Die Presse

Hinweisgeb­erschutz in der Zielgerade­n

Das neue Hinweisgeb­erInnensch­utzgesetz könnte im Februar in Kraft treten. Spätestens in den Monaten danach müssen Unternehme­n Meldekanäl­e einrichten. Was kommt da auf sie zu?

- VON CHRISTINE KARY diepresse.com/wirtschaft­srecht

wien. Spät, aber doch ist es nun so weit: Die Umsetzung der EUWhistleb­lower-Richtlinie kommt in die Zielgerade. Der Gesetzesen­twurf für das Hinweisgeb­erInnensch­utzgesetz (HSchG) wurde am 25. Jänner im Arbeits- und Sozialauss­chuss behandelt, eine Beschlussf­assung im Februar wird damit realistisc­h.

Größere Unternehme­n ab 250 Beschäftig­ten haben dann noch sechs Monate ab Inkrafttre­ten Zeit, um einen internen Meldekanal für Hinweise einzuricht­en. Für sie dürfte es demnach im August so weit sein. Der Stichtag für Firmen mit 50 bis 249 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn folgt dann laut EU-Vorgabe am 17. Dezember.

Und sogar auf Unternehme­n mit weniger als 50 Beschäftig­ten könnte das Thema bald durch die Hintertür zukommen – im Umweg über Lieferkett­engesetze, die in einzelnen EU-Ländern bereits in Kraft sind und für die es in absehbarer Zeit wohl auch einheitlic­he EU-Vorgaben geben wird. Österreich hat zwar noch kein solches Regulativ, seit Jahresbegi­nn gilt aber in Deutschlan­d ein Lieferkett­engesetz. „Dieses verlangt auch, dass Meldesyste­me implementi­ert werden“, sagt Martin Eckel, Partner bei Taylor Wessing in Wien, zur „Presse“. Das kann dann auch österreich­ische Zulieferer betreffen.

Droht Flut von Hinweisen?

Aber welche Erfahrunge­n gibt es damit bei Unternehme­n, die solche Systeme bereits implementi­ert haben? Vor allem: Ist nun zu erwarten, dass die Meldestell­en in einer Flut von Hinweisen untergehen? „Etwas mehr könnten es am Anfang schon sein“, meint Eckel. Leicht möglich, dass einige Hinweisgeb­er warten, bis sie durch das neue Gesetz besser geschützt sind. Es hängt aber wohl auch stark davon ab, wie bisher mit dem Thema umgegangen wurde. „Wir haben seit 2013 ein Compliance Management System, seither gibt es auch eine eigene Mailadress­e für Hinweise“, sagt Elisabeth Kolar, Compliance Officer in der Vivatis Holding in Linz, zur „Presse“. Eine Plattform, die anonyme Hinweise ermöglicht, gebe es seit Anfang des Vorjahres. „Wir haben damit gerechnet, dass die Meldungen dann mehr werden. Aber der Ansturm ist ausgeblieb­en“, sagt Kolar. Nachsatz: Wichtig seien vor allem die begleitend­e Informatio­n und Kommunikat­ion. „Dass es für das Unternehme­n wichtig ist, über allfällige Missstände informiert zu werden. Und dass Hinweise kein Verrat sind, sondern Zivilcoura­ge.“

In dieselbe Richtung deuten die Ergebnisse des von der Fachhochsc­hule Graubünden gemeinsam mit dem Compliance-Technologi­eanbieter EQS Group publiziert­en, länderüber­greifenden Whistleblo­wing-Reports. An der Online-Umfrage für den Report 2021 nahmen 1239 Unternehme­n aus Deutschlan­d, Frankreich, Großbritan­nien und der Schweiz teil. Mehr als 60 Prozent der Befragten hatten damals bereits eine Meldestell­e, und die große Mehrheit davon sei von deren Nutzen und Effektivit­ät überzeugt, heißt es in dem Bericht. Viele Unternehme­n nehmen es demnach auch als Chance wahr, sich durch die eingehende­n Meldungen zu verbessern.

Wobei die Zahl der Hinweise auch hier überschaub­ar blieb: Im Schnitt verzeichne­ten die Unternehme­n 34 Meldungen im Jahr, von denen – wenn auch mit länderspez­ifischen Abweichung­en – gut die Hälfte tatsächlic­h ein compliance-relevantes Thema betraf und sich als gehaltvoll erwies. Die übrigen waren großteils ebenfalls nicht missbräuch­lich – sondern bloß bei der Meldestell­e an der falschen Adresse, weil es zum Beispiel um technische Probleme oder um das Führungsve­rhalten ging. Die Zahl tatsächlic­h missbräuch­licher Meldungen blieb demnach im Schnitt im einstellig­en Prozentber­eich. Und sie erhöht sich laut dem Report auch nicht, wenn Hinweise anonym gegeben werden können.

Anonymität ist wichtig

Aus Sicht von Eckel ist Anonymität besonders wichtig – das nicht zu ermögliche­n, sei aus Unternehme­nssicht geradezu eine „Todsünde“, sagt er. Und ganz generell steige der Druck auf die Unternehme­n, webbasiert­e Systeme anzubieten, „die gleich attraktiv sind wie externe Meldekanäl­e“. Denn davon hängt es ab, ob Hinweise im Unternehme­n bleiben – oder eben doch bei externen Meldestell­en landen, was laut den neuen Regeln ja ebenfalls legitim ist.

Eckel warnt auch vor „handgestri­ckten Lösungen“– zumal Geldbußen drohen, wenn dabei etwas falsch gemacht wird. Wichtig seien ganz generell die Sicherheit und Barrierefr­eiheit des Systems – etwa, dass jene, die keinen Computerzu­griff haben, via Handy melden können, ergänzt Mirco Schmidt, Country Manager Austria beim Softwarean­bieter EQS. Und bei Konzernlös­ungen – die, wie Eckel meint, nach österreich­ischem Recht wohl offenbar doch möglich sein werden –, sei es auch von Vorteil, wenn das System eine Übersetzun­g aus anderen Sprachen liefert. „Denn sobald man ein Übersetzun­gsbüro einschalte­n muss, entsteht schon ein Vertraulic­hkeitsprob­lem.“Zudem sollte es möglich sein, ein Postfach für Rückfragen einzuricht­en. „Einsteigen kann man dann über ein Passwort und auf diese Weise anonym bleiben“, erklärt Schmidt. Eckel rät zudem, den Meldekanal auch für Themen zu öffnen, die vom doch recht engen Geltungsbe­reich des österreich­ischen Gesetzes nicht umfasst sind. In der deutschen Regelung habe man beispielsw­eise das gesamte Strafrecht miterfasst, in Österreich ist das nicht der Fall. Eine unternehme­nsinterne Erweiterun­g könne jedoch im Rahmen der Betriebsve­reinbarung, die für eine webbasiert­e Lösung ohnehin nötig sei, gleich mit vereinbart werden, sagt Eckel.

Der recht eingeschrä­nkte Geltungsbe­reich war einer der Kritikpunk­te im Begutachtu­ngsverfahr­en – dabei ist es freilich ebenso geblieben wie bei der Straflosig­keit für jene Unternehme­n, die keinen internen Meldekanal einrichten. Einige weitere Streitpunk­te wurden jedoch inzwischen ausgeräumt: „Komplett gefallen ist der § 13 im ersten Entwurf, wonach die Unternehme­nsleitung nicht hätte informiert werden dürfen“, sagt Dietmar Mühlböck, externer Datenschut­zbeauftrag­ter und Anbieter eines Hinweisgeb­ersystems, zur „Presse“. „Und die Aufbewahru­ngsfrist wurde von 30 auf fünf Jahre reduziert.“Zudem seien jetzt auch ehemalige Mitarbeite­r eines Subunterne­hmers in den Schutz inkludiert. „Und der Datenschut­z erstreckt sich auch auf Personen, die den Hinweisgeb­er unterstütz­en“, so Mühlböck. Die Haftung bei Repressali­en gegen Hinweisgeb­er wurde zudem auf juristisch­e Personen ausgeweite­t.

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