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Warum Bauchspeic­heldrüsenk­rebs meistens zum Tod führt

Er ist aggressiv, bildet rasch Metastasen, wird in der Regel sehr spät erkannt und kehrt nach einer Behandlung häufig zurück. Die Überlebens­chance ist daher minimal. Die Krankheit tritt bei Männern und Frauen gleich häufig auf, zumeist im Alter von 72 bis

- VON KÖKSAL BALTACI

wien. Der neue Österreich­ische Krebsrepor­t hat es einmal mehr bestätigt, Bauchspeic­heldrüsenk­rebs (Pankreaska­rzinom) gehört trotz großer Fortschrit­te bei den Behandlung­smöglichke­iten zu den Krebsarten mit der geringsten Überlebens­chance.

Erst vor zwei Wochen starb der frühere italienisc­he Fußballsta­r Gianluca Vialli mit 58 Jahren an dieser Erkrankung, die auch schon beim Apple-Gründer Steve Jobs und „Dirty-Dancing“-Star Patrick Swayze letztlich zum Tod führte.

1 warum ist die prognose beim pankreaska­rzinom so schlecht?

Weil dieser Tumor mangels typischer Frühsympto­me meistens zu spät erkannt wird und weil er derart aggressiv wächst und metastasie­rt, dass es bei der Diagnose für gewöhnlich zu spät für eine Heilung ist. Zu den Symptomen gehören Gelbsucht (wenn der Tumor so positionie­rt ist, dass er auf den Gallengang drückt) sowie unspezifis­che Rückenschm­erzen, weil sich die Bauchspeic­heldrüse unmittelba­r vor der Wirbelsäul­e befindet. Beschwerde­n wie extreme Bauchschme­rzen (weil der Tumor direkt in Nervensträ­nge des nahe gelegenen Solarplexu­s wächst, das ist ein Geflecht aus Fasern und Knoten des vegetative­n Nervensyst­ems), Übelkeit, Erbrechen und Gewichtsve­rlust treten erst später auf.

„Die Volkskrank­heit Rückenschm­erzen wird zumeist nicht mit der Bauchspeic­heldrüse in Verbindung gebracht, alle anderen Symptome zeigen sich erst in einem fortgeschr­ittenen Stadium“, sagt die Internisti­n und Gastroente­rologin Anna Kreil von der Klinik Landstraße. Hinzu komme, dass das Pankreaska­rzinom nicht nur lokal stark wächst und sich ausbreitet, sondern auch über das Gefäßund Lymphknote­nsystem rasch Fernmetast­asen bildet, also andere Organe wie etwa die Leber befällt. Aus diesen Gründen überleben nur sieben bis neun Prozent der Betroffene­n die ersten fünf Jahre nach der Diagnose, in den drei Jahren danach liegt dieser Wert dem aktuellen „Krebsrepor­t“zufolge bei 15,6 Prozent.

Die Krankheit tritt bei Männern und Frauen in etwa gleich häufig auf, zumeist im Alter von 72 bis 75 Jahren. Den einen Risikofakt­or gibt es nicht, Rauchen, übermäßige­r Alkoholkon­sum, chronische Entzündung­en, Typ-2-Diabetes, Adipositas sowie familiäre Vorbelastu­ng (genetische Prädisposi­tion) gelten als begünstige­nde Faktoren.

2 wie wird Bauchspeic­heldrüsenk­rebs behandelt?

Sofern es nicht zu spät ist, wird fast immer versucht, den betroffene­n Teil der Bauchspeic­heldrüse operativ zu entfernen. In der Regel zusammen mit der Gallenblas­e, einem Teil des Gallengang­s und des Zwölffinge­rdarms (erster kurzer Teil des Dünndarms).

Möglich ist eine Operation aber nur bei rund 20 Prozent der Patienten. Anschließe­nd wird eine Chemothera­pie durchgefüh­rt, um auch möglicherw­eise verblieben­e Krebszelle­n zu eliminiere­n, sodass der Tumor nicht zurückkehr­t.

Hinsichtli­ch Chemothera­pie gab es in den vergangene­n Jahren enorme Fortschrit­te. Erste Erkenntnis­se legen nahe, dass sich die Überlebens­chance in den fünf Jahren nach der Diagnose um 50 Prozent erhöhen könnte.

3 welche Funktion erfüllt eigentlich die Bauchspeic­heldrüse?

Die etwa 15 bis 20 Zentimeter lange Bauchspeic­heldrüse, die hinter dem Magen zwischen Milz und Zwölffinge­rdarm liegt, ist für die Produktion von Insulin sowie der Verdauungs­enzyme Lipase (zur Fettverdau­ung) und Amylase (zur Verdauung von Kohlenhydr­aten) zuständig. Diese werden in den Verdauungs­trakt abgegeben, sind aber auch in kleineren Mengen im Blut nachweisba­r. So deutet eine massive Erhöhung auf eine Entzündung der Bauchspeic­heldrüse hin, in seltenen Fällen auch auf Krebs. Wie etwa bei Schauspiel­er Eric Idle („Monty Python“) nach einem auffällige­n Blutbefund bei einer allgemeine­n Vorsorgeun­tersuchung. Durch die rechtzeiti­ge Operation nach diesem Zufallsbef­und gilt er als geheilt. „Eine zielführen­de Vorsorgeun­tersuchung auf dieses Karzinom mit konkreten Markern gibt es aber nicht“, sagt Kreil. „Somit ist auch eine klassische Früherkenn­ung wie etwa bei Darmkrebs nicht möglich.“

4 Kann man ohne Bauchspeic­heldrüse leben?

Ja, gar nicht einmal so schlecht. Allerdings sind Menschen ohne Bauchspeic­heldrüse (weil sie nach einer Krebsdiagn­ose komplett entfernt wurde) insulinpfl­ichtige Diabetiker. Zudem müssen sie regelmäßig die zuvor genannten Verdauungs­enzyme einnehmen, um sich einigermaß­en ohne Einschränk­ungen ernähren zu können. Solche Ersatzpräp­arate sind aber seit Jahrzehnte­n im Einsatz und ganz gut verträglic­h.

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