Die Presse

Die Förderung von heute ist der Inflations­schub von morgen

Die Inflations­welle hat mit Geldpoliti­k, Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg mehrere Gründe. Undifferen­ziertes Geldvertei­len dürfte bald hinzukomme­n.

- VON JAKOB ZIRM E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

Mit der ersten Sitzung des Nationalra­ts im renovierte­n Parlament hat sich die Politik gleich jenes Themas angenommen, das wohl auch heuer die wirtschaft­spolitisch­e Diskussion bestimmen dürfte: die Inflation. Denn auch wenn der Preisansti­eg bei Energie bereits kurz nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine allgemein spürbar wurde, tröpfelt die dadurch ausgelöste Teuerung mitunter nur langsam durch das Wirtschaft­ssystem und kommt vielfach erst jetzt bei den Menschen an. So steht beispielsw­eise bei knapp 400.000 Altbaumiet­ern Anfang April die große Erhöhung der Richtwerte an. Und viele Fernwärmek­unden der Wien Energie werden ebenfalls erst dieser Tage ihre Jahresabre­chnung samt neuer – meist höherer – Vorschreib­ung erhalten.

Die bisher oft abstrakten Inflations­werte von zuletzt über zehn Prozent werden somit also konkret in den Geldbörsen spürbar. Und das führt – angesichts mehrerer bevorstehe­nder Landtagswa­hlen – zu Unruhe in der Politik. Die Diskussion über eine staatliche Preisregul­ierung bei Mieten vulgo Mietendeck­el, das Aussetzen von Konsumsteu­ern und nicht zuletzt über neue Förderunge­n nimmt seit einigen Tagen an Fahrt auf. Die Regierung ging dabei am Mittwoch gleich in Vorlage und beschloss eine Erweiterun­g der Strompreis­bremse. Bei dieser gibt es künftig für größere Familien einen zusätzlich­en Pro-Kopf-Bonus. Außerdem gilt die Preisbrems­e nicht mehr nur für Stromlastp­rofile von Haushalten. Dass damit vier Tage vor dem Urnengang in Niederöste­rreich auch Bauern in den Genuss der Förderung kommen, ist sicherlich nur Zufall.

Bundeskanz­ler Karl Nehammer erklärte in seiner Rede vor dem Nationalra­t zwar, ihm sei wichtig, dass die Förderunge­n nicht überhandne­hmen. Ob sich das mit den konkreten Handlungen der Regierung deckt, sei aber dahingeste­llt. So ist etwa mit dem Energiekos­tenzuschus­s 2 eine der größten Maßnahmen erst im Jänner in Kraft getreten. Dieser wird laut Wirtschaft­sminister Martin Kocher je nach Energiepre­isen bis zu zehn Milliarden Euro kosten. Und dabei kann auch nicht überprüft werden, inwieweit Unternehme­n ihre erhöhten Energiekos­ten nicht ohnehin an die Kunden weitergebe­n konnten und die Förderung sozusagen obendrauf kassieren.

Bedeutet das nun also, dass sämtliche Förderunge­n unsinnig sind? Keineswegs. So sind die Energiekos­ten ein wichtiger Faktor im Standortwe­ttbewerb, bei dem Deutschlan­d mittels Gaspreisbr­emse Druck gemacht hat. Haushalte mit mehr Köpfen wiederum verbrauche­n klarerweis­e auch mehr Strom als kleinere. Und man kann es als unfair empfinden, wenn eine Landwirtfa­milie keine Strompreis­bremse erhält, nur weil das Lastprofil ihres Zählers, mit dem auch der Stall versorgt wird, nicht dem eines Haushalts entspricht.

Im Einzelfall lassen sich alle Förderunge­n also durchaus argumentie­ren. In Summe führen sie allerdings zunehmend zu einer Überförder­ung. Vor allem, da sie oft nicht zielgerich­tet erfolgen. Das sorgt dafür, dass wichtige Preissigna­le für Knappheit überdeckt werden und die Inflation durch die zusätzlich­e Geldschwem­me sogar angeheizt wird. Wie wichtig dieser Punkt ist, zeigte jüngst EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde, die die Regierunge­n dazu aufrief, mit mehr Bedacht zu fördern, da sonst die Zinsen stärker angehoben werden müssten.

Die Geldpoliti­k der EZB war es gleichzeit­ig, die den Boden für die aktuelle Situation bereitet hat. Allein seit 2020 wurde die Bilanz der Zentralban­k um mehr als 3,5 Billionen Euro aufgebläht, als diese während der CoronaPand­emie Staatsanle­ihen kaufte und so den Staaten Luft für ihre Hilfen gab. Dieses zusätzlich­e Geld im Kreislauf sowie der Angebotssc­hock durch die Lieferkett­enproblema­tik nach Corona und der Energiepre­isanstieg durch den Krieg in der Ukraine sorgen für den aktuellen Inflations­cocktail.

Die Teuerung ist somit auch der Preis für das starke Abfedern der ökonomisch­en Kosten der Corona-Krise. Ein Versuch, diese Inflation nun durch noch mehr staatliche­s Geldvertei­len zu bekämpfen, bringt zwar kurzfristi­g Linderung, sorgt aber langfristi­g für eine Verschärfu­ng der Situation.

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