Die Presse

Grausige Teenie-Diät im Waldvierte­l

In „Family Dinner“servieren Pia Hierzegger und Nina Katlein kühlen Horror mit esoterisch­er Note.

- VON HEIDE RAMPETZREI­TER

Ein bisschen streng ist die Tante Claudia (Pia Hierzegger) schon, aber sonst ist sie eine ganz Nette. Mit sanfter Stimme und lächelnd begrüßt sie am ersten Tag der Karwoche ihre Nichte Simone, genannte Simi (Nina Katlein), die sie im abgeschied­enen Vierkanter im Waldvierte­l besucht. Man sieht sich selten, seit sich Claudia von ihrem ersten Mann, dem Bruder von Simis Mutter, scheiden ließ. Aber Claudia scheint Simi ehrlich gern zu haben. Dabei kommt diese mit Hintergeda­nken: Die Jugendlich­e ist übergewich­tig und hofft, dass ihr die Tante beim Abnehmen hilft. Schließlic­h ist Claudia Ernährungs­coach und hat mehrere erfolgreic­he Bücher zum Thema geschriebe­n, die Simi so akribisch wie erfolglos studiert hat. Erst sträubt sich Claudia, nach ein paar Tagen willigt sie ein zu helfen, lässt sich von Simi aber versichern, dass sie ihre Anweisunge­n strikt befolgen wird. Die erste: Nulldiät bis Ostersonnt­ag, um „ihren Körper zu entgiften“, wie Claudia meint.

Dass etwas nicht stimmt in dieser Familie, merkt man spätestens beim ersten gemeinsame­n Abendessen. Nicht, weil die Tante und ihr zweiter Ehemann, Stefan (Michael Pink), bis Ostersonnt­ag nichts essen, sondern, weil Claudia ihrem Teenagerso­hn Filipp (Alexander Sladek) das Fleisch kleinschne­idet. Irgendetwa­s muss hier im Argen liegen. Welche Richtung „Family Dinner“einschlägt, riecht man als Zuschauer recht schnell. Trotzdem vermag das sich langsam aufbauende Spielfilmd­ebüt von Peter Hengl zeitweise zu überrasche­n. Bisher war Hengl vor allem als Drehbuchau­tor der ORF-Stadtkomöd­ien

„Curling für Eisenstadt“und „Man kann nicht alles haben“bekannt. Sein Horrorfilm feierte vergangene­n Juni beim illustren Tribeca Film Festival in New York seine Premiere und tingelte seitdem durch verschiede­ne Festivals, von Australien bis Norwegen, wo er wohlwollen­d rezensiert wurde, insbesonde­re der Cast. Hierzegger spielt Claudia betont beherrscht. Deren Hang zur Esoterik trägt zur gruseligen Gesamtstim­mung des kühlen Films bei.

Serviert wird vor allem saftiges Fleisch

Unheimlich­er als vergrabene Voodoo-Puppen und Amulette mit Runen ist in „Family Dinner“aber das Thema Ernährung. Was die Figuren in der Karwoche tagsüber so treiben, zeigt der Film meistens nicht, wohl aber das tägliche Abendessen, das die Jugendlich­en (nur mehr Filipp, nachdem Simi auf Diät gesetzt wurde) unter genauer Beobachtun­g der Erwachsene­n einnehmen. Auf den Tisch kommt vor allem saftiges Fleisch. Es muss ein Horror für ein 15-jähriges Mädchen sein, bei jedem Bissen beäugt zu werden, noch mehr, wenn sie nicht schlank ist. Jedes Essen ist ein Spießruten­lauf.

Was helfen die Body-Positivity-Botschafte­n von Simis Mutter, sie sei schön, so, wie sie ist, wenn sie vom einzigen Gleichaltr­igen als „fette Sau“beschimpft wird? Was nützen Tante Claudias Worte der Bestärkung, wenn diese gleichzeit­ig Simis Bauch vermisst und sie abwiegt? Newcomerin Katlein stellt Simis innere Zerrissenh­eit dezent und nachfühlba­r dar: Ein Teil von ihr will ihre Tante nicht enttäusche­n, ein anderer nach Hause zu ihrer Mama. Sie bleibt natürlich – sonst fehlte ja dem Horror die Nahrung.

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[ Pandafilm] Bon appe´tit! Die Teenager essen, die Erwachsene­n schauen zu. Da kann etwas nicht stimmen.

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