Er war nie bequem: Jens Tschebull ist tot
92-jährig starb der Journalist und Medienmacher, der Wirtschaft spannend vermitteln konnte.
Er konnte einen auf die Palme bringen. Auch einen Kollegen von der Kultur, der gerade mühsam einen Verriss durchargumentiert hatte, um dann in einem Postscriptum zu seiner Glosse lesen zu müssen, dass der Wirtschaftsjournalist – wohlgemerkt ausdrücklich als „ressortmäßig unzuständig“deklariert – in derselben Vorstellung gewesen war und sie großartig gefunden hatte. Doppelt unbequem: Jens Tschebulls Argumente waren in der Regel räsonabel. Zum Glück kann man in der Kultur Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln her beleuchten.
Wie viel unangenehmer müssen seine Analysen im ökonomischen Bereich für die versammelten Entscheidungsträger aus dem Lager der selbst ernannt guten Menschen gewesen sein, wenn sie hieb- und stichfest waren. Was es wiegt, das hat es, hätte man Tschebulls Wahlspruch nennen können. Die heutzutage so beliebten Entscheidungen nach moralischen Grundsätzen waren ihm zumindest verdächtig, sobald sie dazu führten, dass alle anderen Argumente außer Acht gelassen wurden – vor allem solche, die sich eindeutig nachrechnen ließen.
Auch das Grundprinzip des „Audiatur et altera pars“schien ihm noch selbstverständlich. In einer Ära, in der immer weniger offene Diskussionen stattfinden, schien er denn auch als Kommentator aus der Zeit gefallen. Wenn er beispielsweise einmal vorrechnete, dass man etwa eine Frauenquote für eine Ungerechtigkeit halten könne, hagelte es wütende Proteste.
Alles, was dem Leser nützt
Solche Kritik war Tschebull gewöhnt, sie störte ihn nicht wirklich. Ob als Chefredakteur von „Trend“und „Profil“in der Frühzeit dieser Magazine, als Herausgeber des „Wirtschaftsblatts“oder als freier Kolumnist: Immer war ihm das Diskutieren, das Hinterfragen, das ein bis zweimal Um-die-Ecke-Denken seine journalistische Domäne. Wenn er den ihm unterstellten Kollegen einmal nahelegte, sie mögen mit ihrer Arbeit „nicht die Welt retten, sondern den Verlag“, dann ging er davon aus, dass Verlage nur durch höchste Qualität zu retten waren: „Das Wichtigste ist die Nützlichkeit für den Leser.“
Das hieß auch: Nicht wiederkäuen, was dieser Leser ohnehin weiß, nicht ihm nach dem Mund reden, sondern ihm neue, akribisch recherchierte Fakten an die Hand zu geben. Die eine oder andere felsenfeste Meinung entpuppt sich ja vielleicht doch irgendwann als vorgefasst. Dergleichen wollte er nie gelten lassen. Nicht einmal im Theater.