Scholz verzögert „mit voller Absicht“
Der deutsche Kanzler sorgt sich um die Stimmung im eigenen Land – und zieht zwei rote Linien für die Ukraine.
Olaf Scholz hat alles richtig gemacht. So sah das zumindest der deutsche Kanzler selbst am Mittwochnachmittag. Hinter ihm liegen Tage voller Streit, Erregung und Emotionen. Noch vor Kurzem empörte sich der litauische Außenminister: Wie der Deutsche die Ukrainer in der Frage um Panzerlieferungen des Typs Leopard 2 warten lasse, gleiche einem biblischen Fegefeuer, in dem Kiew nun seit Monaten darben müsse.
Als Scholz am Mittwoch vor das deutsche Parlament trat, um sich zu seinem Betragen befragen zu lassen, konnte er aber kein Problem erkennen. „Es ist richtig und mit voller Absicht geschehen, dass wir uns Stück für Stück vorangearbeitet haben“, sagte er über den monatelangen Streit wegen seiner Blockadehaltung in der Panzerfrage. Die Berichte über hitzige Wortgefechte seines engsten Vertrauten mit dem US-Außenminister? Die Beziehungen seien auf „einem so guten Niveau wie schon lang nicht mehr“. Der außenpolitische Flurschaden, der für Deutschland entstanden ist, weil Scholz von einem osteuropäischen Land nach dem anderen wegen seiner Zögerlichkeit an den Pranger gestellt wurde? „Da bin ich vollständig anderer Meinung.“
„Kann man hochrechnen“
Zumindest das Ergebnis der Panzerdebatte wurde am Mittwoch offiziell bestätigt: Deutschland liefert der Ukraine in einem ersten Schritt 14 Panzer des Typs Leopard 2A6 aus den Lagern der Bundeswehr. Dazu koordiniert Berlin eine europäische Panzersammelaktion, an deren Ende zwei Bataillone entstehen sollen. Dafür wären wohl zwischen 80 und 100 Kampfpanzer nötig. Die Ukraine hat um mindestens 300 gebeten. Die ukrainischen Soldaten, die mit den Maschinen kämpfen sollen, werden unter anderem auf deutschem Boden trainiert. Scholz selbst tat am Mittwoch so, als wäre dieses Ergebnis trotz der wochenlangen Debatten erwartbar gewesen. „Was wir machen, kann man aus der Vergangenheit hochrechnen“, sagte er. Bisher liefen Waffenlieferungen wie beispielsweise bei der Panzerhaubitze 2000 oder dem Schützenpanzer Marder tatsächlich nach einem Muster ab: Kiew schickt eine Wunschliste, Berlin winkt erstmal ab. Dann steigt der Druck von allen Seiten, ein westliches Land liefert ähnliche Waffen – und Deutschland gibt nach.
Im konkreten Fall des Leopard 2 dürfte die US-Regierung die deutsche Blockade gebrochen haben. Am Dienstagnachmittag sickerte durch, dass Washington zwischen 30 und 50 Stück seines Kampfpanzers M1 Abrams verspreche. Kurz darauf steckte das Kanzleramt die Nachricht von der Lieferung der Leopard 2 durch.
Die „Welt“feierte Scholz für seinen „Kampfpanzer-Coup“, der Berliner „Tagesspiegel“befand, der Kanzler habe sich „klug durchgesetzt“. Der Hintergrund: Das Kanzleramt habe die Lieferung von Leopard 2 an die US-amerikanischen M1 Abrams gekoppelt.
„Sorgen wegen dieser Waffe“
Was das Kalkül dahinter war, erklärte Scholz nicht. Hinter verschlossenen Türen ist der Ärger über die deutschen Sonderwünsche und Befindlichkeiten in Washington aber groß. Die USA liefern so viele Waffen in die Ukraine wie kein anderes Land.
Deutsche Kampfpanzer in die Ukraine zu schicken – einen der Schauplätze der Panzerschlachten des Zweiten Weltkriegs –, gilt in Deutschland als politischer Tabubruch. Die Hälfte der Bevölkerung ist laut Umfragen dafür, die andere dagegen. „Es gibt viele Bürgerinnen und Bürger, die sich Sorgen machen, wegen der Dimension, die diese Waffe mit sich bringt“, sagte Scholz am Mittwoch. Inwiefern sich die Leopard 2 von bereits geliefertem deutschen HightechKriegsgerät unterscheidet, ließ er offen. Er werde aber verhindern, „dass die Risiken für unser Land in eine falsche Richtung wachsen“.
Der nächste Wunsch ist bereits deponiert: Kampfflugzeuge. Die fordert unter anderem der ehemalige ukrainische Botschafter in Berlin und nunmehrige Vizeaußenminister in Kiew, Andrij Melnyk. Hier zog Scholz eine rote Linie: keine deutschen Kampfjets. Andere EULänder wie die Slowakei zeigten sich in der Vergangenheit offen, alte Sowjetmodelle zu liefern. Und auch in einer anderen Frage wollte Scholz die deutsche Bevölkerung beruhigen. „Bodentruppen wird es auf keinen Fall geben“, sagte er.
Es ist richtig und mit voller Absicht geschehen, dass wir uns Stück für Stück vorangearbeitet haben. Olaf Scholz, deutscher Bundeskanzler