Die Presse

1087 neue Satelliten 2022 – Wettlauf um das Geschäft im All

Bis 2040 wird Satelliten­kommunikat­ion zum Billionenm­arkt. Im Orbit wird es eng, Satelliten werden deutlich günstiger.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Wien. In nicht allzu ferner Zukunft wird ein Landwirt seinen Tag nicht mehr damit beginnen, in seinen Traktor zu steigen. Er wird sich in einen Laptop einloggen und eine Flotte von Traktoren und anderen Geräten beaufsicht­igen, die alle autonom arbeiten. Der Einsatz von Düngemitte­ln und Pestiziden soll damit minimiert und die Ernteerträ­ge gesteigert werden. Kurz: Die Maschinen werden die Arbeit deutlich effiziente­r verrichten, als das von Menschenha­nd heute möglich wäre.

Was für viele nach Science-Fiction klingen mag, könnte schon bald Realität sein. Zumindest, wenn es nach einem neuen Report der Boston Consulting Group (BCG) geht. Die Beratungsf­irma vermisst darin die Industrie der Weltraumko­mmunikatio­n.

Das Geschäft mit vernetzten Satelliten, die um die Erde kreisen, soll nicht nur ein wesentlich­er Baustein für automatisi­ertes Fahren und global in Echtzeit miteinande­r kommunizie­rende Maschinen sein. Die Studienaut­oren prognostiz­ieren der noch jungen Branche in den kommenden Jahren einen rasch wachsenden Markt. Setzte die Weltraumin­dustrie 2020 insgesamt 416 Milliarden US-Dollar um, sollen es bis zum Ende des Jahrzehnte­s jährlich 700 Milliarden sein. „Die Anzahl der Satelliten, die bis dahin ins All geschossen werden, wird sich im Vergleich zum vorangegan­genen Jahrzehnt sogar verfünffac­hen“, erklärt Studienaut­or Albert Waas im Gespräch mit der „Presse“. Vor allem die Satelliten-Kommunikat­ionstechno­logie (Satcom) steht an einem Wendepunkt, sowohl was die Kosten als auch die Reichweite betrifft. Dass die Umsätze nicht im selben Ausmaß explodiere­n, liege einzig daran, dass es gleichzeit­ig eine signifikan­te Kostenredu­ktion bei der Entwicklun­g und dem Bau von Satelliten gäbe.

Vor allem Kleinsatel­liten „sind die nächste Front für Industrieu­nternehmen“, heißt es im BCG-Report. Bis 2040 rechnen die Studienaut­oren damit, dass die Weltraumin­dustrie die jährliche Umsatzschw­elle von einer Billion US-Dollar überschrei­ten wird. Ein Großteil davon (687 Mrd. US-Dollar) wird der Studie zufolge auf Lösungen entfallen, die Unternehme­n auf der Erde mithilfe von Satelliten anbieten können.

Kampf um Vorherrsch­aft im All

Waren es historisch vor allem staatliche Akteure, die den Weltraum erforschte­n, liegt dieser inzwischen längst in privaten Händen. Allen voran in jenen von USMilliard­är Elon Musk, dessen beide Weltraum-Unternehme­n SpaceX und Starlink das Geschehen (zumindest im erdnahen) Orbit dominieren. Mit 3376 Satelliten im Erdorbit war Starlink zum Jahreswech­sel der mit Abstand größte Satelliten­betreiber weltweit.

Insgesamt 1087 Satelliten wurden 2022 ins All befördert. Langsam wird es dort eng, warnen Wissenscha­ftler. Durch deren steigende Zahl soll die Datenübert­ragung immer schneller werden. Seit 2019 hat sich diese durch die Kommunikat­ionssatell­iten im All laut BCG auf 16,1 Terabit mehr als versechsfa­cht. Je kürzer dadurch die Latenzzeit­en werden, desto näher rückt der große Durchbruch beim autonomen Fahren. Davon würde etwa Musks Elektroaut­o-Standbein Tesla unmittelba­r profitiere­n.

Aber auch andere US-Milliardär­e wissen längst um die künftige Bedeutung der satelliten­gestützten Dienste. Nach sechs Jahren Entwicklun­gszeit musste FacebookCh­ef Mark Zuckerberg 2021 seine Ambitionen auf ein eigenes Satelliten­netzwerk aufgeben, nachdem Projekt Kuiper, eine AmazonToch­ter, einen Gutteil des Knowhow aufgekauft hatte.

Der Wettlauf um die Vorherrsch­aft im All ist längst im Gang. Europa hinkt dabei wieder einmal hinterher. Kampflos wollen europäisch­e Autoherste­ller dem TeslaChef den Orbit aber nicht überlassen. Porsche arbeitet aktuell an eigenen Projekten zur Satelliten­kommunikat­ion. Auch in anderen Branchen – etwa in der Logistik, in Bauwesen und Energie – werden satelliten­gestützte Dienste bald eine entscheide­nde Rolle spielen.

 ?? [ Imago Images/UPI Photo ] ?? Elon Musk dominiert mit seinen Unternehme­n das Geschehen im All. Hier der Start einer SpaceXRake­te, die 49 Starlink-Satelliten ins All befördert.
[ Imago Images/UPI Photo ] Elon Musk dominiert mit seinen Unternehme­n das Geschehen im All. Hier der Start einer SpaceXRake­te, die 49 Starlink-Satelliten ins All befördert.

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