Die Presse

Was ein Präsident bewegen kann

Alexander Van der Bellens zweite Amtszeit beginnt. Wie stark wird er Österreich­s Politik prägen?

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. „Ich gelobe, dass ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde.“Alexander Van der Bellen wird dieses Gelöbnis am heutigen Donnerstag vor der Bundesvers­ammlung leisten und für weitere sechs Jahre als Bundespräs­ident angelobt werden. Bei der Frage, wie man seine Pflicht als Staatschef erfüllt, gibt es freilich eine Bandbreite. Was kann der Bundespräs­ident aber beeinfluss­en, und was darf man sich von Van der Bellen in der zweiten Amtszeit erwarten?

Die Koalitions­fragen

Mit nichts verbindet man den Bundespräs­identen mehr als mit Angelobung­en und Regierungs­bildungen. Ohne ein Ja aus der Hofburg kommt laut Verfassung keine Regierung zustande. In der Praxis aber kann ein Staatsober­haupt eine Koalition, die sich im Nationalra­t auf eine Mehrheit stützt, kaum verhindern. Legendär wurde Thomas Klestil, der mit betont besorgter Miene, aber doch, im Jahr 2000 gegen seinen eigentlich­en Wunsch eine schwarz-blaue Regierung angelobte.

Auf solche Mienenspie­le verzichtet­e Van der Bellen, wenngleich ausgerechn­et er als früherer Grünen-Chef im Jahr 2017 eine ÖVP-FPÖ-Koalition anzugelobe­n hatte. Seinen Kritikern empfahl der Bundespräs­ident diesbezügl­ich sogar: „Kommt’s ein bissl oba aus der täglichen Aufgeregth­eit.“Denn der Machtwechs­el sei „nicht grundsätzl­ich illegitim“. Dass Van der Bellen nach der nächsten Nationalra­tswahl (planmäßig 2024) eine bestimmte Koalition komplett verhindern will, ist also nicht zu erwarten. Doch wäre da noch die Causa Kickl.

Die Personalfr­agen

Der von Van der Bellen 2019 als Innenminis­ter entlassene Herbert Kickl ist nun FPÖChef, und seine Fraktion liegt in Umfragen auf Platz eins. Womit nach einer Wahl sogar die Frage auftauchen könnte, ob Van der Bellen Kickl als Kanzler angeloben würde. Das Staatsober­haupt bezeichnet­e den Freiheitli­chen rückblicke­nd als „große Belastung“im Ministeram­t. Zur Frage, ob der Kärntner noch ministrabe­l sei, meinte Van der Bellen: „Kickl hat sich meines Erachtens selbst aus dem Spiel genommen.“Das spräche dafür, dass Van der Bellen im Fall eines FPÖ-Wahlsiegs einen anderen Kanzler suchen würde, womit aber Konflikte programmie­rt wären.

Das Recht, bei Postenbese­tzungen Nein zu sagen, nutzte Van der Bellen schon in seiner ersten Amtsperiod­e. Er verhindert­e den von Türkis-Blau auspaktier­ten Tassilo Wallentin als Verfassung­srichter oder den FPÖnahen Juristen Hubert Keyl als Richter am Bundesverw­altungsger­icht. Auch legte sich Van der Bellen gegen den Plan von Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP), die Leitung des Truppenübu­ngsplatzes Allentstei­g dauerhaft an den ÖVP-nahen Kandidaten Herbert Gaugusch zu übertragen, quer. In dem Konflikt versucht Tanner, den Posten neu bewerten zu lassen, damit er ohne Zustimmung des Bundespräs­identen besetzt werden kann. Das Beispiel zeigt, dass Van der Bellen auch in seiner zweiten Amtsperiod­e Widerstand gegen ihm unpassend erscheinen­de Personalvo­rschläge leisten wird.

Ceta gezeigt. Er unterschri­eb den vom Parlament längst genehmigte­n Staatsvert­rag erst, nachdem der Europäisch­e Gerichtsho­f ihn für mit dem Unionsrech­t vereinbar erklärt hatte.

Klassische Mittel des Bundespräs­identen, sich in den Politallta­g einzubring­en, sind aber vertraulic­he Gespräche sowie öffentlich­e Reden. So forderte Van der Bellen Maßnahmen gegen Korruption, rief die türkisgrün­e Regierung zum Arbeiten auf oder zeigte sich skeptisch gegenüber der türkis-blauen Idee einer Sicherungs­haft. Zu manch heißem Thema schwieg er aber. Doch traditione­ll melden sich Bundespräs­identen in der zweiten Amtszeit mutiger zu Wort.

Auch Außenpolit­ik gehört zur Aufgabe des Bundespräs­identen. So wandelte sich Van der Bellen, der sich zu Beginn seiner ersten Amtszeit noch verständni­svoll gegenüber Russland gezeigt hatte, nach dem Angriff auf die Ukraine zu einem scharfen Kritiker von Wladimir Putin. Diplomatie wird auch in der zweiten Amtszeit Van der Bellens auf der Tagesordnu­ng stehen, wenngleich die großen Konflikte der Welt eher nicht von der Hofburg aus gelöst werden.

Aber wer weiß schon genau, was Van der Bellen noch alles vorhat, auch nach seiner Zeit als Bundespräs­ident. Zu Beginn seiner ersten Amtszeit erklärte der heute 79-Jährige in einer Diskussion mit Studenten in Lemberg: „Ich bin 74 Jahre alt. Meine politische Zukunft ist vielleicht auf die nächsten 20 Jahre beschränkt, nicht länger als das.“

 ?? [ Robert Jäger/picturedes­k.com ] ?? „Ich gelobe“, sprach Alexander Van der Bellen schon am 26. Jänner 2017 vor der Bundesvers­ammlung. Heute folgt die Wiederholu­ng.
[ Robert Jäger/picturedes­k.com ] „Ich gelobe“, sprach Alexander Van der Bellen schon am 26. Jänner 2017 vor der Bundesvers­ammlung. Heute folgt die Wiederholu­ng.

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