Steiermark stolpert in Verstaatlichung
Bei der Energie Steiermark dürfte das Land Alleineigentümer werden: Der australische Aktionär will verkaufen, und für die Partnersuche reicht die Zeit wohl nicht.
In Zeiten wie diesen machen Energieunternehmen vornehmlich Schlagzeilen mit sogenannten Übergewinnen. Die Energie Steiermark hätte dieses „Problem“wohl gern – besser gesagt: der Mehrheitseigentümer, das Land Steiermark. Doch dort muss man sich mit einem ganz anderen Thema herumschlagen: So wie es derzeit aussieht, wird das Land eine beträchtliche Summe in die Hand nehmen müssen, um alleiniger Eigentümer des Energieversorgers zu werden.
Und das kommt´so: Einst hielt die französische Electricité de France (EdF) einen 25-prozentigen Anteil an der Energie Steiermark, 2015 stiegen die Franzosen allerdings aus. Die Anteile wurden an den australischen Finanzinvestor Macquarie veräußert. Und in der steirischen Politik herrschte regelrecht Jubelstimmung: „Im Gegensatz zum Syndikatsvertrag mit der EdF übernimmt das Land nun die vollen Kontrollrechte über die Energie Steiermark“, freute sich der damalige SPÖ-Landeshauptmannstellvertreter, Michael Schickhofer. Man ging von einer längerfristigen Partnerschaft aus – aber um auf Nummer sicher zu gehen, wurde dem Land Steiermark für den Fall eines Ausstiegs der Australier ein Vorkaufsrecht vertraglich zugesichert.
Nun, dieser Fall ist eingetreten. Macquarie hat 2022 kundgetan, dass der 25-Prozent-Anteil verkauft werden soll, im Oktober wurde das Bieterverfahren gestartet. Seitdem ist für Spannung gesorgt: Wird das Land Steiermark von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch machen, wie etwa von der steirischen KPÖ gefordert wird? Oder kommt abermals ein Partner zum Zug? Auch in diesem Fall hat die steirische Politik ein gutes Wörtchen mitzureden, da sie ihr Vorkaufsrecht auch an einen von ihr präferierten Partner abtreten kann.
Vier Interessenten haben mittlerweile ihr Interesse bekundet.
Das sind, wie „Die Presse“in Erfahrung bringen konnte: Energy Infrastructure Partners (EIP) – ein Konsortium, in dem die Raiffeisenlandesbank Steiermark sowie die Grazer Wechselseitige Versicherung vertreten sind; Axa Investment Managers; Swiss Life Asset Managers; Allianz Capital Partners.
Offiziell ist das keineswegs, mit den Australiern wurde strengstes Stillschweigen vereinbart, auch die Landespolitik äußert sich nicht zu der Angelegenheit.
Unverbindliche Angebote
Alle vier Interessenten sollen dem Vernehmen nach jedenfalls sogenannte non-binding offers abgegeben haben – also nicht bindende Angebote. Was schlicht und einfach daran liegt, dass noch keiner der Interessenten in den Datenraum gelassen wurde, es also noch keine Due Diligence (sorgfältige Analyse der wirtschaftlichen, rechtlichen, steuerlichen und finanziellen
Verhältnisse der Energie Steiermark) gegeben hat.
Dennoch ist das Interesse ganz offensichtlich groß – was auch daran liegt, dass die Energie Steiermark 5,31 Prozent an der Verbund-Wasserkrafttochter Hydropower hält. Ein nicht ganz unwichtiges Asset in Zeiten der Energiekrise. Dem Vernehmen nach bewegen sich die unverbindlichen Angebote für den 25-ProzentAnteil am steirischen Energieversorger denn auch um die 500 Mio. Euro. Zum Vergleich: Macquarie hatte 2015 rund 250 Mio. bezahlt.
Eine enorme Wertsteigerung – soll nichts Schlimmeres passieren. Könnte man meinen. Und doch gibt es da ein kleines Problem: Laut Vertrag mit den Australiern hat das Land Steiermark nach Einlangen der Angebote eine Frist von 40 Tagen, um sich zum Thema Vorkaufsrecht zu deklarieren. Wie der „Presse“mitgeteilt wurde, hat das Land auch schon zwei Bewertungsgutachten
in Auftrag gegeben und zwei Anwaltskanzleien mandatiert. Es soll alles korrekt und gewissenhaft vonstatten gehen.
Totale Verstaatlichung?
Nur: Es scheint alles darauf hinauszulaufen, dass dem Land Steiermark gar nichts anderes übrig bleibt, als selbst viel Geld in die Hand zu nehmen und den 25-Prozent-Anteil zu erwerben. Denn der einst so bejubelte Vertrag mit Macquarie sieht vor, dass die 40-TagesFrist mit Einlangen der unverbindlichen Angebote zu laufen beginnt. Rund die Hälfte dieser Frist ist bereits verstrichen. Mit einem verbindlichen Angebot in den verbleibenden Tagen ist freilich ohne Due Diligence nicht zu rechnen. Womit das Land zwei Optionen hat: Entweder auf das Vorkaufsrecht verzichten und einen künftigen Partner riskieren, der eher nicht erwünscht ist. Oder selbst zuschlagen. Das wird teuer.