Abhörskandal bringt Premier in Bredouille
Bestätigt: Die Regierung ließ Minister und Offiziere abhören. Opposition stellt Vertrauensfrage.
Kyriakos Mitsotakis und seine konservative Regierung sind schwer in Bedrängnis geraten. Vor wenigen Tagen bestätigte die unabhängige Behörde zum Schutz der Datenübertragung, dass der griechische Geheimdienst (EYP) zumindest einen Minister und fünf Offiziere der Streitkräfte mit staatsanwaltschaftlicher Genehmigung abhörte. Das legt den Schluss nahe, dass sich Dutzende weitere kolportierte Abhörfälle über kurz oder lang ebenfalls bestätigen werden. Unter anderem hatte die Zeitung „Documento“kürzlich Gesprächsprotokolle von abgehörten Telefonaten des griechischen Generalstabschefs veröffentlicht.
Die Regierung aber verweigert in diesem wie auch in allen vorhergehenden Fällen die Auskunft, mit Hinweis auf die nationale Sicherheit und laufende Gerichtsverfahren. Dieser Linie folgte sie ebenfalls bei einem Untersuchungsausschuss im Herbst.
Verschwörungstheorien
Statt Transparenz wartete der Regierungssprecher mit Verschwörungstheorien auf. So beschuldigte er Christos Rammos, Chef der Behörde, ein Naheverhältnis mit Syriza, der linken Opposition unter ExPremier Alexis Tsipras, zu pflegen. Syriza brachte für Freitag einen Misstrauensantrag gegen Mitsotakis
im Parlament ein. Brisanz gewinnt der Skandal durch Parlamentswahlen im ersten Halbjahr. Mitsotakis, dessen Vorsprung gegenüber Syriza laut Umfragen bis zu sieben Prozent beträgt, dürfte darauf setzen, dass er diesen bis zur Wahl halten kann. Er geht davon aus, dass den Bürgern Aufklärung im Abhörskandal weniger wichtig ist als wirtschaftlicher Aufschwung und Arbeitsplätze.
Die Affäre schwelt seit vorigem Sommer, als bekannt wurde, dass
EYP den Chef der oppositionellen sozialdemokratischen Pasok-Kinal, Nikos Androulakis, und den Aufdeckungsjournalisten Thanasis Koukakis abgehört hat. Mitsotakis räumte ein, dass diese „legale Aktion“auf Anforderung einer Staatsanwältin – allerdings ohne sein Wissen – stattgefunden habe. Er stritt jede Verbindung seiner Dienste mit der Spionagesoftware Predator ab. Es war nämlich festgestellt worden, dass parallel zum Lauschangriff von EYP auch die
Infizierung der Handys der Abgehörten mit Predator versucht worden war.
Seither fielen in den Medien die Namen von Dutzenden von Kadern der Regierungspartei, von Unternehmern und Militärs, die abgehört worden sein sollen. Immer eindringlicher wurden auch die Mahnungen von Verfassungsrechtlern: Die über 15.000 legalen Abhöraktionen aus Gründen der nationalen Sicherheit allein im Jahr 2021 würden das reibungslose
Funktionieren der demokratischen Institutionen infrage stellen.
Die Regierung aber verabschiedete ein neues Datenschutzgesetz. Zwar ist es nun möglich, Auskunft über abgeschlossene Lauschangriffe zu erhalten, aber erst drei Jahre nach ihrer Einstellung und nach Zustimmung durch eine Kommission – womit die Zuständigkeit der Datenschutzbehörde beschnitten wurde.
Problem bei Partnersuche
Doch die Konservativen haben durch die Affäre einen potenziellen Verbündeten verloren. Nach dem Verhältniswahlrecht muss sich die stimmenstärkste Partei bei den kommenden Wahlen aller Voraussicht nach einen Koalitionspartner suchen. Bisher boten sich dafür die Sozialisten an. Doch SPChef Androulakis dürfte nach dem Abhörskandal dazu nicht mehr bereit sein. Er könnte mit Syriza koalieren, wenn die Wahlarithmetik stimmt; wenn nicht, könnte es Neuwahlen geben, dann mit verstärktem Verhältniswahlrecht. Die Konservativen haben nach Machtantritt 2019 umgehend für eine Änderung des Wahlrechts gesorgt, dieses wird laut Verfassung bei einer eventuellen Wiederholungswahl schlagend.