Die Presse

Höhere Strafen, mehr Prävention

Nach dem Fall Teichtmeis­ter kündigt die Regierung ein Paket mit Maßnahmen für den Schutz vor sexueller Gewalt an. Das Wort „Kinderporn­ografie“verschwind­et aus dem Gesetz.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Muss immer etwas passieren, damit etwas passiert? Braucht es einen Fall um einen Prominente­n, aktuell um Florian Teichtmeis­ter, damit beim Schutz vor Missbrauch und sexueller Gewalt etwas weitergeht, Maßnahmen umgesetzt werden, die Expertinne­n schon lang unermüdlic­h fordern?

Nein, sagt die Regierung, vieles von dem, was am Mittwoch als Kinderschu­tzpaket präsentier­t wurde, sei seit Monaten verhandelt worden. Nun ist es schnell gegangen. Herausgeko­mmen ist tatsächlic­h ein umfassende­s Paket, für das selbst Gewaltschu­tz-Expertinne­n lobende Worte finden. Vieles aber bleibt trotzdem offen.

Schutzkonz­epte

Kinderschu­tzorganisa­tionen fordern: Jede Bildungsei­nrichtung, jede Institutio­n, jeder Verein, der mit Kindern und Jugendlich­en arbeitet, soll verpflicht­et sein, ein Kinderschu­tzkonzept vorzulegen, in dem präventive Schritte ebenso festgelegt sind wie Abläufe, was im Fall des Falles passiert. Das kommt nicht. Was kommt: Schulen sollen verpflicht­et werden, solche Konzepte zu erstellen. Allerdings nur jene in Bundeskomp­etenz. Der Gesetzesen­twurf soll im ersten Halbjahr 2023 in Begutachtu­ng gehen.

Bildungsei­nrichtunge­n in Landeskomp­etenz, etwa Volksschul­en oder Kindergärt­en, könne man das nicht vorgeben, so die Regierung. Man wolle aber mit den Ländern sprechen. In Wien ist das nicht nötig: Elementarp­ädagogisch­e Einrichtun­gen müssen solche Konzepte bis Oktober vorlegen.

Auch für Vereine kommt die Auflage nicht, dafür soll es ein Kinderschu­tz-Gütesiegel geben. Wer ein Schutzkonz­ept vorlegt, kann es bei einer Zertifizie­rungsstell­e einreichen und das Sigel beantragen. Diese Zertifizie­rungsstell­e will Justizmini­sterin Alma Zadić (Grüne) ausschreib­en lassen, sie soll von einer NGO betrieben werden.

Kampagne

Ebenfalls in Sachen Prävention soll demnächst, wie lang gefordert, eine große Kinderschu­tz-Kampagne umgesetzt werden. „Kinder müssen wissen, was ihre Rechte sind, was ein Übergriff ist, an wen sie sich wenden können. Wir wissen aus Skandinavi­en, dass das sehr gut funktionie­rt“, sagt Zadić.

Höhere Strafen

Familienmi­nisterin Susanne Raab (ÖVP) spricht von „voller Härte gegen Täter“: Dementspre­chend werden Strafen erhöht. So soll etwa der Strafrahme­n für den Besitz von Missbrauch­sdarstellu­ngen mündiger Minderjähr­iger von bisher bis zu einem Jahr Freiheitss­trafe auf bis zu zwei Jahre erhöht werden.

Bei unmündigen Minderjähr­igen von bis zu zwei auf bis zu drei Jahre. Der Besitz einer „Vielzahl von Darstellun­gen“soll zu höheren Strafen führen, wobei das erst genau definiert werden muss. Höher bestraft werden soll, wer Missbrauch­sdarstellu­ngen Minderjähr­iger herstellt oder anbietet.

Aus dem Gesetz verschwind­en soll das Wort „Kinderporn­ografie“. Die Tatbeständ­e sollen von „pornografi­sche Darstellun­g“auf „Darstellun­g von Kindesmiss­brauch“geändert werden.

Tätigkeits­verbot

Künftig soll für sämtliche Straftäter, die wegen einschlägi­ger Delikte zu mehr als einem Jahr Haft verurteilt wurden, ein Verbot gelten, je wieder profession­ell oder ehrenamtli­ch mit Kindern oder Jugendlich­en zu arbeiten. Bisher galt das nur, wenn jemand zuvor mit Kindern oder Jugendlich­en gearbeitet hatte. Dieses Verbot soll künftig nach Verbüßen einer Strafe im Strafregis­terauszug aufscheine­n.

Ermittlung­en

Gestärkt werden soll die Polizei: Im Bundeskrim­inalamt soll das Cybercrime-Kompetenzz­entrum ausgebaut werden, auch mit einer neuen Software zum automatisc­hen Bildabglei­ch. Außerdem sollen als Teil der laufenden Kriminaldi­enstreform in den Landeskrim­inalämtern und in den Regionen Sonderbere­iche für Online-Missbrauch geschaffen werden.

Opferschut­z

Betroffene­n Kindern und Jugendlich­en soll schneller und effiziente­r geholfen werden. Die Familienbe­ratungsste­llen erhalten dafür ein Sonderbudg­et von drei Millionen Euro extra, um Ressourcen explizit für die Betreuung von Betroffene­n von sexueller Gewalt zu schaffen.

Informatio­nspflicht

Vereine oder Arbeitgebe­r sollen informiert werden, wenn jemandem, der mit Kindern oder Jugendlich­en arbeitet, Missbrauch vorgeworfe­n wird. Was hier rechtlich möglich ist, wie oder zu welchem Zeitpunkt im Ermittlung­sverfahren diese Informatio­nspflicht greift, das sei noch zu klären, sagt Zadić.

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[ APA/Roland Schlager] Ein eilig in Sachen Kinderschu­tz einberufen­es Großaufgeb­ot nach dem Ministerra­t: Sozialmini­ster Johannes Rauch (Grüne), Familienmi­nisterin Susanne Raab (ÖVP), Justizmini­sterin Alma Zadic´ (Grüne), Staatssekr­etärin Claudia Plakolm (ÖVP).

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