Die Presse

Eine Loos-Bar und ein Frauen-Salon mitten in Erdberg

Die verfallene Villa Mautner-Jäger auf der Landstraße­r Hauptstraß­e verspricht, ein Jahr lang zum Treffpunkt der Wiener Kunstszene zu werden.

- VON ALMUTH SPIEGLER

Kunst dient dieser Villa zur Nutzung, bis die Sanierung beginnt.

Viele kennen sie vom überrascht­en Innehalten auf der Landstraße­r Hauptstraß­e – passt die verwunsche­n wirkende Jahrhunder­twende-Villa auf Nummer 142 doch so gar nicht ins urban geschlosse­ne Straßenbil­d hier. Wer kennt schon die Geschichte, die sich hinter der verfallend­en Schönheit verbirgt? Wer war je schon drinnen? Ab Ende März gibt es Gelegenhei­t dazu. Die Villa MautnerJäg­er verspricht, ein ganzes Jahr lang zum neuen Treffpunkt der Wiener Kunstszene zu werden. Mit Ausstellun­gen, Konzerten, Skulpturen­garten – und originalge­treuem Nachbau der Loos-Bar, zur Verfügung gestellt von Unternehme­rin Marianne Kohn.

Was die freie Wiener Kuratorin und Kunstmanag­erin Ema KaiserBran­dstätter hier gerade plant, klingt schlicht spektakulä­r. Streift man mit ihr durch die drei Geschoße des Hauses, zum Teil noch mit originaler Einrichtun­g, durch den Garten mit seiner Kegelbahn aus dem Jahr 1907 und dem Portierhäu­schen, wo sie Künstlerat­eliers einrichten möchte. Oder Künstlerin­nen-Ateliers. Kaiser-Brandstätt­er ist in Wiener Frauennetz­werken,

etwa dem von Nicole Adler, aktiv. 2018 organisier­te sie einen mittlerwei­le fast legendären Frauen-Salon im Loos-Haus am Michaelerp­latz.

Dass ausgerechn­et ihr jetzt die Villa Mautner-Jäger zur Verfügung gestellt wird, gebaut für eine frühe Wiener Feministin, möchte man am liebsten gar nicht als den Zufall nehmen, der er eigentlich ist – dahinter steckt schlicht die Bekanntsch­aft mit den Immobilien­unternehme­rn von RS (Reichman Shalom) Opportunit­ies, die das denkmalges­chützte Haus von Investor Klemens Hallmann kauften und sorgfältig renovieren wollen.

Das Haus und seine Nachbarsch­aft waren einst ein Zentrum der Wiener

Secession rund um drei Töchter des Großindust­riellen Karl Ferdinand Mautner von Markhof: Eine, Editha, hatte den Secession-Chefgrafik­er Kolo Moser geheiratet, sie wohnten nebenan. Eine andere den Maler Josef Engelhart, sein Atelierhau­s sieht man vom Garten aus. Und Hertha (1879–1969), die Dritte im Bunde? War Vorstandsm­itglied des Bundes Österreich­ischer Frauenvere­ine und Mitbegründ­erin des Neuen Wiener Frauenclub­s. Verheirate­t mit Physiker Gustav Jäger, ließ sie 1902 von Architekt Franz Neumann die Villa bauen. Die jetzt endlich wieder starkes Frauenlebe­n und Kunst atmen darf.

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