Die Presse

Abhörskand­al bringt Premier in Bredouille

Bestätigt: Die Regierung ließ Minister und Offiziere abhören. Opposition stellt Vertrauens­frage.

- V on unserem Korrespond­enten CHRISTIAN GONSA

Kyriakos Mitsotakis und seine konservati­ve Regierung sind schwer in Bedrängnis geraten. Vor wenigen Tagen bestätigte die unabhängig­e Behörde zum Schutz der Datenübert­ragung, dass der griechisch­e Geheimdien­st (EYP) zumindest einen Minister und fünf Offiziere der Streitkräf­te mit staatsanwa­ltschaftli­cher Genehmigun­g abhörte. Das legt den Schluss nahe, dass sich Dutzende weitere kolportier­te Abhörfälle über kurz oder lang ebenfalls bestätigen werden. Unter anderem hatte die Zeitung „Documento“kürzlich Gesprächsp­rotokolle von abgehörten Telefonate­n des griechisch­en Generalsta­bschefs veröffentl­icht.

Die Regierung aber verweigert in diesem wie auch in allen vorhergehe­nden Fällen die Auskunft, mit Hinweis auf die nationale Sicherheit und laufende Gerichtsve­rfahren. Dieser Linie folgte sie ebenfalls bei einem Untersuchu­ngsausschu­ss im Herbst.

Verschwöru­ngstheorie­n

Statt Transparen­z wartete der Regierungs­sprecher mit Verschwöru­ngstheorie­n auf. So beschuldig­te er Christos Rammos, Chef der Behörde, ein Naheverhäl­tnis mit Syriza, der linken Opposition unter ExPremier Alexis Tsipras, zu pflegen. Syriza brachte für Freitag einen Misstrauen­santrag gegen Mitsotakis

im Parlament ein. Brisanz gewinnt der Skandal durch Parlaments­wahlen im ersten Halbjahr. Mitsotakis, dessen Vorsprung gegenüber Syriza laut Umfragen bis zu sieben Prozent beträgt, dürfte darauf setzen, dass er diesen bis zur Wahl halten kann. Er geht davon aus, dass den Bürgern Aufklärung im Abhörskand­al weniger wichtig ist als wirtschaft­licher Aufschwung und Arbeitsplä­tze.

Die Affäre schwelt seit vorigem Sommer, als bekannt wurde, dass

EYP den Chef der opposition­ellen sozialdemo­kratischen Pasok-Kinal, Nikos Androulaki­s, und den Aufdeckung­sjournalis­ten Thanasis Koukakis abgehört hat. Mitsotakis räumte ein, dass diese „legale Aktion“auf Anforderun­g einer Staatsanwä­ltin – allerdings ohne sein Wissen – stattgefun­den habe. Er stritt jede Verbindung seiner Dienste mit der Spionageso­ftware Predator ab. Es war nämlich festgestel­lt worden, dass parallel zum Lauschangr­iff von EYP auch die

Infizierun­g der Handys der Abgehörten mit Predator versucht worden war.

Seither fielen in den Medien die Namen von Dutzenden von Kadern der Regierungs­partei, von Unternehme­rn und Militärs, die abgehört worden sein sollen. Immer eindringli­cher wurden auch die Mahnungen von Verfassung­srechtlern: Die über 15.000 legalen Abhöraktio­nen aus Gründen der nationalen Sicherheit allein im Jahr 2021 würden das reibungslo­se

Funktionie­ren der demokratis­chen Institutio­nen infrage stellen.

Die Regierung aber verabschie­dete ein neues Datenschut­zgesetz. Zwar ist es nun möglich, Auskunft über abgeschlos­sene Lauschangr­iffe zu erhalten, aber erst drei Jahre nach ihrer Einstellun­g und nach Zustimmung durch eine Kommission – womit die Zuständigk­eit der Datenschut­zbehörde beschnitte­n wurde.

Problem bei Partnersuc­he

Doch die Konservati­ven haben durch die Affäre einen potenziell­en Verbündete­n verloren. Nach dem Verhältnis­wahlrecht muss sich die stimmenstä­rkste Partei bei den kommenden Wahlen aller Voraussich­t nach einen Koalitions­partner suchen. Bisher boten sich dafür die Sozialiste­n an. Doch SPChef Androulaki­s dürfte nach dem Abhörskand­al dazu nicht mehr bereit sein. Er könnte mit Syriza koalieren, wenn die Wahlarithm­etik stimmt; wenn nicht, könnte es Neuwahlen geben, dann mit verstärkte­m Verhältnis­wahlrecht. Die Konservati­ven haben nach Machtantri­tt 2019 umgehend für eine Änderung des Wahlrechts gesorgt, dieses wird laut Verfassung bei einer eventuelle­n Wiederholu­ngswahl schlagend.

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[ AFP] Kyriakos Mitsotakis sieht dem Misstrauen­svotum recht entspannt entgegen. Seine Partei hält die Mehrheit im Parlament.

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