,,Der Brexit macht für die EU alles besser"
Interview. LeoDoc herty, der für Europafragen zuständige Staatssekretär im britischen Außenamt, erwartet, dass die EU alles unternehmen wird, um der Ukraine im Kampf gegen Russland beizustehen.
Die Presse: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Großbritannien, das als EU-Mitglied stets den Ruf des Bremsers bei der Sicherheitszusammenarbeit hatte, nach dem Überfall Russlands auf die Ukrai ne zur Speerspitze der Kooperation avanciert ist, während so mancher ehemalige EU-Kritiker Londons durch Zaudern auffällt, was die Unterstützung Kiews anbelangt. Was hat sich geändert?
Leo Docherty: Eigentlich gar nichts. Für uns ist der Sachverhalt klar: Es geht hier nicht um diese oder jene institutionelle Architektur der EU, sondern darum, ob wir einer befreundeten Nation helfen können, gegen einen Aggressor zu bestehen. Die Antwort ist klar: Ja, wir können und wir müssen helfen. Hinzu kommt, dass Großbritannien seit jeher einen entspannteren Umgang mit harter, militärischer-Machthatalsdie-EU.
Welche EU-Mitglieder sind für London in der Ukraine-Krise die wichtigsten Ansprechpartner?
Ich ahne schon, worauf Sie hinauswollen: Sie wollen von mir hören, wen Großbritannien bevorzugt. Machen wir’s kurz: Alle EU-Mitglieder sind wichtig. Was uns gegenüber Russland stark macht, ist unser geeintes Auftreten. Genau davor hat Wladimir Putin Angst.
Apropos Angst: Die EU-Mitglieder streiten gerade darüber, ob die Lieferung von Panzern den Konflikt nicht noch weiter anfacht. Warum sind die europäischen Waffen so wichtig?
Weil sie in ausreichender Zahl vorhanden, schnell lieferbar und den ukrainischen Anforderungen entsprechend sind. Dass sich London dazu entschlossen hat, Kiew Challenger-Kampfpanzer zur Verfügung zu stellen, hat auch damit zu tun, dass wir die Europäer dazu ermutigen wollen, nachzuziehen.
Vor allem Deutschland als größtes EU- Mitglied und Hersteller der Leopard-Panzer ist besonders zurückhaltend. Können Sie die Bedenken nachvollziehen?
Dass sich Deutschland schwertut, ist aus historischen Gründen verständlich. Berlin wird für seine Entscheidung Zeit brauchen, das ist zu respektieren. Allerdings ist die Angelegenheit recht dringlich.
Also gehen Sie davon aus, dass die Leoparden irgendwann Richtung Osten rollen werden?
Ja .Ichdenke, dass Europa schlussendlich alles unternehmen wird, um Kiew beizustehen.
Wie wird sich Russlands Krieg auf die Beziehungen Großbritanniens zur EU auswirken?
Er führt uns vor Augen, dass es Wichtigeres gibt, als über ins titutionelle Arrangements zu streiten. Und er hilft uns beiden, über das Brexit-Trauma hinwegzukommen.
Stichwort Brexit: Großbritannien hat die EU verlassen, die Ukraine will der EU beitreten. Halten Sie das für eine gute Idee?
Über die Zukunft der Ukraine werden die Ukrainer entscheiden müssen. Wir sind froh darüber, dass wir wieder und über unsere Grenzen und Gesetze bestimmen können. Großbritannien ist eine globalisierte Handelsnation und hatte immer Bauchweh, wenn es darum ging, Souveränität nach Brüssel zu transferieren.
Also sind die Briten nicht kontinental genug für die EU.
Ja, so könnte man es sagen.
Angesichts der problematischen Erfahrungen der vergangenen Jahre: War der EU-Austritt trotzdem eine gute Idee? Wir hätten uns ja irgendwie arrangieren können.
Es war ohne Zweifel die absolut richtige Entscheidung. Der Brexit macht alles besser für uns und auch besser für die EU.
Warum besser für die EU? Der Brexit war doch ein schmerzhafter Verlust.
Das bringt mich zurück zu Ihrer ersten Frage. Seien wir ehrlich: Großbritannien stand den Bemühungen, den Integrationsprozess voranzutreiben, immer im Weg . . .
. . . und tut es nicht mehr, aber es bewegt sich trotzdem wenig. Wir brauchen die Briten nicht, um uns selbst im Weg zu stehen.
Ich gebe Ihnen rec ht,inBrüsselgab es außer uns auch andere Skeptiker. Sie davon zu überzeugen, Souveränität abzugeben, ist eine Mammutaufgabe. Viel Glü ckdamit!