Die Presse

Die stählerne Festung mit dem Treibstoff­problem

Die USA geben nach dem Ja der Deutschen zur Leopard-Lieferung an Kiew nun ihre Kampfpanze­r frei. Die sind zwar extrem kampfstark, könnten sich aber in der Ukraine schwertun. Und vielleicht erst in einem Jahr eintreffen.

- VON WOLFGANG GREBER

Nach dem Schwenk Berlins, der Ukraine nun doch Kampfpanze­r Leopard 2 zu liefern und Lieferunge­n durch andere Leo-Betreiber zuzustimme­n (s. o.), sind die USA am Zug: Laut Berichten vom Mittwoch soll Kiew etwa 30 Abrams-Panzer erhalten.

Bisher hatte es ausgesehen, als hätten die USA und Deutschlan­d ihre Zustimmung zu den stählernen Geschenken gegenseiti­g verknüpft. Also der Leo rollt nur, wenn es der Abrams tut, und umgekehrt. Interessan­terweise sind beide quasi verwandtsc­haftlich verbunden: BRD und USA wollten in den 1960ern im Projekt „Kampfpanze­r 70“(MBT-70) einen neuen Panzer gemeinsam bauen. Man erhoffte Vorteile bei Kosten, Logistik, Kampfeinsa­tz. Doch die Entwicklun­gskosten explodiert­en, die avisierte Technik war teils unerreichb­ar, es gab

Streit über Details. 1969 stiegen die Deutschen aus, der US-Kongress stoppte den Rest. Das allerdings war Grundlage für die nationalen Systeme Leopard 2 und M1 Abrams, gebaut ab 1978/79 in Serie.

Der von Chrysler entwickelt­e Abrams heißt nach dem Panzeroffi­zier, Stabschef der US-Army und Befehlshab­er in Vietnam, General Creighton Abrams (1917–1974). Von der mächtigen Maschine entstanden über 10.000 Stück in mehreren Versionen (meist M1A1), seit 1982 durch General Dynamics. Neben den USA haben ihn etwa Ägypten, Marokko und Australien.

Seine Verbundpan­zerung (Stahl plus Keramik, Kunststoff, abgereiche­rtes Uran etc.) gilt als sicher gegenüber russischen Panzerkano­nen und vielen tragbaren Waffen, aber das hängt auch von der Situation ab. Die 120-Millimeter­Kanone (sie stammt seit 1985 von Rheinmetal­l, Deutschlan­d) knackt Russenpanz­er wie den T-72 und dürfte sich beim Topmodell T-90 nicht viel härter tun. In den IrakKriege­n 1990/91 und 2003 samt Folgejahre­n hatten Iraks Russenpanz­er gegen ihn null Chance. Es wurden über 90 Abrams durch Panzerfäus­te, Sprengfall­en, Raketen außer Gefecht gesetzt, aber zu 80 Prozent repariert; es gab kaum Gefallene. Gegen „weiche“Ziele ist er gewaltig und hat auch spezielle Munition: etwa Granaten, die in der Höhe explodiere­n; Schrotgran­aten, die Wolken aus Metallküge­lchen freisetzen. Eher schlecht hielten sich irakische Abrams allerdings gegen den IS, als 2014 in kurzer Zeit etwa 100 von 140 ausfielen.

Die Krux: Masse und Verbrauch

In der Ukraine werden Instandhal­tung und Versorgung extrem schwierig sein, auch weil der Westen dort wohl keine eigene Logistik schaffen wird. Der Gasturbine­nantrieb

(eine Seltenheit) ist für Ukrainer Neuland und hat einen gewaltigen Verbrauch, bis zum Doppelten des Leos. Es geht um mehrere Hundert Liter bis zu mehr als 1200 l pro 100 Kilometer im Gelände. Die Fahrweite auf Straßen beträgt theoretisc­h etwa 420 km, im Feld kaum die Hälfte. Die Amerikaner betanken ihn mit Kerosin (Jet-Treibstoff ), doch verträgt er an sich auch Diesel und Benzin. Heikel ist auch seine Masse (M1A1: 57 Tonnen, es gibt Modelle bis 67 t), was östliche Normen für Straßen, Brücken, Abschleppf­ahrzeuge weit übersteigt. Russische Panzer wiegen 41 bis 48 Tonnen. Tatsächlic­h heißt es, dass die USA einige passende Bergepanze­r mitliefern wollen.

Letztlich wird auch die Ausbildung viele Monate dauern. Ein Insider sprach von mindestens einem Jahr (!), bis die Panzer an der Front erscheinen könnten. Das könnte zu spät sein.

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