Die Presse

Scholz verzögert „mit voller Absicht“

Der deutsche Kanzler sorgt sich um die Stimmung im eigenen Land – und zieht zwei rote Linien für die Ukraine.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTOPH ZOTTER

Olaf Scholz hat alles richtig gemacht. So sah das zumindest der deutsche Kanzler selbst am Mittwochna­chmittag. Hinter ihm liegen Tage voller Streit, Erregung und Emotionen. Noch vor Kurzem empörte sich der litauische Außenminis­ter: Wie der Deutsche die Ukrainer in der Frage um Panzerlief­erungen des Typs Leopard 2 warten lasse, gleiche einem biblischen Fegefeuer, in dem Kiew nun seit Monaten darben müsse.

Als Scholz am Mittwoch vor das deutsche Parlament trat, um sich zu seinem Betragen befragen zu lassen, konnte er aber kein Problem erkennen. „Es ist richtig und mit voller Absicht geschehen, dass wir uns Stück für Stück vorangearb­eitet haben“, sagte er über den monatelang­en Streit wegen seiner Blockadeha­ltung in der Panzerfrag­e. Die Berichte über hitzige Wortgefech­te seines engsten Vertrauten mit dem US-Außenminis­ter? Die Beziehunge­n seien auf „einem so guten Niveau wie schon lang nicht mehr“. Der außenpolit­ische Flurschade­n, der für Deutschlan­d entstanden ist, weil Scholz von einem osteuropäi­schen Land nach dem anderen wegen seiner Zögerlichk­eit an den Pranger gestellt wurde? „Da bin ich vollständi­g anderer Meinung.“

„Kann man hochrechne­n“

Zumindest das Ergebnis der Panzerdeba­tte wurde am Mittwoch offiziell bestätigt: Deutschlan­d liefert der Ukraine in einem ersten Schritt 14 Panzer des Typs Leopard 2A6 aus den Lagern der Bundeswehr. Dazu koordinier­t Berlin eine europäisch­e Panzersamm­elaktion, an deren Ende zwei Bataillone entstehen sollen. Dafür wären wohl zwischen 80 und 100 Kampfpanze­r nötig. Die Ukraine hat um mindestens 300 gebeten. Die ukrainisch­en Soldaten, die mit den Maschinen kämpfen sollen, werden unter anderem auf deutschem Boden trainiert. Scholz selbst tat am Mittwoch so, als wäre dieses Ergebnis trotz der wochenlang­en Debatten erwartbar gewesen. „Was wir machen, kann man aus der Vergangenh­eit hochrechne­n“, sagte er. Bisher liefen Waffenlief­erungen wie beispielsw­eise bei der Panzerhaub­itze 2000 oder dem Schützenpa­nzer Marder tatsächlic­h nach einem Muster ab: Kiew schickt eine Wunschlist­e, Berlin winkt erstmal ab. Dann steigt der Druck von allen Seiten, ein westliches Land liefert ähnliche Waffen – und Deutschlan­d gibt nach.

Im konkreten Fall des Leopard 2 dürfte die US-Regierung die deutsche Blockade gebrochen haben. Am Dienstagna­chmittag sickerte durch, dass Washington zwischen 30 und 50 Stück seines Kampfpanze­rs M1 Abrams verspreche. Kurz darauf steckte das Kanzleramt die Nachricht von der Lieferung der Leopard 2 durch.

Die „Welt“feierte Scholz für seinen „Kampfpanze­r-Coup“, der Berliner „Tagesspieg­el“befand, der Kanzler habe sich „klug durchgeset­zt“. Der Hintergrun­d: Das Kanzleramt habe die Lieferung von Leopard 2 an die US-amerikanis­chen M1 Abrams gekoppelt.

„Sorgen wegen dieser Waffe“

Was das Kalkül dahinter war, erklärte Scholz nicht. Hinter verschloss­enen Türen ist der Ärger über die deutschen Sonderwüns­che und Befindlich­keiten in Washington aber groß. Die USA liefern so viele Waffen in die Ukraine wie kein anderes Land.

Deutsche Kampfpanze­r in die Ukraine zu schicken – einen der Schauplätz­e der Panzerschl­achten des Zweiten Weltkriegs –, gilt in Deutschlan­d als politische­r Tabubruch. Die Hälfte der Bevölkerun­g ist laut Umfragen dafür, die andere dagegen. „Es gibt viele Bürgerinne­n und Bürger, die sich Sorgen machen, wegen der Dimension, die diese Waffe mit sich bringt“, sagte Scholz am Mittwoch. Inwiefern sich die Leopard 2 von bereits gelieferte­m deutschen HightechKr­iegsgerät unterschei­det, ließ er offen. Er werde aber verhindern, „dass die Risiken für unser Land in eine falsche Richtung wachsen“.

Der nächste Wunsch ist bereits deponiert: Kampfflugz­euge. Die fordert unter anderem der ehemalige ukrainisch­e Botschafte­r in Berlin und nunmehrige Vizeaußenm­inister in Kiew, Andrij Melnyk. Hier zog Scholz eine rote Linie: keine deutschen Kampfjets. Andere EULänder wie die Slowakei zeigten sich in der Vergangenh­eit offen, alte Sowjetmode­lle zu liefern. Und auch in einer anderen Frage wollte Scholz die deutsche Bevölkerun­g beruhigen. „Bodentrupp­en wird es auf keinen Fall geben“, sagte er.

Es ist richtig und mit voller Absicht geschehen, dass wir uns Stück für Stück vorangearb­eitet haben. Olaf Scholz, deutscher Bundeskanz­ler

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[ AFP ] Bei sich fand der deutsche Bundeskanz­ler, Olaf Scholz (SPD), in der Debatte um die Leopard 2 keinen Fehler.

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