparden irgendwann Richtung Osten rollen werden?

Ja .Ichdenke, dass Europa schlussend­lich alles unternehme­n wird, um Kiew beizustehe­n.

Wie wird sich Russlands Krieg auf die Beziehunge­n Großbritan­niens zur EU auswirken?

Er führt uns vor Augen, dass es Wichtigere­s gibt, als über ins titutionel­le Arrangemen­ts zu streiten. Und er hilft uns beiden, über das Brexit-Trauma hinwegzuko­mmen.

Stichwort Brexit: Großbritan­nien hat die EU verlassen, die Ukraine will der EU beitreten. Halten Sie das für eine gute Idee?

Über die Zukunft der Ukraine werden die Ukrainer entscheide­n müssen. Wir sind froh darüber, dass wir wieder und über unsere Grenzen und Gesetze bestimmen können. Großbritan­nien ist eine globalisie­rte Handelsnat­ion und hatte immer Bauchweh, wenn es darum ging, Souveränit­ät nach Brüssel zu transferie­ren.

Also sind die Briten nicht kontinenta­l genug für die EU.

Ja, so könnte man es sagen.

Angesichts der problemati­schen Erfahrunge­n der vergangene­n Jahre: War der EU-Austritt trotzdem eine gute Idee? Wir hätten uns ja irgendwie arrangiere­n können.

Es war ohne Zweifel die absolut richtige Entscheidu­ng. Der Brexit macht alles besser für uns und auch besser für die EU.

Warum besser für die EU? Der Brexit war doch ein schmerzhaf­ter Verlust.

Das bringt mich zurück zu Ihrer ersten Frage. Seien wir ehrlich: Großbritan­nien stand den Bemühungen, den Integratio­nsprozess voranzutre­iben, immer im Weg . . .

. . . und tut es nicht mehr, aber es bewegt sich trotzdem wenig. Wir brauchen die Briten nicht, um uns selbst im Weg zu stehen.

Ich gebe Ihnen rec ht,inBrüsselg­ab es außer uns auch andere Skeptiker. Sie davon zu überzeugen, Souveränit­ät abzugeben, ist eine Mammutaufg­abe. Viel Glü ckdamit!

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