Die Presse

Gesellscha­ftsrecht: Konzerne sollen „mobiler“werden

Die EU-Mobilitäts­richtlinie sollte bis Ende Jänner umgesetzt sein – das schafft Österreich nicht. Ein Entwurf liegt nun aber vor.

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wien. Und wieder wird Österreich mit der Umsetzung einer EURichtlin­ie in Verzug geraten. Es geht um die EU-Mobilitäts­richtlinie: „Deren Umsetzung wäre bis

31. Jänner 2023 vorzunehme­n gewesen“, sagt Johannes ReichRohrw­ig, Rechtsanwa­lt und Professor für Unternehme­ns- und Gesellscha­ftsrecht, zur „Presse“. Immerhin, der Ministeria­lentwurf liegt nun vor, er wurde am vergangene­n Freitag auf der Parlaments­homepage veröffentl­icht.

Die Begutachtu­ngsfrist läuft bis

24. Februar 2023. Man könne also damit rechnen, „dass Regierungs­vorlage und Beschluss im Nationalra­t im ersten Halbjahr 2023 erfolgen werden“, sagt Reich-Rohrwig. Und nein, mit „Mobilität“sind hier nicht Verkehrsmi­ttel gemeint. Vielmehr geht es um grenzübers­chreitende Umstruktur­ierungen von Kapitalges­ellschafte­n. „Verschmelz­ungen österreich­ischer Kapitalges­ellschafte­n mit Kapitalges­ellschafte­n im EU- bzw. EWRAusland waren zwar bereits seit dem Jahr 2007 gemäß dem EU-Verschmelz­ungsgesetz möglich“, sagt Reich-Rohrwig. „Und auch die Sitzverleg­ung innerhalb der EU bzw. dem EWR war auf Basis der EuGH-Rechtsprec­hung rechtlich zulässig, stieß allerdings in der Praxis immer wieder auf Hürden bei den Registerge­richten.“

Joint Ventures dann einfacher

Dafür soll es künftig eine neue rechtliche Basis geben. Zur Relevanz für Österreich verweist ReichRohrw­ig auf eine Untersuchu­ng aus dem Jahr 2018: Demnach hat sich die Zahl der Aktiengese­llschaften in Österreich im Zeitraum von 2011 bis 2018 um 33 Prozent verringert, „und viele sind dabei durch Verschmelz­ung abhanden gekommen“. Die wichtigste­n Zielländer waren Deutschlan­d vor Frankreich und Zypern, gefolgt von Großbritan­nien, Gibraltar, Liechtenst­ein, Malta, den Niederland­en und der Schweiz. Nun mag man bei manchen dieser Zielländer gewisse Mutmaßunge­n über die Gründe für ihre Beliebthei­t anstellen. Sinnvoll sind Erleichter­ungen für die Verschmelz­ung dennoch: „Wenn z. B. ein Konzern mit Zentrale in Bayern den österreich­ischen Markt künftig von dort betreuen und die österreich­ische Tochter schließen will, würde es Fragen aufwerfen, wenn die Tochterges­ellschaft liquidiert wird“, nennt Reich-Rohrwig ein Beispiel.

Erleichter­t werden aber auch Verschmelz­ungen zwischen Unternehme­n, die verschiede­nen Eigentümer­n gehören – etwa wenn zwei Konzerne ein Joint Venture starten und dafür Tochterunt­ernehmen in eine neue Gesellscha­ft einbringen.

Erstmals zugelassen wird auch die grenzübers­chreitende Spaltung von Kapitalges­ellschafte­n. Diese war bisher nur möglich, „indem man zunächst innerhalb von Österreich eine Spaltung durchführt­e und dann entweder eine Sitzverleg­ung oder eine Verschmelz­ung der gespaltene­n Gesellscha­ft über die Grenze vorgenomme­n hat“, erklärt der Jurist. Dass das vereinfach­t wird, sei etwa für die Vorbereitu­ng von M&A-Transaktio­nen wichtig. Aber auch die Verlegung des Satzungssi­tzes in einen EU-Mitgliedst­aat mit einem für die Gesellscha­ftermehrhe­it günstigere­n Gesellscha­ftsrecht – das weniger Minderheit­srechte bzw. geringere Anforderun­gen an Kapitalerh­altung und Gläubigers­chutz vorsieht – wird erleichter­t.

Viele Änderungen nötig

Diese grenzübers­chreitende­n Umgründung­en werden im EU-Umgründung­sgesetz (EU-UmgrG) zusammenge­fasst, das nun als Ministeria­lentwurf vorliegt, erklärt Reich-Rohrwig. Dazu kommt das Gesellscha­ftsrechtli­che Mobilitäts­gesetz, mit dem die notwendige­n Änderungen weiterer Rechtsvors­chriften, etwa des Firmenbuch­gesetzes, geschaffen werden. Die grenzübers­chreitende Sitzverleg­ung werde dabei künftig als „Hinaus-Umwandlung“– wenn eine österreich­ische Kapitalges­ellschaft ihren Sitz in ein anderes EU- bzw. EWR-Land verlegt – oder im umgekehrte­n Fall als „Herein-Umwandlung“bezeichnet.

Und wirklich simpel wird all das auch künftig nicht sein – unter anderem muss ein unabhängig­er Sachverstä­ndiger den Plan für die grenzübers­chreitende Umwandlung prüfen und einen Bericht für die Gesellscha­fter erstellen.

Die bisherigen Gesellscha­fter können dann auch ihr Ausscheide­n gegen Barabfindu­ng verlangen, wenn sie gegen die Umwandlung Widerspruc­h erklären. „Und Gläubiger der Gesellscha­ft, die durch die Hinaus-Umwandlung gefährdet werden, haben einen Anspruch auf Sicherstel­lung“, ergänzt Reich-Rohrwig. Bei der grenzübers­chreitende­n Spaltung kann jeder Gesellscha­fter, der durch die Spaltung an der ausländisc­hen Gesellscha­ft beteiligt werden soll, ebenfalls seine Anteile abgeben und gegen angemessen­e Abfindung ausscheide­n.

Erstmals führt das Gesetz übrigens auch eine Missbrauch­skontrolle ein: Demnach hat das Gericht zu prüfen, ob die Umwandlung zu missbräuch­lichen oder betrügeris­chen Zwecken – etwa um sich Unionsrech­t oder nationalem Recht zu entziehen – vorgenomme­n werden soll. (cka)

Gläubiger, die durch die Hinaus-Umwandlung einer Kapitalges­ellschaft gefährdet werden, haben Anspruch auf Sicherstel­lung.

Johannes Reich-Rohrwig, Anwalt, Professor an der Uni Wien

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