1087 neue Satelliten 2022 – Wettlauf um das Geschäft im All
Bis 2040 wird Satellitenkommunikation zum Billionenmarkt. Im Orbit wird es eng, Satelliten werden deutlich günstiger.
Wien. In nicht allzu ferner Zukunft wird ein Landwirt seinen Tag nicht mehr damit beginnen, in seinen Traktor zu steigen. Er wird sich in einen Laptop einloggen und eine Flotte von Traktoren und anderen Geräten beaufsichtigen, die alle autonom arbeiten. Der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden soll damit minimiert und die Ernteerträge gesteigert werden. Kurz: Die Maschinen werden die Arbeit deutlich effizienter verrichten, als das von Menschenhand heute möglich wäre.
Was für viele nach Science-Fiction klingen mag, könnte schon bald Realität sein. Zumindest, wenn es nach einem neuen Report der Boston Consulting Group (BCG) geht. Die Beratungsfirma vermisst darin die Industrie der Weltraumkommunikation.
Das Geschäft mit vernetzten Satelliten, die um die Erde kreisen, soll nicht nur ein wesentlicher Baustein für automatisiertes Fahren und global in Echtzeit miteinander kommunizierende Maschinen sein. Die Studienautoren prognostizieren der noch jungen Branche in den kommenden Jahren einen rasch wachsenden Markt. Setzte die Weltraumindustrie 2020 insgesamt 416 Milliarden US-Dollar um, sollen es bis zum Ende des Jahrzehntes jährlich 700 Milliarden sein. „Die Anzahl der Satelliten, die bis dahin ins All geschossen werden, wird sich im Vergleich zum vorangegangenen Jahrzehnt sogar verfünffachen“, erklärt Studienautor Albert Waas im Gespräch mit der „Presse“. Vor allem die Satelliten-Kommunikationstechnologie (Satcom) steht an einem Wendepunkt, sowohl was die Kosten als auch die Reichweite betrifft. Dass die Umsätze nicht im selben Ausmaß explodieren, liege einzig daran, dass es gleichzeitig eine signifikante Kostenreduktion bei der Entwicklung und dem Bau von Satelliten gäbe.
Vor allem Kleinsatelliten „sind die nächste Front für Industrieunternehmen“, heißt es im BCG-Report. Bis 2040 rechnen die Studienautoren damit, dass die Weltraumindustrie die jährliche Umsatzschwelle von einer Billion US-Dollar überschreiten wird. Ein Großteil davon (687 Mrd. US-Dollar) wird der Studie zufolge auf Lösungen entfallen, die Unternehmen auf der Erde mithilfe von Satelliten anbieten können.
Kampf um Vorherrschaft im All
Waren es historisch vor allem staatliche Akteure, die den Weltraum erforschten, liegt dieser inzwischen längst in privaten Händen. Allen voran in jenen von USMilliardär Elon Musk, dessen beide Weltraum-Unternehmen SpaceX und Starlink das Geschehen (zumindest im erdnahen) Orbit dominieren. Mit 3376 Satelliten im Erdorbit war Starlink zum Jahreswechsel der mit Abstand größte Satellitenbetreiber weltweit.
Insgesamt 1087 Satelliten wurden 2022 ins All befördert. Langsam wird es dort eng, warnen Wissenschaftler. Durch deren steigende Zahl soll die Datenübertragung immer schneller werden. Seit 2019 hat sich diese durch die Kommunikationssatelliten im All laut BCG auf 16,1 Terabit mehr als versechsfacht. Je kürzer dadurch die Latenzzeiten werden, desto näher rückt der große Durchbruch beim autonomen Fahren. Davon würde etwa Musks Elektroauto-Standbein Tesla unmittelbar profitieren.
Aber auch andere US-Milliardäre wissen längst um die künftige Bedeutung der satellitengestützten Dienste. Nach sechs Jahren Entwicklungszeit musste FacebookChef Mark Zuckerberg 2021 seine Ambitionen auf ein eigenes Satellitennetzwerk aufgeben, nachdem Projekt Kuiper, eine AmazonTochter, einen Gutteil des Knowhow aufgekauft hatte.
Der Wettlauf um die Vorherrschaft im All ist längst im Gang. Europa hinkt dabei wieder einmal hinterher. Kampflos wollen europäische Autohersteller dem TeslaChef den Orbit aber nicht überlassen. Porsche arbeitet aktuell an eigenen Projekten zur Satellitenkommunikation. Auch in anderen Branchen – etwa in der Logistik, in Bauwesen und Energie – werden satellitengestützte Dienste bald eine entscheidende Rolle spielen.