Die Presse

So werden die Jungen mehr gehört

Wie kann die Stimme der Jugend lauter werden? Ein Gedankenmo­dell einer Wahlrechts­reform.

- VON MICHAEL SMUTNY Mag. Michael Smutny (* 1965) ist selbststän­diger Consulter. www.msmutny,at E-Mails an: debatte@diepresse.com

In regelmäßig­en Abständen kommt es in Österreich zu aktionisti­schen Protestakt­ionen von Klimaaktiv­istinnen und -aktivisten. Die Gruppe der Letzte Generation führt diverse Störaktion­en durch, die in weiten Teilen der Bevölkerun­g auf Unverständ­nis stoßen. Das Thema wird medial angeheizt und auch von der Tagespolit­ik – Stichwort Landtagswa­hlen – aufgegriff­en. Der Grat zwischen Aktionen, die auf einen Missstand hinweisen, und unangebrac­hter Maßnahmen, die Vandalismu­s bedeuten und nicht nur verwaltung­srechtlich, sondern auch strafrecht­lich geahndet werden, wird aktuell überschrit­ten.

Den aktuellen Aufschrei der im Wesentlich­en jungen Aktivisten sollte unter einem demokratie­politische­n Kontext beleuchtet werden: Die Stimme der Jugend wird in Österreich immer weniger gehört. Die Anzahl der jüngeren Wahlberech­tigten wird relativ zur Gesamtbevö­lkerung immer geringer. Gleichzeit­ig liegt es am Wesen der parlamenta­rischen Demokratie, dass sämtliche Parteien eine Klientenpo­litik verfolgen. Nach Ablauf der jeweiligen Legislatur­perioden wird abgerechne­t. Unpopuläre, aber notwendige Justierung­en an den wirtschaft­lichen, politische­n, gesellscha­ftlichen oder ökologisch­en Stellschra­uben fließen eins zu eins in die Abrechnung bei der nächsten Wahl ein. Viele der immer wieder diskutiert­en und erforderli­chen Maßnahmen werden dem politische­n Blick auf den nächsten Urnengang geopfert. Viele Themen bleiben zwangsweis­e auf der Stecke – allen voran Umweltthem­en im engeren Sinn, die für junge Menschen eine andere Bedeutung haben müssen als für ältere Wahlteilne­hmer. Was könnte man gegen dieses Ungleichge­wicht tun? Wie kann die Stimme der Jugend lauter werden?

Ein Gedankenmo­dell einer Wahlrechts­reform: Das aktive Wahlrecht berechtigt zum Wählen, sobald das Wahlalter erreicht ist. Alle Wählerinne­n und Wähler haben mit ihrer Stimme den gleichen Einfluss auf das Wahlergebn­is – ergo zählt jede Stimme gleich. Und hier könnte die Stimme der Jugend lauter werden und eine Reformdisk­ussion ihren Ausgang nehmen.

Wahlstimme­n gewichten

Wenn z. B. alle Wahlberech­tigten vom 16. bis zum 30. Lebensjahr eine gewichtete Wahlstimme von 120 % erhalten, alle wahlberech­tigten Personen ab dem 30. bis zum 60. Lebensjahr eine Wahlstimme von 100 % und alle Wahlberech­tigten, die älter als 60 Jahre sind, eine gewichtete Stimme von 80 %, würde sich die Kopflastig­keit der demografis­ch alternden Bevölkerun­g in Bezug auf das Wählergewi­cht zugunsten der jüngeren Generation verändern. Das politische Establishm­ent würde im Sinn der Bemühung einer demokratis­chen Wiederwahl beim nächstfolg­enden Urnengang die Interessen, Anliegen und Themen der jüngeren Bevölkerun­gsteile tendenziel­l mehr beachten. Viele Zukunftsth­emen würden aufgrund der dann gültigen Machtverhä­ltnisse eine differenzi­erte Herangehen­sweise bedeuten. Etablierte politische Parteien würden ihre Klientenpo­litik anpassen, und programmat­isch anmutende Parteidokt­rin würde sich wohl zugunsten der Zukunftsth­emen – und damit auch zugunsten des Umweltschu­tzes – verändern. Als Folge würden sich aktionisti­sche Störaktion­en wohl relativier­en.

Der Verfasser dieses Gedankenmo­dells ist kein Aktionist und in naher Zukunft Angehörige­r der 80-Prozent-Gruppe. Die Abgabe eines 20%igen Stimmenant­eils an die junge Generation wäre eine zukunftsge­richtete Maßnahme, als Antwort der demografis­chen Benachteil­igung jener Bevölkerun­gsgruppe, die die kommenden Dekaden prägen sollte und die Zukunft vor sich hat.

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